Das Verfahren vor dem Familiengericht
Für Ehesachen und andere Familiensachen ist ausschließlich das Familiengericht zuständig. Das Familiengericht ist eine Abteilung des Amtsgerichts.
Sachliche Zuständigkeit des Familiengerichts
Das Familiengericht ist sachlich zuständig für:
Ehesachen – das sind Verfahren auf Scheidung der Ehe (Scheidungssachen),
Aufhebung der Ehe und Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Beteiligten;
Kindschaftssachen – das sind insbesondere Verfahren über die Regelung der elterlichen Sorge für ein Kind,
die Regelung des Umgangsrechts des Kindes sowie die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil;
Abstammungssachen – das sind Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses, Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und Anordnung der Duldung einer Probeentnahme, Einsicht in ein Abstammungsgutachten oder Aushändigung einer Abschrift oder Anfechtung der Vaterschaft;
Adoptionssachen;
Ehewohnungs- und Haushaltssachen;
Gewaltschutzsachen, also Verfahren über gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen und zur Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung nach dem Gewaltschutzgesetz (nähere Informationen finden Sie in der Broschüre „Mehr Schutz bei häuslicher Gewalt“ auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz unter www.bmj.de/publikationen);
Versorgungsausgleichssachen;
Unterhaltssachen, also Verfahren, die die durch Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht, die durch Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht oder Unterhalt und Kosten aus Anlass der Geburt eines Kindes betreffen;
Güterrechtssachen, also Verfahren, die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht, insbesondere über den Zugewinnausgleich, betreffen;
Sonstige Familiensachen – das sind Verfahren, die:
Ansprüche zwischen miteinander verlobten oder ehemals verlobten Personen im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses,
aus der Ehe herrührende Ansprüche (Beispiel: Mitwirkung bei der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung),
Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe (Beispiel: vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten außerhalb des Güterrechts; Rückabwicklung von Zuwendungen der [Schwieger-]Eltern, die im Vertrauen auf den Bestand der Ehe vorgenommen wurden),
Vor dem Familiengericht
aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührende Ansprüche oder
aus dem Umgangsrecht herrührende Ansprüche (Beispiel: Ersatz eines Schadens, der wegen Nichteinhaltung eines Umgangstermins entstanden ist)
betreffen, sowie
Lebenspartnerschaftssachen.
Örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts
Welches Familiengericht für Ehesachen örtlich ausschließlich zuständig ist, bestimmt sich in folgender Reihenfolge (§ 122 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG):
das Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts des Elternteils, bei dem alle gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder sind;
das Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts des Elternteils, bei dem ein Teil der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder sind, wenn bei dem anderen Elternteil keine gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder sind;
das Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts des Ehegatten, der am letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten lebt;
das Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts der Antragsgegnerin oder des Antragsgegners;
das Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts der Antragstellerin oder des Antragstellers;
das Amtsgericht Schöneberg in Berlin.
Für Anträge zu anderen Familiensachen, über die gesondert – das heißt nicht im Verbund mit der Ehescheidung – entschieden werden soll, richtet sich die örtliche ausschließliche Zuständigkeit des Familiengerichts
bei Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder oder volljähriger unverheirateter Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes bzw. des Elternteils, der dazu befugt ist, für das minderjährige Kind zu handeln. An diesem Gericht kann gleichzeitig mit einem Antrag auf Kindesunterhalt auch ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt oder auf Unterhalt und Kosten aus Anlass der Geburt eines Kindes beantragt werden (§ 232 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 FamFG);
bei anderen Unterhaltsansprüchen in der Regel nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der unterhaltspflichtigen Person (§ 232 Absatz 3 Satz 1 FamFG, §§ 12 ff. der Zivilprozessordnung – ZPO);
bei Kindschaftssachen in der Regel nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes (§ 152 Absatz 2 FamFG);
bei Ehewohnungs- und Haushaltssachen nach dem Ort der gemeinsamen Wohnung der Ehegatten, ansonsten nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Antragsgegnerin oder des Antragstellers und zuletzt nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Antragstellerin oder des Antragstellers (§ 201 FamFG);
bei Gewaltschutzsachen entweder nach dem Ort, an dem die Tat begangen wurde oder nach dem Ort der gemeinsamen Wohnung oder nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Antragsgegnerin oder des Antragsgegners (§ 211 FamFG).
Vor dem Familiengericht
Rechtsanwaltliche Vertretung
Wer eine Ehesache vor Gericht bringen will, also auch wer geschieden werden will, muss sich durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt vertreten lassen.
Auch die Antragsgegnerin oder der Antragsgegner braucht eine anwaltliche Vertretung, wenn Anträge gestellt werden sollen. Dies gilt auch für Scheidungsfolgesachen, das heißt für Verfahren, über die zusammen mit der Scheidung zu verhandeln und zu entscheiden ist (siehe hierzu Abschnitt 5.2.2). Anwaltliche Vertretung ist allerdings dann nicht notwendig, wenn die Antragsgegnerin oder der Antragsgegner lediglich dem Scheidungsantrag oder dessen Rücknahme zustimmen oder die Zustimmung zum Scheidungsantrag widerrufen möchte.
In Unterhaltssachen, Güterrechtssachen und sonstigen Familiensachen, die Familienstreitsachen sind (§ 112 FamFG), müssen sich die Beteiligten vor dem Familiengericht ebenfalls anwaltlich vertreten lassen, sofern das Verfahren nicht als Folgesachen im Verbund mit der Scheidung steht.
Wer nicht dazu in der Lage ist, die Verfahrenskosten zu tragen oder für wen dies nur zum Teil oder in Raten möglich ist, kann beim Familiengericht Verfahrenskostenhilfe beantragen. Nähere Informationen hierzu finden Sie in der
Broschüre „Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe“ auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz unter www.bmj.de/publikationen.
Einstweilige Anordnung
Bei einer Ehescheidung ist es manchmal im Interesse eines Ehegatten, die rechtlichen Beziehungen zu dem anderen möglichst schnell vorläufig regeln zu lassen, bis über die Ehesache endgültig entschieden worden ist. In solchen Fällen kann das Familiengericht auf Antrag oder von Amts wegen einstweilige Anordnungen treffen. Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein selbständiges Verfahren. Es hängt also nicht von einem Hauptsacheverfahren ab.
Im Verfahren der einstweiligen Anordnung müssen sich die Beteiligten nicht anwaltlich vertreten lassen.
Anhörung der Eheleute und der Kinder
Bei einer Ehesache soll das Familiengericht das persönliche Erscheinen der Ehegatten anordnen und sie anhören.
Wenn aus der Ehe gemeinschaftliche minderjährige Kinder hervorgegangen sind, hört das Gericht die Ehegatten auch zur elterlichen Sorge und zum Umgangsrecht an und weist sie auf die Möglichkeiten der Beratung durch Jugendhilfe und Beratungsstellen hin.
In Verfahren, die die Personensorge für ein Kind betreffen, muss das Familiengericht in aller Regel das Kind persönlich anhören.
Besonderheiten beim Scheidungsverfahren
Inhalt des Scheidungsantrags
Die Antragsschrift muss enthalten:
Namen und Geburtsdaten der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder sowie die Mitteilung ihres gewöhnlichen Aufenthalts,
die Erklärung, ob die Ehegatten eine Regelung über die elterliche Sorge, das Umgangsrecht und den Kindesunterhalt sowie den Ehegattenunterhalt und die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen getroffen haben und
die Angabe, ob Familiensachen, an denen beide Ehegatten beteiligt sind, bei einem anderen Gericht anhängig sind.
Der Antragsschrift sollen Abschriften der Heiratsurkunde und der Geburtsurkunden der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder beigefügt werden.
Verfahrensverbund
Das Familiengericht verhandelt über den Scheidungsantrag und die rechtzeitig anhängig gemachten Scheidungsfolgesachen zusammen und entscheidet über sie auch grundsätzlich zur gleichen Zeit (sogenannter Scheidungsverbund). Die Scheidung soll also im Regelfall erst ausgesprochen werden, wenn Klarheit über alle Folgesachen besteht.
Der Scheidungsverbund zielt darauf ab, dass für die Beteiligten nach der Scheidung nichts mehr offen und ungewiss ist. Dies hat den Vorteil, dass die Beteiligten über alle Konsequenzen bei der Scheidung im Bilde sind, insbesondere über die wirtschaftlichen Folgen. Besonders für den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten ist dies bedeutsam, denn seine Rechte werden vor dem Ausspruch der Scheidung gesichert.
Dadurch, dass alle Verfahren bei einer Richterin oder einem Richter zusammengefasst und zeitlich konzentriert werden, erhält das Familiengericht auch einen vertieften Einblick in die Situation der Ehe und Familie und kann helfen, sachgerechte und aufeinander abgestimmte Entscheidungen herbeizuführen.
Im Scheidungsverbund werden vom Familiengericht verhandelt und entschieden:
Versorgungsausgleichssachen – auch ohne Antrag eines Beteiligten;
Unterhaltssachen, die die Unterhaltspflicht gegenüber einem gemeinschaftlichen minderjährigen Kind oder die durch Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht betreffen, wenn diese spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache von einem Ehegatten anhängig gemacht werden;
Ehewohnungs- und Haushaltssachen sowie Güterrechtssachen, wenn diese spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache von einem Ehegatten anhängig gemacht werden;
Kindschaftssache, die die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge, das Umgangsrecht oder die Herausgabe eines gemeinschaftlichen minderjährigen Kindes der Ehegatten oder das Umgangsrecht eines Ehegatten mit dem minderjährigen Kind des anderen Ehegatten betreffen. Diese Verfahren gelangen jedoch nur in den Verbund, wenn ein Ehegatte vor Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache die Einbeziehung in den Verbund beantragt und das Gericht dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält.
Abtrennung von Folgesachen
Nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen kann das Familiengericht dem Scheidungsantrag stattgeben, bevor über die Folgesachen entschieden worden ist. Dies ist zum Beispiel dann möglich, wenn sich der Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass dies auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde.
Kosten
In aller Regel tragen die Ehegatten die Gerichtskosten der Scheidungssache und der Folgesachen zur Hälfte, daneben trägt jeder Ehegatte seine Anwaltskosten selbst. In besonderen Fällen kann das Gericht die Kosten nach billigem Ermessen anderweitig verteilen, insbesondere wenn eine hälftige Kostenteilung mit Blick auf das Ergebnis einer als Folgesache geführten Unterhalts- oder Güterrechtssache unbillig wäre.