Hinweise und Tipps rund um die Ehescheidung

Unterhaltsreform 2008 - Was sind die Neuerungen?

Was sind nun die wesentlichen Neuerungen?
Rangverhältnisse. Beim ersten Rang für die Kinder (§ 1609 BGB) ist es geblieben, ebenso beim Grundsatz der vollen Rangpriorität (nur dann, wenn nach Verteilung auf die ranggleichen Berechtigten etwas übrig bleibt, können rangniedrigere Personen noch zum Zuge kommen). Im zweiten Rang stehen nunmehr alle kindesbetreuenden Elternteile (bisher: nur Ehegatten), daneben aber auch – als Zugeständnis an diejenigen, die sich gegen eine Herabsetzung der Ehe gewandt hatten – alle Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer. Damit findet sich der geschiedene Ehegatte, der nur relativ kurz verheiratet war und keine Kinder betreut, jetzt im dritten Rang wieder.

Betreuungsunterhalt. Alle Mütter und Väter, die ihr Kind betreuen, haben zunächst für die Dauer von 3 Jahren nach der Geburt des Kindes Anspruch auf Betreuungsunterhalt; eine Verlängerung ist im Einzelfall möglich, soweit und solange dies der Billigkeit entspricht. Maßgeblich sind dabei die Belange des Kindes. Ab dem Alter von 3 Jahren sind – entsprechend dem gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz – auch die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Im Ergebnis ist damit der – im Interesse des Kindes geschuldete – Betreuungsunterhalt einheitlich von gleicher Dauer. Zusätzlich ist jetzt die Möglichkeit geschaffen worden, den Betreuungsunterhalt für geschiedene Elternteile aus Gründen der nachehelichen Solidarität im Einzelfall zusätzlich zu verlängern.

Stärkung der nachehelichen Eigenverantwortung. Die – schon jetzt bestehenden, aber in der Rechtsprechung bisher nur sehr selten genutzten – Möglichkeiten der zeitlichen Befristung von Unterhaltsansprüchen oder deren Beschränkung der Höhe nach sollen stärker genutzt werden. Für die Frage, ob eine Erwerbstätigkeit nach der Scheidung wieder aufgenommen werden muss, ist der in der Ehe erreichte Lebensstandard ist nicht mehr der entscheidende Maßstab, sondern nur noch einer von mehreren. Die frühere Lebensstandardgarantie («einmal Chefarztgattin – immer Chefarztgattin») ist abgeschafft; gerade bei nicht besonders langen Ehen erhalten die Gerichte mehr Gestaltungsspielraum zur Befristung der Unterhaltsansprüche oder Begrenzung der Höhe nach. Auch die Rückkehr in den erlernten und vor der Ehe ausgeübten Beruf ist künftig eher zumutbar, selbst dann, wenn damit im Ergebnis ein geringerer Lebensstandard als in der Ehe verbunden ist. Im Einzelfall sind Dauer der Ehe, Dauer der Kindesbetreuung und die Rollenverteilung in der Ehe von Bedeutung. Das bisherige «Altersphasenmodell», wonach die kindesbetreuende Mutter bis zum 8. bzw. 10. Lebensjahr des Kindes keine Arbeitspflicht trifft, wird abgeschafft, denn es wird den heutigen Realitäten nicht mehr gerecht. Neben den Möglichkeiten der Kindesbetreuung (z. B. Über-Mittag-Betreuung in der Schule) ist im Rahmen der Belange des Kindes von Bedeutung, ob es einfach oder schwierig ist oder Hilfe bei den Schularbeiten benötigt.

Vereinfachung des Unterhaltsrechts. Das Kindesunterhaltsrecht wird vereinfacht durch die gesetzliche Definition eines einheitlichen Mindestunterhalts für minderjährige Kinder, der sich an den steuerlichen Kinderfreibetrag annähert; damit entfällt die Regelbetrag-Verordnung. Die bisherige Differenzierung bei den Unterhaltssätzen für Kinder in den alten und neuen Bundesländern wird aufgehoben. Mit der Neufassung des § 1612b BGB werden die Konsequenzen aus den bisherigen Unzulänglichkeiten und Zweifelsfragen gezogen und eine Regelung geschaffen, nach der das auf das Kind entfallende Kindergeld nicht mehr auf den Barunterhaltsanspruch des Kindes anzurechnen ist, sondern ein bedarfsmindernder Vorwegabzug stattfindet; die komplizierte Anrechnungsbestimmung des § 1612b V BGB ist entfallen. Mit der unmittelbaren Anrechnung des Kindergeldes auf den Bedarf wird auch die Zweckrichtung des Kindergeldes stärker verwirklicht, dem Kind das Kindergeld wirtschaftlich zukommen zu lassen und sein Existenzminimum zu sichern.


Eigentlich schade, dass das Gesetz erst nach so langem Hin und Her und erheblichem politischen Gezänk zu Stande gekommen ist; beim Bürger entsteht nicht gerade der Eindruck, dass der Gesetzgeber weiß, was er tut. Das BVerfG hat hier erkennbar als Katalysator gewirkt und maßgeblich dazu beigetragen, dass die endgültige Gesetzesfassung nunmehr beschleunigt zu Stande gekommen ist. Leider hat man inzwischen ja auch in anderen Rechtsbereichen den Eindruck, dass der Gesetzgeber selbst nicht mehr über die notwendige Autorität verfügt und dass ein «Schiedsrichter» in Gestalt des höchsten deutschen Gerichts erforderlich ist.