Hinweise und Tipps rund um die Ehescheidung

Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten im Erbfall

Darauf müssen die Erben Geschiedener sich einstellen

Tod des Unterhaltsberechtigten

In dem Maß, in dem die Zahl der Scheidungen zunimmt und die Lebenserwartung steigt, häufen sich Erbfälle unter Beteiligung von geschiedenen Eheleuten. Meist geht der Erbe des geschiedenen Erblassers davon aus, dass mit dessen Ableben auch die Pflicht zur Zahlung von Ehegattenunterhalt an den früheren Ehegatten entfällt. Dies ist aber gerade nicht der Fall. In diesen Fällen beseht üblicherweise ein besonders hohes Konfliktpotential, weil es in der Praxis häufig um Unterhaltsansprüche der geschiedenen ersten Ehefrau gegen die zweite Ehefrau des Erblassers und ggf. deren Kinder geht und auf der Erbenseite oft eine Erbengemeinschaft von Kindern aus der ersten Ehe und der zweiten Ehefrau besteht.

Auch unter diesen Voraussetzungen besteht aber gleichwohl ein Unterhaltsanspruch nach § 1586 b BGB. Der § 1586 b Abs. 1 BGB begründet einen Unterhaltsanspruch, keinen Pflichtteilsanspruch. Dieser Unterhaltsanspruch ist gegen den bzw. die Erben als Nachlassverbindlichkeit geltend zu machen. Es gelten grundsätzlich weiterhin die allgemeinen Vorschriften des nachehelichen Unterhaltsrechts (‚§§ 1569 bis 1586a BGB).

Anspruchsvoraussetzungen des Unterhaltsanspruchs

Anspruchsgrundlage sind auch nach dem Erbfall die Unterhaltstatbestände der §§ 1570 ff. BGB. An der Rechtsnatur der Unterhaltspflicht ändert sich nichts, es ändert sich lediglich die Person des Schuldners: An die Stelle des geschiedenen Ehegatten tritt nunmehr der Erbe bzw. die Erben als Unterhaltsschuldner. Dies bedeutet,

• dass sich der Bedarf des geschiedenen Ehegatten nach § 1578 BGB richtet,
also die ehelichen Lebensverhältnisse auch nach dem Tod des Verpflichteten
weiter fortgeschrieben werden.

• dass der Unterhaltsberechtigte nach allgemeinen Grundsätzen bedürftig sein
muss, § 1577 BGB. Der Tod des Verpflichteten kann hier eine Änderung mit
sich bringen. So führt die Zahlung einer Geschiedenenwitwenrente nach § 46
Abs. 3 SGB VI oder einer Geschiedenenhinterbliebenenversorgung aus der
gesetzlichen Unfallversicherung nach § 66 SGB VII sowie andere, das Ein-
kommen des Berechtigten erhöhende laufende Zahlungen und auch Leistungen
aus Lebensversicherungen oder –in seltenen Fällen- aus dem Erbe dazu, dass
die Bedürftigkeit vermindert wird.

• Der Unterhaltsanspruch entfällt, wenn, soweit und sobald die Voraussetzungen
einer Unterhaltsbeschränkung nach §§ 1573 Abs. 5 1578 Abs- 1 Satz 2 und 3
oder § 1579 BGB eintreten.

Der Erbe kann sich nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 1586 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht mehr auf die beschränkte Leistungsfähigkeit des verstorbenen Unterhaltspflichtigen berufen. Der Berechtigte (geschiedene überlebende Ehegatte) kann deshalb den vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen verlangen. Grund für diese Regelung ist, dass mit dem Tod des Unterhaltsberechtigten sein eigener angemessener Unterhalt nicht mehr gefährdet werden kann und zudem die übrigen Unterhaltsverpflichtungen erlöschen. In der praktischen Wirklichkeit kann diese Bestimmung zur Folge haben, dass sich der Betrag der monatlich zu zahlenden Unterhaltsrente ab dem Tod des Unterhaltspflichtigen deutlich erhöht.

Beschränkung der Erbenhaftung

Die Haftung des Erben bezüglich des Unterhalts ist betragsmäßig beschränkt („gedeckelt“). Der Höchstbetrag der Haftung wird durch sog. fiktiven Pflichtteil begrenzt, der dem geschiedenen Ehegatten zustünde, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre. Es wird also der Fortbestand er geschiedenen Ehe bis zum Tod des Unterhaltspflichtigen fingiert. Im Hinblick auf die Quote des Pflichtteils bestimmt § 1586 b Abs. 2 BGB, dass Besonderheiten aufgrund des Güterstandes, in dem die geschiedenen Ehegatten gelebt haben, außer Betracht bleiben. Zu beantworten sind deshalb folgende Fragen:

• Wie hoch ist die Quote des fiktiven Pflichtteils?
• Wie hoch ist der pflichtteilserhebliche Nachlass?

Fiktiver Pflichtteil

Bei der Ermittlung der Pflichtteilsquote ist auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen und nach § 2310 BGB zu verfahren. Dies bedeutet, dass z.B.. ein Abkömmling, der zwar die Scheidung, nicht aber den Erbfall erlebt hat, nicht mitzuzählen ist. Dagegen werden nach der Scheidung geborene Kinder –auch aus weiteren Ehen- berücksichtigt, nicht aber ein etwaiger neuer Ehegatte. Die Pflichtteilsquote des überlebenden geschiedenen Ehegatten hängt davon ab, welcher Erbordnung die erbrechtlichen konkurrierenden Verwandten angehören. Nach § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB erbt der Ehegatte neben Abkömmlingen (also Kindern und Kindeskindern) des Erblassers ¼ ; sein Pflichtteil beträgt davon die Hälfte, als 1/8. Neben den Eltern des Erblassers, deren Abkömmlingen (also den Geschwistern des Erblassers) oder etwa noch lebenden Großeltern erbt der Ehegatte die Hälfte; sein Pflichtteil beträgt damit ¼. Ist keiner dieser Verwandten vorhanden, erhält der Ehegatte nach § 1931 Abs. 2 BGB die ganze Erbschaft; sein Pflichtteil beträgt damit ½.

Pflichtteilserheblicher Nachlass

Nicht nur bei der Ermittlung der Pflichtteilsquote, sondern auch bei der Ermittlung des pflichtteilserheblichen Nachlasses ist auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen. Das Vermögen des Erblassers zum Zeitpunkt der Scheidung ist damit ohne Bedeutung. Zur Verdeutlichung hier ein Beispiel:

E ist geschieden. Er schuldet seiner geschiedenen Ehefrau F unbefristeten nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 500 EUR. E verstirbt und wird von W, seiner zweiten Ehefrau, aufgrund eines Testaments alleine beerbt. Seinen Sohn S aus erster Ehe hat er auf den Pflichtteil gesetzt. E hinterlässt ein Nettovermögen von 200.000 EUR.

Der fiktive Pflichtteil der F beträgt 25.000 EUR (1/8 von 200.000 EUR). W muss daher als Erbin so lange 500 EUR pro Monat an F zahlen, bis die Summe ihrer Zahlungen 25.000 EUR erreicht hat.

Bei der Ermittlung der Aktivseite des Nachlassbestandes ist zudem nicht nur der tatsächliche Nachlass zu berücksichtigen, sondern auch Ansprüche auf Pflichtteilsergänzung gem. §§ 2325 ff. BGB. Umstritten ist, ob auf der Passivseite eine güterrechtliche Ausgleichsforderung des überlebenden (zweiten) Ehegatten abzuziehen ist. Nicht abzuziehen ist nach allgemeiner Meinung ein etwaiger Unterhaltsanspruch des Erblassers gegenüber dem zweiten Ehegatten. Zur Klarstellung: Der berechtigte frühere Ehegatte kann nicht den Pflichtteil fordern, sondern nur den Unterhalt bis zu einem Höchstbetrag, der sich aus der Pflichtteilsquote und der Höhe des pflichtteilserheblichen Nachlasses berechnet. Das bedeutet, dass nach dem Tod des Unterhaltsverpflichteten der laufende Unterhalt als monatlich im Voraus zu zahlende Geldrente weiter zu leisten ist. Der errechnete Höchstbetrag kann je nach dem Wert des Nachlasses und der Höhe des monatlich zu zahlenden Unterhalts früher oder später ausgeschöpft sein.
Nach einer Meinung muss die Haftungsbegrenzung, d.h. das Ende der Pflicht zur Zahlung von Unterhalt durch den oder die Erben, durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung dem Unterhaltsberechtigten gegenüber ausdrücklich geltend gemacht werden, wohingegen sich nach anderer Ansicht die Begrenzung der Unterhaltsschuld kraft Gesetzes von selbst ergibt. Aus Vorsichtsgründen sollten die Erben auf jeden Fall eine klarstellende Erklärung abgeben.

Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche

Um seinen Unterhaltsanspruch beziffern zu können, hat der unterhaltsberechtigte geschiedene Ehegatte einen Auskunftsanspruch gegen den oder die Erben über den Bestand des Nachlasses; ergänzungspflichtige Schenkungen sind einzubeziehen. Der Erbe hat im Gegenzug dazu einen Auskunftsanspruch gegen den unterhaltsberechtigten Ehegatten über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, zur Überprüfung der Unterhaltspflicht.

Geltendmachung und Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs

Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem überlebenden geschiedenen Ehegatten und dem Erben ist das Familiengericht zuständig (§ 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz), § 621 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 5 ZPO (Zivilprozessordnung). Erst in jüngster Vergangenheit hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein gegen den verstorbenen Unterhaltspflichtigen existierender Unterhaltstitel gem. § 727 ZPO gegen die Erben umgeschrieben werden kann. Der Erbe riskiert deshalb die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen, wenn er die Unterhaltszahlung nach dem Erbfall einfach einstellt.

Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es in jedem Fall wegen des rechtlich komplizierten Zusammenspiels von Familien- und Erbrecht bei der Regelung des § 1586 b BGB ratsam ist, fachkundigen Rat einzuholen. Vermeiden lässt sich die gesamte Problematik, wenn die nacheheliche Unterhaltspflicht nicht durch das Familiengericht entschieden, sondern einvernehmlich zwischen den Parteien vereinbart wird. In einer solchen Vereinbarung zwischen den Eheleuten kann z.B. festgelegt werden, dass die Pflicht zur Zahlung von Unterhalt mit dem Ableben des Unterhaltspflichtigen erlischt. Leider wird in der Rechtspraxis auch bei einvernehmlicher Regelung des zu zahlenden Unterhalts die Frage, was beim Tod des Unterhaltsverpflichteten geschehen soll, viel zu selten mit einbezogen.

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