Hinweise und Tipps rund um die Ehescheidung

Unterhalt oder Nutzungsentschädigung

Als Fachanwalt für Familienrecht möchte ich Sie heute über eine wegweisende Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) informieren, die erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Nutzungsentschädigung bei Ehewohnungen hat. Der BGH hat mit seinem Beschluss vom 27. November 2024 die bisherige Rechtsprechung weiterentwickelt und wichtige Klarstellungen vorgenommen.

Die zentrale Neuerung

Der wesentliche Kern der Entscheidung liegt darin, dass potenzielle Unterhaltsansprüche bereits bei der Frage der Nutzungsentschädigung zu berücksichtigen sind – und zwar auch dann, wenn über den Unterhalt noch gar nicht entschieden wurde. Dies stellt eine bedeutende Abkehr von der bisherigen Praxis dar.

Praktische Bedeutung für Betroffene

Für den in der Wohnung verbliebenen Ehegatten:

Sie können sich gegen Forderungen nach Nutzungsentschädigung wehren, wenn diese Ihre Unterhaltsbedürftigkeit begründen würde

Der Wohnvorteil wird mit möglichen Unterhaltsansprüchen verrechnet

Ihre wirtschaftliche Gesamtsituation wird stärker berücksichtigt

Für den ausgezogenen Ehegatten:

Die Möglichkeit, Nutzungsentschädigung zu verlangen, wird stärker eingeschränkt

Die Zahlungsfähigkeit des anderen Partners muss berücksichtigt werden

Eine pauschale Forderung nach dem Verkehrswert ist nicht mehr ohne weiteres durchsetzbar

Konkrete Berechnungsbeispiele

Beispiel 1:
Ehemann zieht aus der gemeinsamen Mietwohnung (Warmmiete 1.200 €) aus. Die Ehefrau verdient 1.800 € netto:

Bisherige Rechtslage: Ehemann könnte 600 € Nutzungsentschädigung fordern

Neue Rechtslage: Prüfung, ob die Zahlung von 600 € die Frau unterhaltsbedürftig machen würde

Beispiel 2:
Gemeinsames Eigenheim (Verkehrswert der Nutzung: 1.500 €), Ehefrau zieht aus:

Früher: Automatischer Anspruch auf 750 € Nutzungsentschädigung

Heute: Berücksichtigung der Gesamtsituation inkl. Unterhalt

Wichtige Einschränkungen und Grenzen

Der BGH hat jedoch auch klare Grenzen gezogen:

Zeitliche Begrenzung:

Die kostenlose Nutzung kann nicht unbegrenzt fortbestehen

Je länger die Trennung zurückliegt, desto eher muss eine Lösung gefunden werden

Angemessenheit der Wohnung:

Die Größe der Wohnung muss dem Bedarf entsprechen

Überdimensionierte Wohnungen können zur Pflicht der Verkleinerung führen

Besondere Umstände:

Anwesenheit gemeinsamer Kinder

Gesundheitliche Einschränkungen

Alter der Beteiligten

Handlungsempfehlungen

Für den verbliebenen Ehegatten:

Dokumentieren Sie Ihre finanzielle Situation

Stellen Sie frühzeitig Unterhaltsanträge

Prüfen Sie alternative Wohnmöglichkeiten

Für den ausgezogenen Ehegatten:

Lassen Sie Ihre Ansprüche rechtlich prüfen

Dokumentieren Sie Ihre eigenen Wohnkosten

Bleiben Sie gesprächsbereit für Kompromisse

Fazit und Ausblick

Die neue BGH-Rechtsprechung stärkt die Position wirtschaftlich schwächerer Partner und fördert eine ganzheitliche Betrachtung der Trennungssituation. Gleichzeitig werden aber auch die Interessen des ausgezogenen Partners nicht aus den Augen verloren. Eine faire Balance zwischen beiden Positionen wird angestrebt.

Persönliche Beratung

Aufgrund der Komplexität der Materie und der Vielzahl zu berücksichtigender Faktoren empfehle ich Ihnen, sich in Ihrer individuellen Situation anwaltlich beraten zu lassen. In meiner Kanzlei biete ich hierzu persönliche Beratungsgespräche an.