Wann erlöschen bzw. verwirken Unterhaltsansprüche eines Ehegatten für die Zukunft
Ein Beitrag auf unserer Internetseite befasst sich mit der Frage, wann Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit, sprich Rückstände, verwirken, d.h. nicht mehr geltend gemacht werden können.
In diesem Beitrag erfolgt die Beantwortung der Frage, wann Ansprüche für die Zukunft, also die monatlich laufenden Unterhaltszahlungen wie Trennungsunterhalt (Unterhalt für die Zeit vor der Scheidung) und nachehelicher Unterhalt (Unterhalt für die Zeit nach der Scheidung) nicht mehr geltend gemacht werden bzw. reduziert werden können. Im Unterhaltsrecht existiert die Vorschrift des § 1579 BGB, welche die einzelnen Voraussetzungen angibt, wann eine solche Verwirkung eintreten kann. Diese Voraussetzungen sollen nachfolgend in vereinfachter Form dargestellt werden. Wenn die Voraussetzungen aus dieser Vorschrift vorliegen, sei es in der Form, dass ein Verhalten demjenigen vorgeworfen werden kann, der den Unterhalt begehrt oder sei es in der Form, dass es für den zum Unterhalt Verpflichteten unzumutbar ist, Unterhalt zu bezahlen, ist es für denjenigen Ex-Partner, der Unterhalt schuldet, unbillig, weiterhin Unterhalt an den anderen zu bezahlen. Die Folge hiervon kann insgesamt sein, dass der Anspruch auf Unterhalt in der Höhe beschränkt wird oder zeitlich, also nur für einen begrenzten Zeitraum gezahlt wird oder beides miteinander kombiniert wird. Die stärkste Form ist die komplette Versagung eines weiteren Anspruchs auf Unterhalt.
Unter welchen einzelnen Voraussetzungen kann nun der Unterhalt versagt werden?
1. Kurze Ehedauer
Eine nicht mehr als zwei Jahre bestehende Ehedauer wird in der Regel als kurz angesehen, um daraus einen Unterhaltsanspruch abzuleiten. Eine Ehe von mehr als drei Jahren ist nicht mehr kurz. Die Berechnung dieses Zeitraumes erfolgt von der Heiratsschließung bis zur Zustellung des Scheidungsantrages an den anderen.
2. Neue verfestigte Lebenspartnerschaft
Lebt der Ex-Partner in einer neuen verfestigen Lebenspartnerschaft, zeigt er damit, dass er an der ehelichen Solidarität nicht mehr festhält.
Eine solche verfestige Partnerschaft äußert sich beispielsweise wie folgt: Das Paar tritt in der Öffentlichkeit seit mehreren Jahren (nicht weniger als zwei bis drei Jahre) als solches auf, fährt gemeinsam in den Urlaub, verbringt die Feiertage und die Freizeit gemeinsam mit Freunden und der Familie. Zusammenleben müssen die Partner nicht, auch nicht in der Nähe wohnen und auch nicht gemeinsam finanziell wirtschaften. Leben sie jedoch zusammen, ist selbstverständlich auch ein Indiz für eine Verfestigung gegeben. Wird bereits in den ersten zwei Jahren der Beziehung eine Immobilie gemeinsam angeschafft oder ein Darlehen aufgenommen, ein Kind gezeugt, der andere neue Partner finanziell unterstützt oder kommt es zu einer Verlobung, kann die Verfestigung auch vor den zwei Jahren angenommen werden. Informationen hierüber können in den sozialen Medien gesammelt und vor Gericht verwertet werden, um damit einen Beweis über die verfestigte Beziehung zu erbringen. In einem anderen Beitrag auf unserer Internetseite unter dem Titel "Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch und die Unterhaltshöhe, wenn ein Zusammenleben mit dem neuen Partner besteht", ist beschrieben, wie das Zusammenleben mit dem neuen Partner den Anspruch dabei reduzieren kann.
3. Schwere Straftat durch denjenigen, der den Unterhalt begehrt, gegenüber dem Ex-Partner
Das vorsätzlich begangene Verbrechen oder das schwere Vergehen muss sich gegenüber dem zum Unterhalt Verpflichteten gerichtet haben. Auch wiederholte schwerwiegende Beleidigungen und Verleumdungen sind davon umfasst, vor allem dann, wenn die Ehrverletzungen mit nachteiligen Auswirkungen auf die persönliche und berufliche Entfaltung und die Stellung in der Öffentlichkeit verbunden sind. Werden wiederholt Missbrauchsvorwürfe gegenüber den gemeinsamen Kindern erhoben und dadurch der zum Unterhalt Verpflichtete ebenfalls in der Öffentlichkeit geächtet, kann dies zu einer Versagung der Unterhaltszahlung führen, vor allem wenn keine Anhaltspunkte für den Wahrheitsgehalt bestehen.
4. Der den Unterhalt Begehrende führt seine Bedürftigkeit selbst herbei
Der Bedürftige missachtet verantwortungs- und rücksichtslos gegenüber dem zum Unterhalt Verpflichteten die Folgen seines Verhaltens, die zu einer Bedürftigkeit führen. Dies liegt vor, wenn er seine Arbeitskraft und das Vermögen auf sinnlose Art aufs Spiel setzt und einbüßt. Der zum Unterhalt Verpflichtete muss dieses Verhalten beweisen.
Weitere Anhaltspunkte für ein derartiges Verhalten sind:
-das Vermögen wird verschwendet oder verspielt oder an Familienangehörige verschenkt;
-Verlust der Arbeitsstelle durch Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenmissbrauch bzw. rechtzeitige Entzugsmaßnahmen oder Therapien werden bewusst unterlassen, wodurch ebenfalls der Verlust der Arbeitsstelle verbunden ist;
-Verlust der Arbeitsstelle, weil psychisch anerkannte Leiden trotz des ärztlichen Rates nicht behandelt werden (dies trifft auch auf Leiden zu, die dadurch entstehen, dass eine belastende und mit Gewalt verbundene Beziehung eingegangen wird);
-ein Teil des Unterhaltes bildet oft auch der sog. Vorsorgeunterhalt, der für das Rentenalter bestimmt ist: Wird dieses zweckentfremdet durch den Unterhaltsgläubiger verwendet und damit eine Renteneinbuße verursacht, wird er sich im Rentenalter so behandeln lassen müssen, als hätte er diesen Unterhalt erhalten.
5. Verletzung von Vermögensinteressen
Beansprucht ein Ex-Partner den Unterhalt, muss er auch auf die Vermögensinteressen des anderen Ex-Partners Rücksicht nehmen:
-er darf keine erhöhten und eigenmächtigen Abhebungen vom gemeinsamen Konto tätigen;
-es wird rückwirkend die getrennte steuerliche Veranlagung gefordert, die jedoch nur steuerliche Nachteile und die Schädigung des Unterhaltspflichtigen herbeiführen soll;
-es werden eigene Einkünfte im gerichtlichen Verfahren, in welchem der Unterhalt gefordert wird, verschwiegen, obwohl vor Gericht eine Wahrheitspflicht hierüber besteht;
-es werden gemeinsam Schulden getilgt, die gemeinsam aufgenommen wurden und der Berechtige unterlässt absichtlich weitere Zahlungen;
-es wird auch ein erheblicher Anstieg von Einkünften verschwiegen, obwohl in der geschlossenen Vereinbarung zwischen den Partnern eine solche Verpflichtung vereinbart wurde.
6. Ehegatte trägt während der Ehe nicht zum Familienunterhalt bei
War dies während der Ehe der Fall, wird der Unterhalt ebenfalls verwirkt. Handlungen können dabei sein:
- eigene erwirtschaftete Einkünfte werden verspielt oder aufgrund der Alkoholabhängigkeit lediglich hierfür aufgebraucht;
-der Ex-Partner hat während der Ehe nicht gearbeitet, obwohl er das hätte können und tun müssen;
- die Haushaltsführung und die Sorge und die Betreuung der Kinder wurde vernachlässigt.
Dieses Verhalten muss insgesamt von besonders schwerem Gewicht und mindestens ein Jahr angedauert haben.
7. Schwerwiegendes Verhalten
Eine Affäre eines Ex-Partners während der Ehe führt nicht automatisch zur Verwirkung. Der Anspruch wird dann verwirkt, wenn die ehelichen Bindungen dadurch derart schwerwiegend vernachlässigt werden oder eine Lossagung davon stattfindet, dass der andere zur Zahlung nicht mehr verpflichtet werden kann. Wenn die Affäre zur Aufnahme einem langen intimen Verhältnis führt und auf längere Dauer angelegt ist, wird der Anspruch versagt. Dies ist auch der Fall, wenn durch die Zuwendung zum neuen Partner dem Ehegatten die aus der Ehe geschuldete Hilfe und Fürsorge nicht mehr zuteil werden lässt. Wird bei dem Ehebruch ein Kind gezeugt und die Ehefrau lässt ihren Ehemann in dem Glauben, dass allein er als Vater des Kindes in Frage kommt, stellt dies ebenfalls ein schwerwiegendes Verhalten dar. Ein untergeschobenes Kind hat im Ehegatten seinen rechtlichen (nicht biologischen) Vater. Wird der Unterhalt von der Ehefrau im Zusammenhang mit der Betreuung dieses Kindes verlangt, ist vom rechtlichen Vater der Unterhalt in Form eines Betreuungsunterhaltes jedoch weiterhin zu bezahlen, andernfalls kann er die Vaterschaft anfechten lassen, sollte er den Unterhalt nicht bezahlen wollen.
8. Andere schwerwiegende Gründe
Die Beziehung des Unterhaltsbedürftigen zu seinem neuen Lebensgefährten kann wegen besonderer etwa kränkender oder sonst anstößiger Begleitumstände geeignet sein, den anderen in außergewöhnlicher Weise zu treffen, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen, oder sonst ihn in seinem Ansehen zu schädigen. Heiratet der Ex-Partner seinen neuen Partner nur deshalb nicht, um weiterhin Unterhalt gegenüber dem Ex-Ehegatten beanspruchen zu können, kann dies ebenfalls einen weiteren Grund darstellen. Hat die intakte Ehe nur sehr kurz gedauert, die Trennung jedoch sehr lange, führt dies nicht zu der Annahme, dass eine lange Ehedauer vorlag. Dies würde auch von dieser Voraussetzung erfasst werden, so dass kein Anspruch besteht.
9. Kinderbelange
Liegen ein oder mehrere der beschriebenen Gründe vor, die eine Verwirkung herbeiführen, ist anschließend zu überprüfen, ob die Belange des gemeinschaftlichen Kindes, welches von dem den Unterhalt begehrenden Ehegatten betreut wird, gewahrt werden, wenn der Anspruch tatsächlich versagt werden würde. Die Kindesbelange haben stets Vorrang und sind zu schützen. Wird der Unterhalt verwirkt, wäre der den Unterhalt Begehrende möglicherweise zu einer Tätigkeit gezwungen, die zum Nachteil des Kindes erfolgt. Die geordnete Betreuung und Erziehung des Kindes hat jedoch Vorrang. Auch darf der Unterhalt, welcher für das Kind gezahlt wird, nicht für den eigenen Bedarf des Ex-Partners, weil er selbst keinen Unterhalt bekommt, verwendet werden. Es gilt, dass der Lebensstandard des Kindes nicht wegen eines Fehlverhaltens des betreuenden Elternteils und der damit eingetretenen Verwirkung sich verändern darf.