Konkreter Bedarf im Ehegattenunterhalt – Rechtsprechung und Berechnung
Ein getrennt lebender Ehepartner kann vom anderen Unterhalt verlangen, wenn er seinen Geldbedarf nicht selbst decken kann. Sowohl beim Trennungsunterhalt vor der Scheidung wie bei dem nachehelichen Ehegattenunterhalt nach der Scheidung erfolgt die Berechnung im Regelfall nach einem Vergleich der Einkommen. Die Partei mit höheren Einkommen zahlt an die andere Seite. Insgesamt leiten die Ehegatten den Bedarf von der Lebensstellung des jeweils anderen Partners ab. Bedarf ist dabei der allgemeine unterhalsrechtliche Kernbegriff im Unterhaltsrecht. Der Elementarbedarf ist spezieller und richtet sich hierbei nach den Kosten, die anfallen für Ernährung, die Deckung des Wohnbedarfs, Kleidung, Bildung und Ausbildung sowie die Deckung persönlicher, sozialer und kultureller Bedürfnisse.
Bei wirtschaftlich vernünftiger Betrachtung (im Bereich geringer und mittlerer, also durchschnittlicher Einkünfte) wird das vorhandene Familieneinkommen tatsächlich für den Familienunterhalt verwendet und deshalb – da die ehelichen Lebensverhältnisse für beide Ehegatten gleich sind- die Aufteilung des vorhandenen Familieneinkommens nach dem Halbteilungsgrundsatz vorgenommen.
Konkrete Bedarfsermittlung
Andererseits kann es sich bei Verhältnissen mit sehr hohen Einkünften ergeben, dass mit einer Halbteilung der vorhandenen Einkünfte der erforderliche Bedarf bei weitem überschritten wäre und eine Korrektur auch nicht über den Abzug konkreter, nachweisbarer Aufwendungen für Vermögensbildung erfolgen kann. Es gibt zwar laut BGH keine absolute Sättigungsgrenze für die Höhe des Unterhaltes. Andererseits gäbe es eine Grenze, ab der bei vernünftiger Betrachtung Mittel nicht mehr für den Lebensunterhalt benötigt werden. Bei einem Verdienst von einem Jahresnettoeinkommen von mehr als einer Million beispielsweise kann dem Ehepartner kein jährlicher Unterhalt von 500.000 Euro zugebilligt werden. In derart gelagerten wirtschaftlich guten Fällen oder im Einzelfall schwer feststellbaren Einkünften des Pflichtigen kann deshalb eine Unterhaltsberechnung nicht durch eine Quotelung des vorhandenen Einkommens erfolgen, vielmehr muss der Unterhaltsberechtigte seinen konkreten Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen in Einzelpositionen darstellen. Darzustellen sind hierbei die Wohnverhältnisse und welcher Mietaufwand für eine vergleichbare Wohnung benötigt wird. Darüber hinaus sind die bisher üblichen Ausgaben zusammenstellen, womit gemeint sind die Kosten für Essen, Trinken, Kleidung, Kosmetika, Kommunikationsmittel, Versicherungen, Fahrzeuge, Urlaub, kulturelle Veranstaltungen, Lektüre, Zeitungen, Zeitschriften, Telefon, Friseur, sportliche Aktivitäten, etc.
Zugang zur konkreten Bedarfsermittlung
Wo bei sehr guten Einkommensverhältnissen die Grenze für eine konkrete Bedarfsermittlung zu ziehen ist, hängt immer vom Einzelfall ab.
Der Ansatzpunkt der Oberlandesgerichte zur Berechnung des Bedarfs nach den konkreten Verhältnissen ergibt sich aus der jeweils angeschlossenen Rechtsprechung.
Die Oberlandesgerichte Nürnberg, Rostock, Braunschweig, Bamberg, Celle, Hamburg, Stuttgart, München, Naumburg, Köln fassen ihre Leitlinien hierzu wie folgt: Bei sehr guten Einkommensverhältnissen des Pflichtigen kommt eine konkrete Bedarsberechnung in Betracht. Dies insbesondere, wenn die Einkünfte die 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle von 5.100 Euro übersteigen. Das OLG Karlsruhe entschied zuletzt: Bei einem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen in Höhe von monatlich 8.915 Euro ist eine konkrete Bedarfsberechnung angezeigt. Das OLG Hamm fordert in einer neueren Entscheidung ab einem bereinigten Familieneinkommen von 5.100 Euro eine konkrete Darlegung des eheangemessenen Bedarfs. Das OLG Frankfurt sagt hierzu: Ein eheangemessener Unterhaltsbedarf kann bis zu einem Betrag von 2.500 Euro als Quotenunterhalt geltend gemacht werden. Ein darüber hinausgehender Bedarf auf Elementarunterhalt muss konkret dargelegt werden. Das OLG Jena hingegen setzt die Berechnung ab einem höheren Quotenunterhalt als 1.840 EURO an.
Praxishinweis: Sämtliche Auffassungen bieten brauchbare Anhaltspunkte. Mit Einschränkungen ist die Grenze erreicht, wenn im Rahmen des Quotenunterhalts mehr als 2.000 EUR geltend gemacht werden.
Ermittlung des konkreten Bedarfs im Einzelfall
Bei einer konkreten Unterhaltsbemessung sind alle zur Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards benötigten Lebenshaltungskosten konkret zu ermitteln. Der unterhaltsbedürftige Ehegatte hat die in den einzelnen Lebensbereichen anfallenden Kosten überschlägig darzustellen, die danach vom Gericht geschätzt werden können.
Wichtig ist hierbei zu berücksichtigen, dass auch bei bester wirtschaftlicher Lage der Unterhaltsanspruch nur der Bedarfsdeckung dienen soll, nicht der Vermögensteilhabe. Die konkrete Bedarfsermittlung soll hierbei nicht dazu führen, einen Bedarf anzusetzen, der in den tatsächlichen Lebenseinkommens- und Vermögensverhältnissen keinen Niederschlag gefunden hat. Entscheidend ist der Lebensstandard, der nach den vorhandenen Einkommensverhältnissen vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters als angemessen erscheint. Vom Unterhaltsanspruch erfasst werden können daher nur jene Mittel, die nach einem objektiven Maßstab eine Einzelperson auch bei Berücksichtigung höherer Ansprüche für einen billigenswerten Lebensbedarf sinnvoll ausgeben kann. Der unterhaltsbedürftige Ehegatte ist schon alleine aufgrund seiner Erwerbsobliegenheit nach der Trennung zum Konsumverhalten wie während der Ehezeit nicht im Stande. Entscheidend ist insgesamt, welchen Lebensstandard die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eheleute nach objektiver Betrachtungsweise ermöglichen. Die einzelnen Positionen sollten so genau wie möglich beschrieben werden, die Häufigkeit des Auftretens einer solchen Bedarfsposition ist zu begründen und die Höhe des Bedarfs zu benennen. Es sollten Belege vorgelegt werden, auch anhand von Einzelbelegen kann auf laufende Ausgaben geschlossen werden. Monatlich wiederkehrende Ausgaben können schon auf Basis der Belege für einen Monat jedenfalls in einer bestimmten Größenordnung geschätzt werden.
Bei der konkreten Bedarfsbemessung bleiben unberücksichtigt die Aufwendungen für Repräsentationen, die auf der beruflichen Stellung oder Wahrnehmung eines Amtes des Unterhaltspflichtigen beruhen oder die nur dessen Hobbys und Vorlieben zuzuordnen sind, da diese nicht prägend sind sowie Aufwendungen, die auf Grund der gemeinsamen Lebensgestaltung getätigt wurden, die mit der Trennung entfällt, wie z.B. besonders großzügige Geschenke oder erhebliche Aufwendungen für Urlaubsreisen, soweit sie ein sinnvolles und für den anerkennenswerten Lebensbedarf angemessenes Maß überschreiten. Unberücksichtigt bleiben auch Aufwendungen zum Ausgleich eines überzogenen Kontos.
Der Unterhaltsberechtigte trägt insgesamt die Darlegungs- und Beweislast für den konkreten Bedarf.
Berechnung des Altersvorsorgebedarfs beim konkreten Bedarf
Der Altersvorsorgebedarf, der nach § 1578 Abs. 3 BGB als Vorsorgeunterhalt geschuldet wird, ist dazu bestimmt, als Teil des einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf des Berechtigten umfassenden Unterhaltsanspruchs den Aufbau einer Altersvorsorge zu ermöglichen, die den Einkünften vor Renteneintritt entspricht. Unabhängig davon, wie die Bedarfsbemessung insgesamt im Einzelfall erfolgt, ist der auf Altersvorsorge gerichtete Bedarf als Teil des gesamten Lebensbedarfs zusätzlich zu berücksichtigen. Dabei entschied der BGH, dass der Unterhaltsberechtigte hinsichtlich der Altersvorsorge so behandelt wird, als wenn er aus einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit Einkünfte in Höhe des ihm an sich zustehenden Elementarunterhalts hätte. Das gilt ohne Rücksicht darauf, ob der Elementarunterhalt als Quotenunterhalt im Wege des Halbteilungsgrundsatzes oder aufgrund einer konkreten Bedarfsbemessung ermittelt wird. Auch soweit eine konkrete Bedarfsbemessung verlangt wird, geht es um die Feststellung allein des Elementarunterhaltsbedarfs.
Abänderung eines Titels über konkret bemessenen Unterhalt
Liegt bereits ein Titel über konkret bemessenen Unterhalt vor, kann eine Abänderung eines Titels über den konkret bemessenen Unterhalt beantragt werden. Die Abänderung rechtfertigt keine freie, von der bisherigen Höhe des Unterhalts unabhängige Neufestsetzung. Allein die Anpassung des Unterhaltes an die nachträglich eingetretenen Veränderungen unter Wahrung der Grundlagen der abzuändernden Entscheidung kommt daher in Betracht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsbedarf konkret und nicht durch Anwendung einer pauschalisierenden Berechnungsweise festgestellt worden ist. Bei einer konkreten Bedarfsberechnung bleibt der Unterhaltsbedarf auch für spätere Zeiten auf den festgestellten Bedarf fixiert. Eine zur Abänderung berechtigende Veränderung des konkreten Bedarfs ist daher nur gegeben, soweit die der konkreten Bedarfsbemessung zu Grunde liegenden Parameter sich konkret erhöht- beispielsweise durch Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten - oder sich konkret ermäßigt haben. Danach haben verändernde Einkommensverhältnisse auf Seiten des Unterhaltsverpflichteten keine Auswirkung bei der Bemessung des konkreten Bedarfs. Erhöht sich das Einkommen des Unterhaltspflichtigen, rechtfertigt dies keine Abänderungsklage, da sich der konkrete Bedarf nicht verändert. Ebenso wenig kann die Verminderung der Einkünfte des Unterhaltspflichtigen bei der Bemessung des konkreten Bedarfes von Bedeutung sein. Allein für die Frage der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten sind solche Schwankungen in seinen Einkünften von Bedeutung.