Die Bewertung von Grundstücken und Immobilien im Scheidungsverfahren
1. Rechtsgrundlagen und anwendbare Vorschriften
Die Bewertung von Grundstücken erfolgt ab 01.07.2010 - auch für zurückliegende Stichtage – nach der Verordnung von Grundstücken – ImmoWertV – vom 19.05.2010. Gleichzeitig ist die Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken – WertermittlungsVO – vom 06.12.1988 außer Kraft getreten. Die ImmoWertVO wird ergänzt durch eine Richtlinie vom 11.01.2011 zur Ermittlung von Bodenrichtwerten nach § 10 ImmoWert. Zu beachten sind weiter die Wertrichtlinien für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken vom 10.06.2006 (WertR06). Berichtigt am 01.07.2006, die Sachwertrichtlinien (SWRL) vom 05.09.2012, die Bodenrichtwertlinien vom 11.01.2011, die Vergleichswertrichtlinie vom 20.03.2014 sowie die Ertragswertrichtlinie vom 12.11.2015
Maßgeblich für die Bewertung ist nach § 1 ImmoWertV der Verkehrswert (=Marktwert), der sich
- Grundsätzlich nach dem Preis richtet
- Der am Wertermittlungsstichtag
- Im gewöhnlichen Geschäftsverkehr
- Nach den rechtlichen Gegebenheiten,
- und tatsächlichen Eigenschaften,
- der sonstigen Beschaffenheit und der
- Lage des Grundstücks,
ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.
Die ImmowertVO enthält eine Vielzahl neuer Begriffe. § 3 ImmoWertV definiert dem Wertermittlungsstichtag als den Zeitpunkt, auf den sich die Wertermittlung bezieht. Erfasst werden auch demografische Entwicklungen des Gebietes. Davon zu unterscheiden ist der Qualitätsstichtag nach § 4 ImmoWertV als der Zeitpunkt, auf den sich der für die Wertermittlung maßgebliche Grundstückszustand bezieht. Er entspricht regelmäßig dem Wertermittlungsstichtag, außer aus rechtlichen Gründen oder sonstigen Gründen ist der Zustand des Grundstücks zu einem anderen Zeitpunkt maßgebend.
Nach § 8 Abs. 1 ImmoWertVO erfolgt die Ermittlung des Verkehrswerte nach dem
- Vergleichswertverfahren (§§ 15, 16 ImmoWertV).
- Dem Ertragswertverfahren (§§ 17 bis 20 ImmoWertV)
- Sowie dem Sachwertverfahren (§§ 20 bis 23 ImmoWertV).
Maßgeblich ist nach wie vor der wirkliche Wert, der nicht stets mit dem Verkehrswert übereinstimmen muss. Eine strengere Orientierung an dem tastsächlich erzielbaren Verkaufserlös ist nur dann notwendig, wenn das Grundstück zur Veräußerung bestimmt ist oder als Folge des Zugewinnausgleichs veräußert werden muss. Soll die Immobilie weiterhin zu Wohnzwecken genutzt werden, ist einem vorübergehenden Preisrückgang nicht durch einen rezessionsbedingten Preisabschlag Rechnung zu tragen. Bei einer nur vorübergehenden Preisschwankung kann deshalb ausnahmsweise vom Marktwert abgewichen werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine ungünstige Marktlage auf örtlich begrenzte Umstände zurückzuführen ist oder auf eine gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Entscheidend ist, ob aus d er Sicht eines nüchternen Betrachters am Bewertungsstichtag die ungünstige Marktlage als temporär einzuschätzen war und deswegen einen wirtschaftlich Denkenden veranlasst hätte, eine Veräußerung zurückzustellen, soweit nicht besondere Umstände dazu zwingen. Ist die Immobilie nach dem Stichtag des § 1384 BGB veräußert worden, ist der davon erzielte Verkaufserlös nur dann für die Wertbestimmung maßgeblich, wenn nachgewiesen werden kann, dass sich zwischen dem Stichtag und der Veräußerung der Immobilie keinerlei wertbildende Faktoren eingestellt haben. Das OLG Düsseldorf vertritt di Auffassung, dass der erzielte Kaufpreis als maßgeblich in die Zugewinnbilanz einzustellen ist, wenn stichtagsnah das Grundstück zu einem höheren Preis veräußert worden ist als vom Sachverständigen angenommen. Als zeitnah dürfte in Anlehnung an § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ein Zeitraum von bis zu einem Jahr gelten.
Welches Verfahren zur Wertfestellung von Immobilien und Grundstücken findet Anwendung?
Die Auswahl des Wertermittlungsverfahrens steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Er-messen des Gerichts, wobei jedoch für die Wahl der jeweiligen Methode dem Charakter des Objekts eine nicht unerhebliche Bedeutung zukommt.
Vergleichswertverfahren
Unbebaute Grundstücke und der Bodenwert bebauter Grundstücke sind gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV nach dem Vergleichsverfahren § 15 ImmoWertV unter Heranziehung der Bodenrichtwerte nach § 196 BbauG zu bewerten. Zweifel der Vergleichbarkeit bestehen, wenn die Datenbasis des Gutachterausschusses infolge weniger Verkäufe gering ist und darin noch Verwandtenverkäufe eingeschlossen sind. Das Vergleichswertverfahren kann auch zur Überprüfung der Ergebnisse anderer Wertermittlungsverfahren in Betracht kommen.
Sachwertverfahren
Das Sachwertverfahren kann in der Wertermittlung dann zur Anwendung kommen, wenn im gewöhnlichen Geschäftsverkehr marktüblich der Sachwert und nicht die Erzielung von Erträgen für die Preisbildung ausschlaggebend ist, insbesondere bei eigen genutzten Ein- und Zweifamilienhäusern, der sich aus dem bodenwert, dem Bauwert und dem Wert der Außenanlagen zusammensetzt, wobei der Feuerkassenrichtwert lediglich einen Zwischenwert zur Bestimmung des Bauwertes darstellt. Es kann auch zur Überprüfung anderer Verfahrensergebnisse in Betracht kommen.
Ertragswertverfahren
Bei Renditeobjekten (Mehrfamilienhausgrundstücke, vermietetes Wohnungseigenheim, Gewerbegrundstücke), ist i.d.R. allein das Ertragswertverfahren geeignet., den Verkehrswert zu ermitteln.
Praxishinweis:
Die Bewertungsmethode ist – in der Praxis häufig übersehen – allein dem Gericht vorbehalten. Bei Beweisbeschlüssen ist also darauf zu achte, dass seitens des Richters die Wahl des Verfahrens vorgegeben wird. Fehlt dies – wie leider häufig – wird der Gebäudesachverständige von sich aus die Bewertungsmethode auswählen, was rechtsfehlerhaft ist. Somit ist anwaltlicher Vortrag erforderlich, um auf die Anwendung der geeigneten Bewertungsmethode hinzuwirken.