Hinweise und Tipps rund um die Ehescheidung

Für und Wider Scheidung

Für und Wider Scheidung

An den Familienrechtler werden oft spontane Scheidungswünsche herangetragen, deren Dringlichkeit von einem Laien kaum systematisch durchdacht werden kann. Es besteht also stets Beratungsbedarf. Es ist notwendig, schon früh Vor- und Nachteile einer möglichen Ehescheidung herauszuarbeiten und zu bewerten. Das ist für jedes familienrechtliche Teilgebiet, also für jede Scheidungsfolgesache, zunächst gesondert zu tun um dann die Ergebnisse zusammenzufassen und gegeneinander abzuwägen.

 Sozialrechtliche Beratung

Eine Ehescheidung kann erhebliche sozialrechtliche Konsequenzen haben, die eine Spezialität mit ständigen Gesetzesänderungen sind, zu der wir nicht beraten. Nach dem Sozialgesetzbuch I (SGB I) sind sozialrechtliche Leistungsträger, ihre Verbände und die sonstigen im SGB genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit jedermann über gesetzliche Rechte und Pflichten aufzuklären. Darüber hinaus besteht sogar eine darüber hinaus gehende Beratungspflicht der fachlich betroffenen Leistungsträger. Noch weitergehender regelt das Gesetz Auskunftspflichten landesrechtlich bestimmter Stellen und der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung. All diese Pflichten sind gebührenfrei zu erfüllen und können bei Falschberatung zu einer beachtlichen Haftung der Beratungsstelle oder zu einem so genannten sozialrechtlichen Wiederherstellungsanspruch führen. Dabei ist es aber wichtig, Zeitpunkt, Inhalt und Ergebnis der Auskunft oder Beratung nach gerichtlichen Maßstäben beweisen zu können. Wegen der Komplexität der Materie scheuen sich Beratungsstellen und Leistungsträger oft, die Beratung und deren Ergebnis schriftlich festzuhalten. Kompetente Zeugen für die Gespräche können dann der Absicherung dienen.

  Krankenversicherung

Bei Bedarf Das ist ein gefährliches Thema, das genaue und aktuelle sozialrechtliche Beratung erfordert. Diese können wir nicht übernehmen. Auf diesem Rechtsgebiet gibt es häufige und schwer überschaubare Änderungen des Gesetzes und der Rechtsprechung. Allgemein kann die Ehescheidung zum Verlust des Krankenversicherungsschutzes führen.

 »Beamtenfälle«

Die Exgattin eines Beamten3) verliert mit Rechtskraft des Scheidungsausspruchs automatisch ihre Beihilfeberechtigung, die dann von elementarer Bedeutung ist, wenn sie keine eigene Vollversicherung hat, zB wegen Berufslosigkeit. Besteht eigener voller Versicherungsschutz, sei es über eine Privatversicherung, über die GKV oder über ein eigenes Beamtenverhältnis, entstehen Probleme meist nicht, es empfiehlt sich aber, das durch Beratung beim Leistungsträger abzusichern. Der Verlust tritt nicht schon mit Trennung oder Beginn des familiengerichtlichen Scheidungsverfahrens ein. Er entsteht jedoch irreparabel mit der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs. Es hängt von den Umständen ab, ob und inwieweit nach Rechtskraft der Ehescheidung das Krankheitsrisiko in der GKV abgesichert werden kann. Es gibt dafür eine gefährliche allgemeine Altersgrenze ab Vollendung des 55. Lebensjahres. Danach ist eine legale Mitgliedschaft in der GKV meist selbst dann nicht mehr begründbar, wenn ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis aufgenommen wird. Das gilt auch dann, wenn das sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt unter der Pflichtversicherungsgrenze liegt. Hier können also enorme Risiken bestehen, da insbesondere bei Vorerkrankungen eine private Krankenversicherung außerordentlich teuer werden kann; die Versicherungsprämien richten sich darüber hinaus nach dem Eintrittsalter. Zwar ist es so, dass aus unterhaltsrechtlicher Sicht auch hohe notwendige nacheheliche Krankenversicherungsbeiträge (natürlich immer zuzüglich Pflegeversicherungsbeitrag) zu berücksichtigen sind. Entweder sie kürzen das eigene in die Unterhaltsberechnung einzustellende Nettoeinkommen oder der andere Ehegatte muss kraft Unterhaltspflicht diesen Aufwand als so genannten Krankenvorsorgeunterhalt zusätzlich bezahlen. Das aber mindert dann sein eigenes verfügbares Nettoeinkommen mit der Konsequenz, dass die Mittel, die zur Halbteilung für den Lebensbedarf der Ehegatten zur Verfügung stehen, sinken.

 Familienversicherung in der GKV

Beim familienversicherten4) Gatten entfällt die beitragsfreie Familienversicherung nach dem Sozialrecht automatisch und ohne Vorwarnung ebenfalls mit Rechtskraft der Ehescheidung. In der Regel besteht innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft der Scheidung (Achtung, nicht ab deren Kenntnis, die verspätet eintreten kann) ein Beitrittsrecht zu einer gesetzlichen Krankenkasse5). Ist dieser Beitritt möglich, ist viel gewonnen, er löst allerdings Beitragspflichten aus. Diese können unterhaltsrechtliche Auswirkungen haben. Jedenfalls die gemeinsamen Mittel der Eheleute, die für die persönliche Lebensführung zur Verfügung stehen, werden dann gemindert. Hier ist rechtzeitige und schriftlich dokumentierte Beratung durch einen Sozialträger der GKV zu empfehlen. Die Familienversicherung in der GKV entfällt auch, sobald eigenes Einkommen erzielt wird, das 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nach dem SGB IV überschreitet. Warnung: Einkommen ist insoweit auch der Ehegattenunterhalt, der dem steuerlichen Sonderausgabenabzug (so genanntes begrenztes Realsplitting) unterworfen wird.

  Witwenversorgung

Der in noch rechtlich bestehender Ehe überlebende Ehegatte kann unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Witwenrente bzw Witwenversorgung aus den Pensionsansprüchen des verbeamteten verstorbenen Ehegatten (ähnlich bei Richtern und Soldaten) haben. Ist die Ehe erst einmal rechtskräftig geschieden, gibt es jedenfalls in der gesetzlichen Rentenversicherung seit 1. 7. 1977 keine Geschiedenenwitwenrente mehr. Hierdurch können erhebliche Versorgungslücken entstehen. Theoretisch kommen Unterhaltsansprüche gegen den Nachlass in Frage, diese können in der Praxis aber oft nicht realisiert werden, zumal sie gesetzlich limitiert sind und von der Höhe des Nachlasses abhängen. Die Ehescheidung bedeutet also für den sozial schwächeren Ehegatten insoweit ein erhebliches Risiko. Besser abgesichert ist die geschiedene Witwe eines Beamten. Hier kann der Unterhaltsausfall nach dem Beamtenrecht gegen den Dienstherrn geltend gemacht werden, der Anspruch kann aber geringer sein als die Witwenversorgung.

  Versorgungsausgleich

Hierunter versteht das Gesetz den Ausgleich der in der Ehezeit erworbenen beiderseitigen Anwartschaften auf gesetzliche Rente, Pension, Betriebsrente ua. Der »sozial stärkere« Ehegatte erwirbt laufend die höheren Anrechte. Für ihn ist eine Verlängerung der Ehezeit im Sinne des Versorgungsausgleichs (Ehezeit vom Monatsersten vor standesamtlicher Eheschließung bis zum Monatsletzten vor Zustellung des Scheidungsantrages) schädlich. Im Gegenzug muss allerdings gesehen werden, dass uU im Scheidungsfall eine erhöhte Unterhaltspflicht für zusätzlichen so genannten Altersvorsorgeunterhalt in Betracht kommt. Dieser mindert, wenn er zugesprochen wird, das verfügbare Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen und reduziert damit das gemeinsame Resteinkommen für die elementare Lebensführung. Aus Sicht des sozial schwächeren Ehegatten ist eine frühzeitige Scheidung unter diesem Aspekt nachteilig, weil ohne Scheidung ja Monat für Monat noch ausgleichspflichtige Anwartschaften entstehen.

  Kinder

Für deren Unterhalt macht es in der Regel keinen Unterschied, ob die Ehe der Eltern geschieden ist oder nicht. Die Ehescheidung beeinflusst die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern grundsätzlich nicht. Die Waisenrente von Kindern entfällt nicht durch Ehescheidung. Auch Beihilfeberechtigung oder Familienversicherung werden in der Regel nicht beseitigt, es kann aber sein, dass ein bei der Mutter lebendes Kind nach Scheidung nicht mehr mit dem höher verdienenden Vater sondern mit der selbst in der GKV versicherten Mutter familienversichert ist. Öffentlichrechtliche Beratung vor dem Scheidungsurteil ist immer zu empfehlen.

  Ehegattenunterhalt

Der sozial schwächere Ehegatte ist während rechtlich noch bestehender Ehe auch von der Unterhaltslage her mitunter besser abgesichert. Eine Arbeitspflicht (Erwerbsobliegenheit) kommt uU nur in abgemilderter Form oder später zum Tragen. Auf Getrenntlebendunterhalt kann wirksam nicht verzichtet werden, dieser kann vom Familiengericht zwar in der Höhe beeinflusst aber nicht zeitlich beschränkt werden. Anders ist es beim nachehelichen Ehegattenunterhalt, bei dem nach dem vorliegenden Entwurf des Unterhaltsänderungsgesetzes sogar die Kombination einer Begrenzung der Höhe nach mit einer Begrenzung der Laufzeit nach möglich ist. Unter diesem Aspekt bestehen für den wirtschaftlich stärkeren Ehegatten eher Anreize, die Ehescheidung sobald wie möglich, also in der Regel nach einjähriger Trennung einzuleiten, womöglich aber nicht vor der Gesetzesänderung zum 1. 4. 2007.

  Einkommensteuer

Dieser Aspekt hat in der Regel wenig Einfluss auf die Frage, ob man sich zu einem Scheidungsantrag entschließt. Bereits ab dem 1. Januar nach Beginn eines dauernden Getrenntlebens im Sinne des § 26 I EStG ist eine Ehegattenveranlagung (speziell eine Zusammenveranlagung der Eheleute, die nur eine der gesetzlichen Wahlmöglichkeiten ist) nicht mehr zulässig. Bei Arbeitnehmern ändern sich die Steuerklassen dem entsprechend. Dieses Ergebnis tritt selbst dann ein, wenn die Ehe noch lange nicht geschieden wird.

  Vermögensfragen

Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist der Stichtag für die Bewertung des Endvermögens ganz förmlich der Tag der Zustellung des Scheidungsantrages durch das Familiengericht. Fälligkeit einer güterrechtlichen Ausgleichsforderung tritt aber erst mit Rechtskraft des Scheidungsausspruchs ein. Hierzu müssen differenzierte Überlegungen angestellt werden, die Risiken und Chancen von Vermögensmehrungen und Vermögensminderungen (auch durch Bewertungsfragen und Marktfragen) berücksichtigen.

  Gemeinsame Immobilie

Eheleute, die eine Immobilie in Bruchteilsgemeinschaft6) besitzen, können die Miteigentümergemeinschaft (die generell rechtlich nichts mit der Ehe zu tun hat) in einem förmlichen gerichtlichen Verfahren auf Zwangsversteigerung7) nach den Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes auflösen. Das Verfahren ist längerwierig und risikobehaftet8). Es kann in vielen Fällen blockiert werden, solange die Ehe nicht geschieden ist, speziell, wenn gemeinsame Kinder in der Immobilie leben oder die Versteigerungsmaßnahme des insoweit aktiven Ehegatten eine Verfügung über sein gesamtes Vermögen (§ 1365 BGB) darstellt, die nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten wirksam möglich ist.

  Ehemietwohnung

Im Zuge der Ehescheidung kann das Familiengericht auf Antrag unter Anhörung des Vermieters die Rechtsverhältnisse an einer gemieteten Ehewohnung völlig neu regeln. Nachehelich wird eine gemeinsame (wenn auch in getrennter Lebensführung) Benutzung einer Wohnung selten in Frage kommen. Hier kann ein Scheidungsantrag also Vorteile oder Nachteile haben.

  Ehelicher Hausrat

Im Zuge der Ehescheidung kann jeder Ehegatte endgültige Aufteilung des Hausrates verlangen, durch Folgesachenantrag im Scheidungsverfahren, das dadurch meist verzögert wird. Zum Hausrat gehört meist jedes Inventar der Ehewohnung (Möbel, Gardinen, Beleuchtung usw, soweit nicht Bausubstanz). Zum Hausrat kann auch einmal ein Familienfahrzeug gehören, nicht aber persönliches Eigentum wie Kleidung, Schmuck, Uhren, berufliche Ausstattung und persönliche Urkunden. Was mit dem Hausrat aufgeteilt wird, fällt nicht in den Zugewinnausgleich und umgekehrt.

  Erbrechtliche Fragen

Vorab: Das Ehescheidungsverfahren, spätestens aber die Rechtskraft des Scheidungsausspruchs ändert die erbrechtlichen Beziehungen der Ehegatten untereinander. Im Eltern-Kindverhältnis ändert sich allenfalls zugunsten der Kinder die Erb- und Pflichtteilsquote. Kinder erwerben aus der Scheidung selbst, solange die Eltern leben, keine Erb- oder Vermögensansprüche, außer letztere würden sich aus Verträgen ergeben.

Gibt es keinen bindenden notariellen Ehevertrag und kein bindendes gemeinschaftliches Ehegattentestament, sind Eheleute grundsätzlich frei, den anderen Ehegatten zu enterben. Das geht immer. Der enterbte Ehegatte hat dann, solange die Ehe noch besteht und nicht ein gesetzlicher Ausschlussgrund besteht, allerdings einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch, der sich auf die Hälfte des fiktiven gesetzlichen Erbrechts erstreckt. Hier kann also bereits die Einleitung eines Ehescheidungsverfahrens schädlich oder nützlich sein, je nachdem auf welcher Seite der Vermögensbilanz und der Interessenlage man steht.

Das Gesetz schließt das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten im Wesentlichen dann aus, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen9) für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte10). Das Gleiche gilt, wenn eine letztwillige Verfügung vorhanden ist11) oder ein notarieller Erbvertrag12) geschlossen worden ist.

Vertragliche Vermögensfolgen

Es gibt vertragliche Gestaltungen, die weit reichende Vermögensfolgen an einen Scheidungsantrag oder die rechtskräftige Ehescheidung knüpfen. Beispiel 1: Die Eltern haben der Tochter in vorweggenommener Erbfolge das Elternhaus übereignet, sich aber die Rücknahme für den Fall des Vorversterbens oder der Ehescheidung der Tochter vertraglich gesichert. Beispiel 2: Ein Ehegatte hat dem anderen Ehegatten einen hälftigen Miteigentumsanteil an der Ehewohnung (bzw Haus) übereignet und sich ebenso die Rückübertragung für den Scheidungsfall vorbehalten. Der Rechtsanwalt ist Organ der Rechtspflege und kein Hellseher. Anhaltspunkte für solche vertraglichen Regelungen sind uns nicht bekannt gegeben worden.

Gegebenenfalls sollten Sie nachforschen und uns informieren. Übrigens: Jede notarielle Urkunde, an der Sie als Vertragspartei mitgewirkt haben, erhalten Sie gegen geringe Gebühr in Abschrift beim beurkundenden Notar oder seinem Nachfolger im Notariat.

3)     Genauso ist es bei Richtern; vergleichbar bei Soldaten

4)     Der also selbst nicht aus eigenem Stammrecht in der GKV versichert ist

5)     ZB AOK, Ersatzkasse oder Betriebskrankenkasse

6)     Maßgeblich für das Eigentum ist der Eintrag im Grundbuch bei dem für das Grundstück örtlich zuständigen Amtsgericht

7)     So genannte Teilungsversteigerung

8)     Zuständig ist nicht das Familiengericht, sondern das Vollstreckungsgericht für den Bezirk der Immobilie. Jeder kann mitsteigern, auch die Miteigentümer

9)     In der Regel gehört dazu mindestens einjähriges Getrenntleben. Nun werden Scheidungsanträge nach regional abweichender meist großzügiger Übung oft schon vor Ablauf des Trennungsjahres eingereicht, das genügt für den erbrechtlichen Effekt aber (noch) nicht, wird aber durch Zeitablauf geheilt

10)   § 1933 Satz 1 BGB

11)   § 2077 I Satz 1 BGB

12)   §§ 2279, 2077 I Satz 1 BGB