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Unterhaltsrecht: Herbsetzung des Selbstbehalts

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 26. März 2025 (Az. XII ZB 388/24) die Maßstäbe zur Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts eines Unterhaltspflichtigen bei Kindesunterhalt konkretisiert, wenn der Unterhaltsschuldner in einer neuen Lebensgemeinschaft lebt und dadurch Haushaltsersparnisse erzielt. Die Entscheidung ist für die Praxis der Unterhaltsberechnung von erheblicher Bedeutung und bringt Klarheit für Unterhaltspflichtige und Unterhaltsberechtigte gleichermaßen.

 

Sachverhalt

 

Dem Verfahren lag zugrunde, dass der Antragsteller seit Januar 2018 für ein Kind Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erbrachte und den Antragsgegner auf rückständigen sowie laufenden Kindesunterhalt in Anspruch nahm. Das Amtsgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung von Unterhaltsrückständen und laufendem Kindesunterhalt in gestaffelter Höhe. Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde des Antragstellers hinsichtlich der Unterhaltshöhe ab. Im weiteren Verfahren war insbesondere streitig, inwieweit die Haushaltsersparnisse durch das Zusammenleben des Unterhaltspflichtigen mit einer neuen Partnerin zu einer Herabsetzung seines Selbstbehalts führen und damit seine Leistungsfähigkeit erhöhen.

 

Rechtliche Würdigung und Kernaussagen

 

Der BGH stellt klar, dass bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen nicht nur das tatsächlich erzielte, sondern auch ein fiktiv erzielbares Einkommen zu berücksichtigen ist, sofern der Unterhaltspflichtige seine Erwerbsobliegenheit verletzt. Allerdings dürfen fiktive Einkünfte nur dann zugerechnet werden, wenn eine reale Beschäftigungschance besteht und das erzielbare Einkommen realistisch erreichbar ist. Auch bei Verletzung der Erwerbsobliegenheit bleibt es bei der Obliegenheit, eine Nebentätigkeit in zumutbarem Umfang auszuüben.

 

Entscheidend für die Praxis ist jedoch die Aussage zur Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts: Der BGH bestätigt, dass der Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen, der in einer neuen Lebensgemeinschaft lebt, wegen Haushaltsersparnissen und Synergieeffekten abgesenkt werden kann. Im konkreten Fall wurde der Selbstbehalt des Antragsgegners für das Jahr 2023 von 1.370 € auf 1.233 € und für das Jahr 2024 von 1.450 € auf 1.305 € reduziert. Die Differenz ergibt sich aus den typisierten Einsparungen, die durch das gemeinsame Wirtschaften mit der neuen Lebensgefährtin entstehen. Damit erhöht sich die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, was zu einer höheren Zahlungsverpflichtung führt.

 

Der BGH betont, dass diese Herabsetzung des Selbstbehalts nicht pauschal, sondern anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bemessen ist. Maßgeblich ist, in welchem Umfang tatsächlich Kosten für Unterkunft, Verpflegung und allgemeine Lebensführung durch die gemeinsame Haushaltsführung eingespart werden. Der Unterhaltspflichtige trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe der tatsächlichen Ersparnisse. Die Entscheidung orientiert sich an den sozialhilferechtlichen Grundsätzen, wonach auch im Sozialrecht bei der Bemessung des Bedarfs einer Bedarfsgemeinschaft Synergieeffekte berücksichtigt werden.

 

Konsequenzen der Entscheidung

 

Für die unterhaltsrechtliche Praxis bedeutet die Entscheidung, dass Gerichte künftig bei Unterhaltspflichtigen, die in einer neuen Lebensgemeinschaft leben, regelmäßig prüfen müssen, ob und in welchem Umfang Haushaltsersparnisse vorliegen. Diese Prüfung kann zu einer spürbaren Reduzierung des Selbstbehalts und damit zu einer höheren Unterhaltsverpflichtung führen. Die Entscheidung stärkt die Position der Unterhaltsberechtigten, insbesondere der Kinder, da sie eine gerechtere Verteilung der verfügbaren Mittel sicherstellt.

 

Zugleich stellt der BGH klar, dass die Zurechnung fiktiver Einkünfte weiterhin strengen Voraussetzungen unterliegt und nicht zu einer unangemessenen Überforderung des Unterhaltspflichtigen führen darf. Die Ermittlung der Haushaltsersparnis muss nachvollziehbar und auf den Einzelfall bezogen erfolgen, wobei pauschale Abschläge nicht ausreichen.

 

Beispielhafte Berechnung aus dem Fall

 

Im entschiedenen Fall wurde für das Jahr 2023 ein Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen von 1.321 € abzüglich 66 € pauschaler berufsbedingter Aufwendungen und abzüglich des herabgesetzten Selbstbehalts von 1.233 € zugrunde gelegt, sodass eine Leistungsfähigkeit für Kindesunterhalt in Höhe von 22 € monatlich bestand. Für das Jahr 2024 ergab sich bei einem Nettoeinkommen von 1.592 €, abzüglich 80 € berufsbedingter Aufwendungen und abzüglich 1.305 € Selbstbehalt, eine Leistungsfähigkeit von 207 € monatlich. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts, die eine weitergehende Unterhaltspflicht verneinte, wurde insoweit aufgehoben und die Sache zur Endentscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

 

Die Entscheidung ist für unterhaltspflichtige Elternteile, die in einer neuen Partnerschaft leben, von zentraler Bedeutung. Sie zeigt, dass durch Haushaltsersparnisse der Selbstbehalt reduziert werden kann, was zu einer höheren Unterhaltsverpflichtung führt. Für Mandanten ist es wichtig zu wissen, dass Gerichte konkrete Einsparungen prüfen und diese bei der Berechnung des Kindesunterhalts berücksichtigen. Die Entscheidung unterstreicht die Pflicht zur umfassenden Darlegung der eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse und der tatsächlichen Kostenersparnis.

 

Mit der Entscheidung vom 26.03.2025 setzt der BGH ein klares Signal für mehr Gerechtigkeit im Unterhaltsrecht: Wer durch das Zusammenleben mit einem neuen Partner Kosten spart, muss diese Ersparnis bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigen lassen. Die Gerichte sind verpflichtet, die tatsächlichen Verhältnisse sorgfältig zu prüfen und den Selbstbehalt entsprechend abzusenken, sofern Synergieeffekte vorliegen. Für unterhaltspflichtige Elternteile bedeutet dies, dass sie ihre wirtschaftlichen Verhältnisse transparent darlegen und mit einer möglichen Reduzierung ihres Selbstbehalts rechnen müssen. Unterhaltsberechtigte, insbesondere Kinder, profitieren von einer erhöhten Leistungsfähigkeit des Pflichtigen und damit von einer besseren finanziellen Absicherung1.