Hinweise und Tipps rund um die Ehescheidung

Die Unterhaltsreform 2007 Aktuell mit Gesetzestext

Nach jahrelangen, immer wieder neu aufgenommenen Verhandlungen, die durch die im Mai 2007 veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Az. 1 BvL 9/04) zur zeitlichen Dauer des Betreuungsunterhaltes für geschiedene und nicht verheiratete Elternteile neuen Drive erhielt, hat sich die Koalition jetzt über die Reform des Unterhaltsrechts geeinigt. Der Rechtsausschuss hat am 7.November 2007 zugestimmt; vom Bundestag sollen die Änderungen am morgigen Freitag verabschiedet werden. Geändert wird die Rangfolge: Minderjährige Kinder haben Vorrang vor allen anderen Unterhaltsberechtigten. Auf dem zweiten Rang folgen die Elternteile, die Kinder betreuen. Zukünftig spielt es keine Rolle, ob es sich um einen geschiedenen Elternteil oder um einen nicht verheirateten Elternteil handelt. Außerdem haben Mütter und Väter, die ihr Kind betreuen, unabhängig davon, ob es sich um eheliche oder nichteheliche Kinder handelt, einen Betreuungsunterhaltsanspruch für die Dauer von drei Jahren. Die Praxis hat kaum je so wenig Zeit gehabt, sich auf die Neuregelungen einzustellen: Sie sollen bereits ab 1. Januar 2008 gelten.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts- Drucksache 16/1830
Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf - Drucksache 16/1830 – mit folgenden Maßgaben, im Übrigen unverändert
anzunehmen:
1. Artikel 1 (Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs) wird wie folgt geändert:
a) Nummer 4 wird wie folgt gefasst:
‚4. § 1570 wird wie folgt gefasst:
㤠1570
Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes
(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder
Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der
Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich,
solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes
und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.
(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn
dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit
in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.“’
b) In Nummer 13 werden die Wörter „folgender Satz“ durch die Wörter „die folgenden
Sätze“ ersetzt und folgender Satz angefügt:
㤠127a findet auch auf eine Vereinbarung Anwendung, die in einem Verfahren in Ehesachen
vor dem Prozessgericht protokolliert wird.“
c) Nummer 16 wird wie folgt gefasst:
‚16. § 1609 wird wie folgt gefasst:
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㤠1609
Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter
Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige
außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:
1. minderjährige unverheiratete Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2
Satz 2,
2. Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind
oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten
bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von
langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3
zu berücksichtigen,
3. Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen,
4. Kinder, die nicht unter Nummer 1 fallen,
5. Enkelkinder und weitere Abkömmlinge,
6. Eltern,
7. weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die Näheren
den Entfernteren vor.“’
d) In Nummer 18 Buchstabe c wird in Absatz 3 das Wort „Mindestunterhalt“ durch das
Wort „Unterhalt“ ersetzt.
e) Nummer 20 wird wie folgt gefasst:
‚20. § 1615l wird wie folgt geändert:
a) Absatz 2 Satz 3 wird durch folgende Sätze ersetzt:
„Die Unterhaltspflicht beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt und besteht
für mindestens drei Jahre nach der Geburt. Sie verlängert sich, solange und soweit
dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes
und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.“
b) Absatz 3 Satz 3 wird aufgehoben.’
2. Artikel 3 (Änderung sonstiger Vorschriften) wird wie folgt geändert:
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a) Absatz 2 (Anfügung von § [35] EGZPO) wird wie folgt geändert:
(aa) Nach § [35] Nummer 3 wird folgende Nummer 4 eingefügt:
„4. Der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder im Sinne des § 1612a Abs. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs beträgt
a) für die Zeit bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahrs (erste Altersstufe)
279 Euro,
b) für die Zeit vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs
(zweite Altersstufe) 322 Euro,
c) für die Zeit vom 13. Lebensjahr an (dritte Altersstufe) 365 Euro
jeweils bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Mindestunterhalt nach Maßgabe des
§ 1612a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den hier festgelegten Betrag
übersteigt.“
(bb) Die bisherigen Nummern 4 bis 6 werden die Nummern 5 bis 7.
b) In Absatz 3 Nr. 1 (Änderung von § 645 der Zivilprozessordnung) werden die Wörter
„nach Berücksichtigung“ durch die Wörter „vor Berücksichtigung“ ersetzt.
3. In Artikel 4 (Inkrafttreten, Außerkrafttreten) wird die Angabe „1. April 2007“ durch die Angabe
„1. Januar 2008“ ersetzt.
Im Einzelnen
Zu Nummer 1 Buchstabe a (Änderung von Artikel 1 Nr. 4 - § 1570 BGB)
Die Änderung trägt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2007
Rechnung (Az. 1 BvL 9/04; u.a. FamRZ 2007, 965 = NJW 2007, 1735). In ihr wurde die Verfassungswidrigkeit
der derzeit noch unterschiedlichen Dauer von Unterhaltsansprüchen für
die Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder festgestellt. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs
wegen der Betreuung des Kindes richtet sich künftig nach denselben Grundsätzen
und ist gleich lang ausgestaltet.
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Darüber hinaus sieht der neu eingefügte Absatz 2 eine besondere Verlängerungsmöglichkeit
vor. Diese besteht unabhängig vom Wohl des Kindes, das bei der Bestimmung der Dauer
des Unterhaltsanspruchs wegen der Betreuung eines Kindes nach Absatz 1 maßgeblich ist.
Sie rechtfertigt sich vielmehr aus der nachehelichen Solidarität. Entscheidend dafür sind die
tatsächliche Gestaltung der Kinderbetreuung und der Erwerbstätigkeit durch die Ehegatten
sowie die Dauer der Ehe, die im Einzelfall eine Verlängerung rechtfertigen können. Mit diesem
Anspruch, der sich gleich einem Annexanspruch an den Betreuungsunterhalt gemäß
Absatz 1 anschließen kann, wird der besondere Schutz der Ehe zum Ausdruck gebracht, wie
ihn auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 28. Februar 2007 anerkennt
(BVerfG, FamRZ 2007, 965 [970 Rn. 58]).
Mit § 1570 Abs. 1 in seiner neuen Fassung wird der Betreuungsunterhaltsanspruch geschiedener
Ehegatten neu strukturiert. Der betreuende Elternteil hat künftig Anspruch auf einen
zeitlichen „Basisunterhalt“; dieser Anspruch wird über eine Dauer von mindestens drei Jahren
nach der Geburt des Kindes gewährt (§ 1570 Abs. 1 Satz 1). In den ersten drei Lebensjahren
des Kindes hat der geschiedene Ehegatte - ebenso wie der nicht verheiratete Elternteil
- im Falle der Bedürftigkeit stets einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Die betreuende
Mutter oder der betreuende Vater können sich also auch dann, wenn eine Versorgung durch
Dritte möglich wäre, frei dafür entscheiden, das Kind selbst zu betreuen. Die Drei-Jahres-
Frist ist im Regelfall mit dem Kindeswohl vereinbar (vgl. Puls, FamRZ 1998, 865 [870f.];
BVerfG, FamRZ 2007, 965 [972f. Rn. 73, 77]). Mit ihr wird, genauso wie dies bereits beim
geltenden § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB der Fall ist, an zahlreiche sozialstaatliche Leistungen
und Regelungen angeknüpft, insbesondere also an den Anspruch des Kindes auf einen Kindergartenplatz
(§ 24 Abs. 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe).
Der zeitliche „Basisunterhalt“ ist aber nach § 1570 Abs. 1 Sätze 2 und 3 zu verlängern, soweit
und solange dies der Billigkeit entspricht. Maßstab für eine Verlängerung sind in erster
Linie kindbezogene Gründe. Dies wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass in Satz 3 ausdrücklich
die Belange des Kindes genannt werden. Die „Belange des Kindes“ sind immer
dann berührt, wenn das Kind in besonderem Maße betreuungsbedürftig ist. Insoweit ist eine
Orientierung an der bisherigen Rechtsprechung zu den „kindbezogenen Belangen“ bei
§ 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB möglich (vgl. AnwK-BGB Familienrecht/Schilling [2005], § 1615l
Rn. 11f.)
Damit findet der Gedanke, dass die zu berücksichtigenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung
mit dem Kindeswohl vereinbar sein müssen (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1830,
S. 17), nunmehr auch Eingang in den Wortlaut der neuen Bestimmung. Auf diese Weise wird
ausdrücklich klargestellt, dass der betreuende Elternteil sich nur dann auf eine Fremdbetreuungsmöglichkeit
verweisen lassen muss, wenn dies mit den Kindesbelangen vereinbar ist.
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Damit wird die „Leitidee“ der gesamten Vorschrift noch klarer gemacht, nach der der Betreuungsunterhalt
vor allen Dingen im Interesse des Kindes gewährt wird. Die Belange des Kindes
können beispielsweise dann einer Fremdbetreuung entgegenstehen, wenn das Kind unter
der Trennung besonders leidet und daher der persönlichen Betreuung durch einen Elternteil
bedarf.
Die im Einzelfall zu bestimmende Billigkeit richtet sich im Übrigen auch nach dem allgemeinen
und in § 1569 BGB künftig für den nachehelichen Unterhalt ausdrücklich verankerten
Prinzip der Eigenverantwortung des Unterhaltsbedürftigen. Ihm werden allerdings durch die
Umstände Grenzen gesetzt, die den jeweiligen Unterhaltstatbestand tragen. In besonderer
Weise gilt dies dort, wo es um das Kindeswohl geht. Soweit es das Kindeswohl erfordert, hat
das Prinzip der Eigenverantwortung zurückzustehen. Mit der Feststellung, dass die Verlängerung
des Unterhalts der Billigkeit entspricht, steht also zugleich fest, dass eine Erwerbstätigkeit
nicht erwartet werden kann. Einer besonderen Erwähnung dieses bisher in § 1570
BGB enthaltenen Prüfungsmaßstabs bedarf es daher nicht mehr. Eine materielle Änderung
ist damit nicht verbunden.
Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Vorgabe zu der Frage, in welchem Umfang der
betreuende Elternteil bei einer bestehenden Betreuungsmöglichkeit auf eine eigene Erwerbstätigkeit
und damit auf seine Eigenverantwortung (§§ 1569, 1574 Abs. 1 BGB-Entwurf) verwiesen
werden kann. Mit den Worten „soweit und solange“ wird jedoch deutlich gemacht,
dass es auch hier auf die Verhältnisse des Einzelfalls ankommt. In dem Maße, in dem eine
kindgerechte Betreuungsmöglichkeit besteht, kann von dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit
erwartet werden. Ist also zunächst nur eine Teilzeittätigkeit möglich, ist
daneben - je nach Bedürftigkeit - auch weiterhin Betreuungsunterhalt zu zahlen. Die Neuregelung
verlangt also keineswegs einen abrupten, übergangslosen Wechsel von der elterlichen
Betreuung zu Vollzeiterwerbstätigkeit. Im Interesse des Kindeswohls wird vielmehr
auch künftig ein gestufter, an den Kriterien von § 1570 Abs. 1 BGB-Entwurf orientierter Übergang
möglich sein.
Die mit § 1570 Abs. 2 geschaffene Möglichkeit, die Dauer des Unterhaltsanspruchs darüber
hinaus zu verlängern, berücksichtigt die bei geschiedenen Eltern im Einzelfall aus Gründen
der nachehelichen Solidarität gerechtfertigte weitere Verlängerung des Unterhaltsanspruchs.
Damit wird eine Erwägung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom
28. Februar 2007 aufgegriffen (Az. 1 BvL 9/04; u.a. FamRZ 2007, 965 = NJW 2007, 1735
[Rn. 58]). Das Bundesverfassungsgericht führt aus, es sei dem Gesetzgeber unbenommen
einen geschiedenen Elternteil „wegen des Schutzes, den die eheliche Verbindung durch
Art. 6 Abs. 1 GG erfährt, (…) unterhaltsrechtlich besser zu stellen als einen unverheirateten
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Elternteil, was sich mittelbar auch auf die Lebenssituation der mit diesen Elternteilen zusammenlebenden
Kindern auswirken kann (…)“.
Jenseits des Betreuungsunterhalts, der im Interesse des Kindeswohls wegen seiner Betreuung
geschuldet wird, sieht § 1570 Abs. 2 entsprechend eine Möglichkeit vor, den Betreuungsunterhalt
im Einzelfall zusätzlich aus Gründen zu verlängern, die ihre Rechtfertigung
allein in der Ehe finden. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die
vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung.
Die konkreten ehelichen Lebensverhältnisse und die nachwirkende eheliche Solidarität
finden hier ihren Niederschlag und können eine Verlängerung des Betreuungsunterhaltsanspruchs
über § 1570 Abs. 1 hinaus rechtfertigen. So kann etwa einem geschiedenen
Ehegatten, der im Interesse der Kindererziehung seine Erwerbstätigkeit dauerhaft aufgegeben
oder zurückgestellt hat, ein längerer Anspruch auf Betreuungsunterhalt eingeräumt werden
als einem Ehegatten, der von vornherein alsbald wieder in den Beruf zurückkehren wollte.
Entsprechend handelt es sich bei dem Anspruch nach § 1570 Abs. 2 nicht um einen selbständigen
Unterhaltstatbestand, sondern um eine ehespezifische Ausprägung des Betreuungsunterhaltsanspruchs
und ist damit eine Art „Annexanspruch“ zum Anspruch nach § 1570
Abs. 1. Die Regelungstechnik lehnt sich im Übrigen an diejenige des § 1578b BGB-Entwurf
an (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1830, S. 19): Ist die ehebedingte „Billigkeit“ einer Verlängerung
festgestellt, verlängert sich der Unterhaltsanspruch ohne weiteres.
Zu Nummer 1 Buchstabe b (Änderung von Artikel 1 Nr. 13 - § 1585c BGB)
Mit der Änderung wird ein weiterer, dritter Satz angefügt, so dass die neue Vorschrift insgesamt
drei Sätze umfasst.
Durch die Anfügung des dritten Satzes soll - parallel zu § 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB beim Zugewinnausgleich
und zu § 1587o Abs. 2 Satz 1, 2 BGB beim Versorgungsausgleich - sichergestellt
werden, dass außer einem Prozessvergleich von den Parteien auch eine formwirksame
Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt in einem Verfahren in Ehesachen im
Wege der Protokollierung durch das Prozessgericht abgeschlossen werden kann. Damit soll
Rechtssicherheit geschaffen werden für den in der forensischen Praxis nicht seltenen Fall, in
dem die Ehegatten in einer Ehesache das Gericht um Protokollierung einer zuvor getroffenen
Einigung, beispielsweise eines Unterhaltsverzichts, ersuchen, ohne dass eine Unterhaltssache
anhängig ist oder dass Streit oder Ungewissheit über den Unterhalt durch gegenseitiges
Nachgeben ausgeräumt wird.
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Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die mit dem neuen § 1585c Satz 2 BGB erfolgende
Einführung eines Formerfordernisses die Wirksamkeit bestehender Vereinbarungen über
den nachehelichen Unterhalt, die von den Ehegatten in der Vergangenheit formfrei geschlossen
werden konnten, unberührt lässt. Vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes formfrei
geschlossene Unterhaltsvereinbarungen werden nicht ungültig. Die neue Formvorschrift findet
vielmehr nur auf Rechtsgeschäfte Anwendung, die nach Inkrafttreten der Vorschrift vollendet
werden.
Zu Nummer 1 Buchstabe c (Änderung von Artikel 1 Nr. 16 - § 1609 BGB)
Mit der Einfügung eines weiteren Halbsatzes in § 1609 Satz 2 Nummer 2 wird der Begriff der
„Ehe von langer Dauer“ näher erläutert. Damit wird einem in der Anhörung des Rechtsausschusses
am 16. Oktober 2006 geäußerten Wunsch Rechnung getragen und nicht nur in der
Einzelbegründung (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1830, S. 24), sondern auch im Wortlaut
der Bestimmung klargestellt, dass für die Auslegung des Begriffs nicht nur auf die absolute
zeitliche Dauer der Ehe abzustellen ist. Vielmehr sind weitere Gesichtspunkte wertend heranzuziehen,
namentlich die in § 1578b Abs. 1 BGB-Entwurf aufgeführten Kriterien. Die Gewährung
des Unterhaltsvorrangs wegen langer Ehedauer beruht insbesondere auf dem Gedanken,
das Vertrauen desjenigen Ehegatten zu schützen, der sich unter Verzicht auf die
eigene berufliche Entwicklung in der Ehe überwiegend der Pflege und Erziehung der gemeinsamen
Kinder oder der Führung des Haushalts dauerhaft gewidmet hat. Ehegatten, die
sich für ein solches „tradionelles“ Ehemodell entschieden haben, wird damit mehr Schutz
vermittelt. Es wird deutlich, dass aus der Eheführung resultierende Nachteile, für den eigenen
Unterhalt nicht ausreichend sorgen zu können, sich über das Merkmal der Dauer der
Ehe auf die unterhaltsrechtliche Rangordnung auswirken können. Insgesamt wird damit der
Vertrauensschutz noch einmal unterstrichen.
Darüber hinaus wird durch die Einfügung der Worte „und geschiedener Ehegatten“ in § 1609
Satz 2 Nummer 2 des Entwurfs klargestellt, dass nicht nur der Unterhaltsanspruch in einer
bestehenden Ehe von langer Dauer, sondern auch der Unterhaltsanspruch nach einer Ehe
von langer Dauer im zweiten Rang steht.
Im zweiten Rang werden danach berücksichtigt: Elternteile, die wegen der Betreuung eines
Kindes unterhaltsberechtigt sind. Das sind geschiedene Eltern nach § 1570 BGB und nicht
verheiratete Eltern nach § 1615l BGB. Des Weiteren sind dies verheiratete Elternteile die,
unterstellt sie wären geschieden, wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt
wären. Schließlich finden sich im zweiten Rang alle Unterhaltsansprüche Verheirateter und
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Geschiedener, wenn die dem Anspruch zugrunde liegende Ehe als eine Ehe von langer
Dauer anzusehen ist.
Zu Nummer 1 Buchstabe d (Änderung von Artikel 1 Nr. 18c - § 1612a Abs. 3 BGB)
Es handelt sich um eine Änderung mit lediglich klarstellendem Charakter: Ein Kind, das im
Verlauf eines Monats das Lebensjahr einer höheren Altersstufe vollendet, kann ab Beginn
des betreffenden Monats nicht nur den Mindestunterhalt, sondern seinen vollen Unterhalt
nach der höheren Altersstufe verlangen.
Zu Nummer 1 Buchstabe e (Änderung von Artikel 1 Nr. 20 - § 1615l BGB)
Die Änderung trägt - wie in § 1570 Abs. 1 - der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 28. Februar 2007 Rechnung (Az. 1 BvL 9/04; u.a. FamRZ 2007, 965 = NJW 2007,
1735). Die Dauer des Anspruchs wegen der Betreuung des Kindes richtet sich beim nichtehelichen
Kind künftig nach denselben Grundsätzen wie beim ehelichen Kind und ist gleich
lang ausgestaltet.
Für die ersten drei Lebensjahre des Kindes wird klargestellt, dass der nicht verheiratete Elternteil
- ebenso wie der geschiedene - im Falle der Bedürftigkeit stets einen Unterhaltsanspruch
hat. Ausnahmslos wird in dieser Zeit unterhaltsrechtlich keinem Elternteil eine Erwerbstätigkeit
zugemutet (§ 1615l Abs. 2 Satz 3).
Für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres wird der Unterhaltsanspruch des nicht
verheirateten Elternteils nach Billigkeit verlängert (§ 1615l Abs. 2 Satz 4). Bei der Billigkeitsentscheidung
kommt den Belangen des Kindes - wie im Rahmen des nachehelichen Betreuungsunterhalts
- entscheidende Bedeutung zu, in deren Licht auch die bestehenden Möglichkeiten
der Kinderbetreuung zu berücksichtigen sind. Wesentlich ist, dem nichtehelichen
Kind Lebensverhältnisse zu sichern, die seine Entwicklung fördern und dem Gleichstellungsauftrag
aus Artikel 6 Abs. 5 GG Rechnung tragen.
Neben den kindbezogenen Gründen können im Einzelfall zusätzlich auch andere Gründe,
namentlich elternbezogene Gründe, berücksichtigt werden. Das wird durch das Wort „insbesondere“
klargestellt. Die in der Rechtspraxis bewährte Differenzierung nach kind- und elternbezogenen
Umständen (vgl. AnwK-BGB Familienrecht/Schilling [2005], § 1615l Rn. 12f.)
kann damit fortgeführt und im Lichte des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom
28. Februar 2007 (Az. 1 BvL 9/04; u.a. FamRZ 2007, 965 = NJW 2007, 1735) weiter entwi-
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ckelt werden. Gewichtige elternbezogene Gründe für einen längeren Unterhaltsanspruch liegen
beispielsweise vor, wenn die Eltern in einer dauerhaften Lebensgemeinschaft mit einem
gemeinsamen Kinderwunsch gelebt und sich hierauf eingestellt haben (vgl. BGHZ 168, 245
= FamRZ 2006, 1362). So ist es etwa von Bedeutung, wenn ein Elternteil zum Zweck der
Kindesbetreuung einvernehmlich seine Erwerbstätigkeit aufgeben hat, oder wenn ein Elternteil
mehrere gemeinsame Kinder betreut. Auch die Dauer der Lebensgemeinschaft kann ein
Gradmesser für gegenseitiges Vertrauen und füreinander Einstehen wollen sein.
Zu Nummer 2 Buchstabe a (Einfügung einer neuen Nummer in § [35] EGZPO)
Mit der Einfügung einer neuen, weiteren Nummer in die Übergangsvorschrift soll ein schonender
Übergang vom bisherigen System der Regelbeträge nach der Regelbetrag-Verordnung
zu der neuen Bezugsgröße des Mindestunterhalts nach § 1612a BGB-Entwurf ermöglicht
werden. Die neue Bestimmung stellt sicher, dass die für die konkrete Unterhaltsberechnung
maßgebliche Bezugsgröße und damit das heute geltende Unterhaltsniveau in keinem
Fall absinkt. Zugleich sichert die neue Übergangsregelung, dass die gewünschte Harmonisierung
mit dem Steuerrecht erreicht wird.
Zu diesem Zweck werden die heute geltenden Regelbeträge nach § 1 der Regelbetrag-Verordnung
vom 6. April 1998 (BGBl. I S. 666, 668) in das System der künftigen Unterhaltsberechnung
übertragen und als Mindestunterhalt solange festgeschrieben, bis der jeweilige
Mindestunterhalt nach § 1612a BGB-Entwurf diesen Betrag übersteigt. Mit der Anknüpfung
an die Regelbeträge nach § 1 Regelbetrag-Verordnung wird daran festgehalten, dass die
bisherige Differenzierung in der Unterhaltshöhe zwischen Ost- und Westdeutschland (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/1830, S. 14) aufgegeben wird. Entsprechend erhöht sich die in
Ostdeutschland maßgebliche Bezugsgröße. Die in den einzelnen Altersstufen festgeschriebenen
Beträge ergeben sich aus § 1 der Fünften Verordnung zur Änderung der Regelbetrag-
Verordnung vom 5. Juni 2007 (BGBl. I S. 1044), erhöht um das hälftige Kindergeld
(77 Euro). Mit der Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes wird der Neuregelung der Kindergeldverrechnung
in § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB-Entwurf Rechnung getragen.
Zu Nummer 2 Buchstabe b (Änderung von Artikel 3 Abs. 3 Nr. 1 - § 645 Abs. 1 ZPO)
Es handelt sich um die Korrektur eines Redaktionsversehens. Das 1,2fache des Mindestunterhalts,
der höchstmögliche im vereinfachten Verfahren geltend zu machende Unterhalts-
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betrag, errechnet sich vor Berücksichtigung der Leistungen nach den §§ 1612b und 1612c
BGB.
Zu Nummer 3 (Änderung von Artikel 4 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten)
Ein Inkrafttreten der Unterhaltsrechtsreform zum Jahresbeginn ermöglicht einen Gleichlauf
des „Unterhaltsjahres“ mit dem „Steuer-“ und dem Kalenderjahr.