Die gesteigerte Erwerbsobliegenheit von Eltern minderjähriger Kinder
Nach § 1603 II 1 BGB müssen Eltern alle verfügbaren Mittel einsetzen, um ihre minderjährigen oder diesen gleich gestellten Kinder unterhalten zu können. Instanzgerichte neigen auf Grund dieser allgemeinen Formulierung dazu, den barunterhaltspflichtigen Elternteilen die Zahlung des Mindestunterhalts ohne tief gehende Prüfung aufzuerlegen. Doch bedarf es immer einer konkreten Betrachtungsweise des Einzelfalls, um zu einem vertretbaren Ergebnis zu kommen.
I. Grundsatz - Zahlung von Kindesunterhalt
Nach einer Trennung von Eltern ist ein Punkt, der immer bedeutend ist, der Kindesunterhalt. Grund hierfür ist, dass insbesondere das minderjährige Kind sich im Regelfall nicht selbst unterhalten kann. Dies liegt auf der Hand. Zudem ist das minderjährige unverheiratete Kind nach § 1609 Nr. 1 BGB an erster Stelle möglicher Unterhaltsberechtigter und damit in einer denkbar günstigen Position.
Ein Elternteil betreut das minderjährige Kind nach der Trennung im Normalfall alleine. Durch die Betreuung erfüllt dieser regelmäßig seine Unterhaltspflicht (§ 1606 III 2 BGB). Barunterhaltspflichtig ist somit der nicht betreuende Elternteil (§§ 1612 I 1, 1606 III BGB). Eine Abweichung von der einseitigen Barunterhaltspflicht ist nach der Rechtsprechung nur gestattet, wenn beide Elternteile das gemeinsame Kind in einem so genannten echten Wechselmodell betreuen, also die Betreuungszeiten über einen längeren Zeitraum nahezu identisch sind. Wird kein echtes Wechselmodell durchgeführt, sind Abschläge für etwaige Leistungen des unterhaltspflichtigen Elternteils während des möglicherweise umfangreichen Umgangs oder eine Quotelung der Kindesunterhaltsschuld nicht gestattet (vgl. BGH, NJW 2006, 2258; NJW 2007, 1882). Eine Quotelung ist somit nicht gestattet, wenn der Anteil des Umgangs des barunterhaltspflichtigen Elternteils unterhalb von 50 % der Gesamtbetreuungszeit des Kindes durch beide Elternteile liegt (BGH, NJW 2007, 1882).
Der barunterhaltspflichtige Elternteil kann selbstverständlich nur in Anspruch genommen werden, soweit er leistungsfähig ist (§ 1603 I BGB). Allerdings muss der barunterhaltspflichtige Elternteil nach dem Gesetz alle verfügbaren Mittel einsetzen, um zumindest den Mindestunterhalt des minderjährigen Kindes sicherstellen zu können (§ 1603 II 1 BGB). Diese abstrakte Formulierung musste und muss von der Rechtsprechung in Form gegossen werden.
Die erste Konsequenz hiervon ist es, zu überlegen, was dem barunterhaltspflichtigen Elternteil übrig bleiben soll/darf, damit dieser noch „über die Runden kommen kann“ – mehr ist es in der Tat wohl nicht. Hierfür wurden die so genannten notwendigen Selbstbehalte geschaffen. Sie betragen derzeit bei erwerbstätigen Personen 900 Euro netto monatlich und bei nicht erwerbstätigen Personen 770 Euro netto monatlich. In diesen Beträgen ist ein Anteil von 360 Euro monatlich für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten nebst Heizkosten enthalten (vgl. Anm. A 5 zur Düsseldorfer Tabelle und die obergerichtlichen Leitlinien). Lebt der unterhaltspflichtige Elternteil mit einem Partner zusammen, kann der Selbstbehalt bis auf das Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen herabgesetzt werden (BGH, NJW 2008, 1373 m. Anm. Born). Dies ist gegebenenfalls zu beachten.
Trennungsunterhalt - Scheidungsunterhalt - Kindesunterhalt
"Ich berechne gegen ein Pauschalhonorar von EUR 79,00 die Höhe des Unterhalts nach den aktuellen Vorschriften und Tabellen auch im Hinblick auf den Wohnort des Unterhaltsberechtigten."
II. Idealfall Barunterhaltspflicht
Im Idealfall verdient der barunterhaltspflichtige Elternteil monatlich so gut, dass er als bereinigtes Nettoeinkommen so viel hat, dass er einer Gruppe der Düsseldorfer Tabelle zugeordnet werden kann und nach Zahlung des Kindesunterhalts sein notwendiger Selbstbehalt nicht berührt wird. Diese Fälle machen in der Praxis keine größeren Schwierigkeiten, da die Gerichte bei Kindesunterhalt (zu Recht) zu schnellen Entscheidungen neigen, um den Kindern rasch die ihnen zustehende Sicherheit in Form eines Titels zu gewähren. In nicht wenigen Fällen begeben sich die unterhaltspflichtigen Elternteile zum Jugendamt und lassen nach entsprechender anwaltlicher Beratung vollstreckbare Urkunden ausstellen.
III. Problemfall - Einkommen am Selbstbehalt
Schwierig wird es dann, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil höchstens soviel regelmäßige Einkünfte hat, dass er seinen notwendigen Selbstbehalt decken kann, also wie oben formuliert gerade so „über die Runden kommt“. Mit Hilfe des § 1603 II 1 BGB sind diese Fälle lösbar. Es gibt verschiedene Wege, das Einkommen zu erhöhen oder den unterhaltspflichtigen Elternteil dazu zu bringen, dass er sich um die Sicherung des Kindesunterhalts nachhaltig bemüht.
1. Einsatz des Vermögens
Ist Vermögen vorhanden, ist dieses für den Unterhalt eines minderjährigen Kindes einzusetzen.
Die Grenze des Einsatzes ist die Zumutbarkeitsschwelle. Der unterhaltspflichtige Elternteil ist nicht gezwungen, sein angemessenes Familienhäuschen zu verkaufen, um Kindesunterhalt zahlen zu können. Dies ginge zu weit. Aber er kann dazu angehalten sein, ein in besseren Zeiten erworbenes Ferienhaus zu verkaufen, eine leerstehende Wohnung zu vermieten etc. Im Ergebnis ist eine Einzelfallprüfung erforderlich, die ein angemessenes Resultat liefern muss. Maßgebend sind die Interessen des Kindes und die Interessen des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Diese müssen gegeneinander abgewogen werden. Daher kann durch entsprechenden Sachvortrag die Entscheidung der Gerichte beeinflusst werden.
2. Nebenverdienst
Derjenige unterhaltspflichtige Elternteil, der zwar arbeitet, allerdings nicht genug verdient, um Kindesunterhalt zahlen zu können, kann unter Umständen gezwungen sein, einen Nebenjob anzunehmen.
Es gilt, dass die Ausübung des Nebenjobs im Einzelfall zumutbar sein muss (vgl. BGH, NJW 2009, 1410 und zuletzt OLG Brandenburg, NJW-RR 2009, 871). Es besteht auf der einen Seite das Interesse des Kindes, den angemessenen Unterhalt zu erhalten und auf der anderen Seite das Interesse des unterhaltspflichtigen Elternteils, nicht über Gebühr arbeiten zu müssen. Der Elternteil ist im Regelfall Arbeitnehmer und durch das Arbeitszeitgesetz geschützt. Die Grenzen des Gesetzes sind zwar nur für den Arbeitgeber zwingend, sollten allerdings, da sie die menschliche Leistungsfähigkeit wiedergeben, im Unterhaltsverfahren beachtet werden. Schließlich soll durch das Arbeitszeitgesetz der Arbeitnehmer geschützt werden.
Nimmt der barunterhaltspflichtige Elternteil einen zumutbaren Nebenjob an und verdient er damit – idealerweise – mehr als den notwendigen Selbstbehalt, kann Kindesunterhalt entsprechend der Düsseldorfer Tabelle gezahlt werden. Dann stellen sich keine Fragen mehr.
3. Fiktives Einkommen
Besteht eine Erwerbsobliegenheit des barunterhaltspflichtigen Elternteils und wird seinerseits dagegen verstoßen, können dem Barunterhaltspflichtigen fiktive Einkünfte zugerechnet werden. Das bedeutet, dass er, obwohl er nichts oder wenig verdient, unterhaltsrechtlich so gestellt wird, als würde er etwas oder mehr verdienen. Wie hoch die Einkünfte im Einzelfall sein können und müssen, richtet sich nach dem vorhandenen Arbeitsmarkt, in welchen der Barunterhaltspflichtige seine persönlichen Fähigkeiten einbringen könnte oder sogar einzubringen hat. Hier ist eine konkrete Betrachtung der Situation vorzunehmen.
Gibt der Arbeitsmarkt objektiv nichts her, so kann auch ein fiktives Einkommen nicht angesetzt werden. Darlegungs- und beweisbelastet für das Fehlen einer objektiven Beschäftigungschance ist der Barunterhaltspflichtige. Doch ist oft insbesondere in kleineren Orten mit einem großen Arbeitgeber gerichtsbekannt, ob offene Stellen vorhanden sind oder nicht. Hierdurch kann ein Verfahren extrem abgekürzt werden. Dann gibt es nur schwarz oder weiß. Gibt es keine Beschäftigungsmöglichkeit, kann und darf dem Barunterhaltspflichtigen zunächst kein fiktives Einkommen zugerechnet werden. Er könnte allerdings gezwungen sein, sich außerhalb der Region zu bewerben und zwar in ganz Deutschland.
Gibt es eine Beschäftigungsmöglichkeit oder ist diese zumindest in der Region des Barunterhaltspflichtigen nicht auszuschließen, genügt aus Sicht des pflichtigen Elternteils eine Meldung bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend nicht, um eine Zurechnung fiktiven Einkommens zu vermeiden. Der Unterhaltspflichtige muss sich zusätzlich um die Erlangung von Arbeit bemühen und diese Bemühungen mit entsprechenden Bewerbungen untermauern. Die Menge an Bewerbungen ist gesetzlich nicht festgelegt. Die Rechtsprechung geht von rund 20 bis 25 Bewerbungen monatlich aus (OLG Brandenburg, NJW-RR 2009, 1227; OLG Jena, NJW-RR 2010, 153). Unter Umständen muss sich der Barunterhaltspflichtige – wie erwähnt – sogar in ganz Deutschland bewerben und nicht nur in seiner Region (OLG Brandenburg, NJW-RR 2009, 941). Eine Verallgemeinerung erscheint allerdings angesichts der Vielfältigkeit von Tätigkeiten ausgeschlossen.
Zwei Beispiele zeigen, dass die Annahme eines ausreichenden fiktiven Einkommens in der Praxis nicht immer einfach ist:
Von einem inzwischen absoluten Spezialisten wird kaum verlangt werden können, dass er sich auf einen Arbeitsplatz bewirbt, den er zuletzt vielleicht vor 25 Jahren inne hatte. Hier ist von Bedeutung, dass Arbeitsplätze oft nicht mehr eine einfache Handhabung beinhalten, sondern im Wege der zunehmenden Steuerung mit EDV Spezialkenntnisse erfordern, die nicht einfach erlernt werden können. Die einzelnen Arbeitsplätze driften immer mehr auseinander. Darlegung und Beweis für die Unzumutbarkeit obliegt dem Unterhaltspflichtigen. Dies ist die Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, der natürlich entsprechend mit Tatsachen versorgt werden muss. Ohne diese ist ein Erfolg versprechender Vortrag nicht möglich.
Von einem möglicherweise – aus welchen Gründen auch immer – nicht gut deutsch sprechenden ungelernten Arbeitsuchenden wird nicht verlangt werden können, dass er perfekte schriftliche Bewerbungen verschickt, sondern dass er sich um eine für ihn „erreichbare“ Arbeit bemüht. Inwieweit dies allerdings in solch einem Fall zu einer Leistungsfähigkeit führen kann, ist angesichts der gezahlten Stundenlöhne in ungelernten Tätigkeiten äußerst zweifelhaft. In einigen Entscheidungen von Obergerichten in der jüngeren Vergangenheit wurde bereits festgestellt, dass die Aufnahme einer ungelernten Tätigkeit heutzutage nicht dazu führt, dass die Leistungsfähigkeit herbeigeführt werden kann (vgl. OLG Frankfurt a. M., NJW 2007, 382; OLG Stuttgart, NJW-RR 2007, 946). Einem solchen Arbeitnehmer können im Zweifel 7 Euro Stundenlohn brutto als Vollzeitlohn angerechnet werden. Mit diesen Einkünften wird er aber nicht über die Grenze des notwendigen Selbstbehalts für Erwerbstätige von derzeit 900 Euro netto monatlich kommen. Da ihm fiktiv aus einer Erwerbstätigkeit Einkünfte zugerechnet werden, ist ihm auch der notwendige Selbstbehalt für Erwerbstätige zuzugestehen und nicht der (derzeit 770 Euro netto monatlich) für nicht Erwerbstätige. Somit wird im ersten Schritt dem beispielsweise nicht deutsch sprechenden ungelernten Unterhaltspflichtigen zugestanden werden müssen, dass der Unterhaltspflichtige die Sprache erlernt, damit er auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen hat, um anschließend einen höheren Bruttostundenlohn erwirtschaften zu können. Allerdings wird selbst bei 8 Euro Bruttolohn in der Stunde das bereinigte Nettoeinkommen hierbei derzeit nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben geringfügig über dem notwendigen Selbstbehalt liegen. Zudem macht die obergerichtliche Rechtsprechung bei der Einstellung von einer ungelernten Arbeitskraft – unabhängig von Sprachkenntnissen – einen Abschlag von 10 % vom fiktiven Einkommen, da die Einstellung in solch einem Fall in der Regel nur befristet erfolgt (OLG Hamm, BeckRS 2007, 18590). Stundenlöhne von über 8 Euro brutto bei ungelernten Arbeitnehmern anzunehmen, dürfte in der heutigen Zeit kaum mehr angemessen sein, nachdem – wie auch in den Medien zu lesen, zu hören und zu sehen ist – immer mehr Menschen trotz einer Vollzeitstelle Unterstützung nach dem SGB II („Hartz IV“) erhalten, um überhaupt angemessen leben zu können. Daher wird es immer schwieriger bei Unterhaltspflichtigen, die keine Berufsausbildung haben, einen Nettolohn als fiktives Einkommen zu berechnen, der über dem notwendigen Selbstbehalt liegt. Nachdem die Sprache erlernt ist, müsste – möglicherweise parallel zum Erwerb der Sprachkenntnisse – eine Ausbildung durch den unterhaltspflichtigen Elternteil angegangen werden, damit er nicht mehr ungelernt ist. Dies erscheint als das wesentliche Problem in der Berechnung der Kindesunterhaltsansprüche. Die Instanzgerichte neigen allerdings im Ergebnis dazu, eine Ausbildung nicht abzuwarten, sondern wollen den Unterhalt des Kindes titulieren oder am Unterhalt in einem Abänderungsverfahren festhalten, obwohl der ungelernte Arbeitnehmer heutzutage sehr wahrscheinlich gerade in der Lage ist, seinen eigenen notwendigen Selbstbehalt zu decken. Hier gilt es daher, entsprechend vorzutragen. Durch die Gerichte könnte vom barunterhaltspflichtigen Elternteil verlangt werden, die deutsche Sprache zu erlernen, falls er diese nicht ausreichend beherrscht (vgl. OLG Brandenburg, NJW-RR 2008, 960).
4. Die Entscheidung des OLG Brandenburg
Zuletzt hat das OLG Brandenburg am 26.03.2010 (BeckRS 2010, 09492) in einem Fall entschieden, dass eine festgestellte Berufsunfähigkeit zur Annahme einer Leistungsunfähigkeit nicht genügen soll, da der unterhaltspflichtige Elternteil zwar berufsunfähig, aber nicht erwerbsunfähig sei. Das OLG geht in dem Beschluss auf die Arbeitsmarktsituation nicht ein. Es setzt sich nicht mit dem möglichen erreichbaren Lohn durch den unterhaltspflichtigen Elternteil auseinander. Es ist der Ansicht, der unterhaltspflichtige Elternteil könne einer Tätigkeit in einem bereits im Wege der Fortbildung erlernten Beruf oder einem anderen Beruf nachgehen. Welcher Beruf dies sein könnte, wird genau so wenig erwähnt wie das mögliche erreichbare Einkommen. Das Gericht nimmt lediglich Bezug auf ein Gutachten. Allerdings führt das OLG aus, dass seitens des Unterhaltspflichtigen Erwerbsbemühungen nicht dargelegt wurden. Offensichtlich wurde über die Arbeitsmarktsituation, die Erwerbsbemühungen und den erreichbaren Lohn nicht vorgetragen. Auf Grund dieser im Ergebnis sehr kurzen Feststellungen wird dem unterhaltspflichtigen Elternteil Verfahrenskostenhilfe für ein Abänderungsverfahren mangels Aussicht auf Erfolg verwehrt. Sicher mag der Ansatzpunkt desOLG richtig erscheinen. Schließlich kann derjenige, der seinen erlernten Beruf nicht mehr ausüben kann und aus gesundheitlichen Gründen nicht darf, einer anderen Tätigkeit möglicherweise nachgehen. Durch konkreten Sachvortrag des unterhaltspflichtigen Elternteils wäre das OLGmöglicherweise zumindest gezwungen gewesen, sich mit dem konkreten Einzelfall detailliert auseinanderzusetzen und sich nicht mit allgemeinen Ausführungen im Hinblick auf die fehlende Erwerbsunfähigkeit zu begnügen. Hier besteht in einem Verfahren für den Barunterhaltspflichtigen die Möglichkeit, seine unter Umständen schwierige Situation dem Gericht darzulegen (vgl. zur verfassungsrechtlichen Situation BVerfG, NJW 2006, 2317; NJW-RR 2007, 649; NJW-RR 2008, 1025).
IV. Zusammenfassung Mindestunterhalt
Nachdem die Instanzgerichte eher dazu neigen, dem unterhaltspflichtigen Elternteil fiktives Einkommen zuzurechnen, ist zu überlegen, wie in einem gerichtlichen Verfahren vorzugehen ist. Oft heißt es immer noch und es ist in Schriftsätzen und Entscheidungen zu lesen, dass der unterhaltspflichtige Elternteil den Mindestunterhalt sicherstellen muss. Dies ist in dieser Einfachheit nicht zutreffend. Der unterhaltspflichtige Elternteil muss im Rahmen des Zumutbaren der Forderung in § 1603 II 1 BGB nachkommen – mehr aber nicht. Wie gezeigt ist die obergerichtliche Rechtsprechung inzwischen auf dem Weg, den Arbeitsmarkt und die Fähigkeiten des unterhaltspflichtigen Elternteils zu berücksichtigen.
Aus Sicht des Unterhaltsberechtigten mag dies in der ersten Betrachtung unbefriedigend sein. Allerdings gibt es die Möglichkeit, den unterhaltspflichtigen Elternteil zu angemessenen Fortbildungs- oder Ausbildungsmaßnahmen zu bewegen. Folgt er dem nicht, dann kann ihm fiktiv zugerechnet werden, was er verdienen würde, wenn er die Fortbildung oder Ausbildung gemacht hätte. Macht er die Fortbildung oder Ausbildung, dann ist die Angelegenheit sowieso klar. Bemüht er sich trotz positiver Arbeitsmarktsituation nicht um eine Tätigkeit, kann und darf ihm fiktiv ein höheres Einkommen zugerechnet werden. Findet er eine neue entsprechend vergütete Arbeitsstelle, so kann er den Kindesunterhalt zahlen. Diese Fort- und Ausbildungsmaßnahmen dürfen nach den obigen Berechnungsbeispielen allerdings nicht nur Maßnahmen zum Erlernen der Sprache sein, sondern müssen vielmehr darauf ausgerichtet sein, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil soviel verdient, dass er zumindest den Kindesunterhalt zahlen kann. Dass diese Maßnahmen nicht von heute auf morgen angefangen und beendet werden können, liegt auf der Hand. Das bedeutet, dass möglicherweise zunächst Geduld auf Seiten des Berechtigten gefragt ist, bis Kindesunterhalt gezahlt werden kann. Allerdings erhöhen sich dann im Idealfall die Aussichten, dass gezahlt wird.
Ziel muss es sein, dass das minderjährige Kind zumindest den Mindestunterhalt in einem absehbaren Zeitraum tatsächlich erhält. Ziel kann und darf es unabhängig von § 1603 II 1 BGB nicht sein, in einer Art Sanktionsgedanken dem tatsächlich nicht leistungsfähigen unterhaltspflichtigen Elternteil etwas zuzurechnen, was er in der Praxis nicht zahlen kann und die Vollstreckung gegen ihn das Kind nicht weiter bringt. In solch einem Fall passiert es durchaus, dass der Unterhaltspflichtige sich überhaupt nicht mehr bemüht und alles über sich ergehen lässt. Dass in der beschriebenen Situation möglicherweise eine Straftat durch den unterhaltspflichtigen Elternteil vorliegt, steht auf einem anderen Blatt. Maßgebend ist hier die familienrechtliche Ansicht, die möglichst dazu führen soll, dem minderjährigen Kind in der Praxis weiterzuhelfen und Geld einzubringen, ohne dass der unterhaltspflichtige Elternteil unzumutbar belastet wird.