Hinweise und Tipps rund um die Ehescheidung

Das Erbrecht in der Ehekrise

Handlungsbedarf bei Getrenntleben und bei Scheidung


Viele Eheleute, die von ihrem Ehepartner getrennt oder in Scheidung leben, konsultieren mehr oder weniger regelmäßig ihren Rechtsanwalt, um Fragen des Unterhalts, der elterlichen Sorge, des Zugewinn- und Versorgungsausgleichs zu regeln. Vielfach vergessen sie dabei aber, dass auch das Thema Erbrecht in einer Ehekrise dringend durchleuchtet und der jeweiligen Situation angemessen gestaltet werden muss.

Viele Eheleute bedenken nicht, dass im Falle des Getrenntlebens, das sich oft über mehrere Jahre hinzieht, eine letztwillige Erbeinsetzung durch Testament oder Erbvertrag weitergilt. Auch Bezugsrechte aus Lebensversicherungsverträgen oder Verträgen zugunsten Dritter, Bankvollmachten, Vorsorgevollmachten, Betreuungs- und Patientenverfügungen behalten im Falle des Getrenntlebens ihre Gültigkeit. Um für den Fall des Todes eines Ehepartners während des Getrenntlebens unliebsame Überraschungen zu vermeiden, sollte in der Ehekrise genau geprüft werden, ob früher einmal getroffene Regelungen zugunsten des Ehegatten weiterhin gelten sollen.

Da dies in den meisten Fällen nicht anzunehmen ist, sollten diese Rechtsbefugnisse und –positionen – soweit gesetzlich möglich – schnellstens widerrufen und beseitigt werden.

Erlöschen der Erbberechtigung durch Scheidung

Eine entscheidende Zäsur in der Rechtslage tritt erst dann ein, wenn die Ehe tatsächlich geschieden wurde oder wenn der verstorbene Ehepartner den Scheidungsantrag gestellt oder der Scheidung zugestimmt hat. Für diesen Fall sieht das Gesetz vor, dass sowohl das Erb- als auch das Pflichtteilsrecht des anderen Ehepartners insgesamt erlöschen (§§ 1933 BGB, 2077 Abs. 1 BGB, 2268 und 2279 Abs. 1 BGB). Vor diesem Zeitpunkt ist es nicht möglich, den Partner vollständig von der Erbfolge auszuschließen, denn selbst wenn er durch ein neues Testament ausdrücklich enterbt wird, steht ihm immer noch der Pflichtteil zu, ein auf Geld gerichteter Anspruch gegen den oder die Erben in Höhe der Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils. Ein Testament zugunsten des Ehegatten kann jedoch ausnahmsweise auch nach der Scheidung noch wirksam bleiben, wenn die in diesem Testament getroffenen Vereinbarungen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung auch für den Fall der Scheidung als gewollt anzusehen sind (sog. Fortgeltungswille). Einen derartigen Fortgeltungswillen hat die Rechtsprechung bisher in den Fällen angenommen, in denen die Eheleute sich nicht gegenseitig zu Alleinerben, sondern auf den Tod des Zuerstverstorbenen jeweils ihre gemeinsamen Kinder zu Erben einsetzen. Anders ist die Frage des Fortgeltungswillens aber schon zu beantworten, wenn die Kinder zu Erben eingesetzt, aber dem Überlebenden ein Nießbrauchsrecht am gesamten Nachlass eingeräumt worden ist (OLG Frankfurt a.M. Beschluss vom 17.10.2003, AZ: 20 W 45/02). Das Testament selbst, das möglicherweise in Anlehnung an ein Formularbuch privatschriftlich errichtet worden ist, gibt in den seltensten Fällen Aufschluss darüber, ob es auch nach einer Scheidung weitergehen soll oder nicht. Gerade in den Fällen, in denen sich nach einer Scheidung ein Ehepartner einem anderen Partner zuwendet, mit diesem eine nichteheliche Lebensgemeinschaft begründet und zu dessen Gunsten ein Testament errichtet, ist die Frage, ob dieses neue Testament wirksam ist, oft von existenzieller Bedeutung für den neuen Partner.

Aufhebung eines früheren Testaments

Ein Testament, das ein Ehegatte allein errichtet hat, kann er leicht wiederaufheben, indem er

• die Testamentsurkunde vernichtet (dann gilt bis zur Errichtung eines neuen Testamtens die gesetzliche Erbfolge),

• ein neues, abweichendes Testament errichtet,

• ein notariell errichtetes Testament aus der amtlichen Verwahrung
zurücknimmt.

Problematischer ist die Aufhebung eines gemeinsamen mit dem geschiedenen Partner errichteten Ehegattentestaments: Das gemeinschaftliche Testament kann nur durch notariellen Widerruf und dessen Zustellung an den geschiedenen Ehepartner durch den Gerichtsvollzieher widerrufen werden (§§2271, 2296 BGB). Wenn also der Erblasser ein privatschriftliches Testament zugunsten seines neuen Partners errichtet, entspricht dieses Testament gerade nicht den gesetzlichen Widerrufsvorschriften.

Bisher versuchte eine bedeutende Meinung in der Literatur das neue privatschriftliche Testament dadurch zu retten, dass mit der Scheidung die Bindung und Wechselbezüglichkeit des ursprünglichen gemeinschaftlichen Testamentes mit der Folge entfallen soll, dass der Erblasser berechtigt ist, ein neues Testament –ohne den förmlichen Widerruf des früheren Testaments – zu errichten. Dieser Auffassung ist der BGH in einer Entscheidung vom 7.7.2004 AZ IV ZR 187/03, entgegengetreten und hat insoweit klargestellt, dass ein Testament ursprünglich mit einem tatsächlichen oder hypothetischen Fortgeltungswillen gemeinsam von beiden Ehegatten errichtet worden ist, nicht einfach durch ein neues Testament widerrufen werden kann, sondern dass es hier eines förmlichen Widerrufs und der Zustellung durch den Gerichtsvollzieher bedarf. Dieses Urteil gilt allerdings nur für die Fälle, in denen das ursprüngliche Testamten der geschiedenen Eheleute von einem Fortgeltungswillen getragen war.


Auslegungsprobleme vermeiden


Weil die meisten gemeinschaftlichen Testamente keine Aussagen zu einem eventuellen Fortgeltungswillen enthalten, haben die Gerichte hier erhebliche Auslegungsprobleme, den tatsächlichen oder hypothetischen Erblasserwillen im Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments zu ermitteln. Vor dem Hinterrund der Rechtsprechung des BGH ist es deshalb ratsam, sowohl in privatschriftlichen als auch in notariellen Ehegattentestamenten ausdrücklich klarzustellen, ob die darin getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen auch für den Fall einer Scheidung als gewollt anzusehen sind oder nicht.
Wenn im Testament eindeutig festgelegt ist, dass es nicht für den Fall einer Scheidung gelten soll, ergeben sich in der Praxis die oben geschilderten Probleme nicht. In Fällen, in denen eine Korrektur des ursprünglichen gemeinschaftlichen Testamentes nicht mehr möglich ist, sollte vor Errichtung eines neuen Testamentes ein förmlicher Widerruf an den geschiedenen Ehepartner zugestellt werden. Nur so kann der geschiedene Ehegatte sicher sein, dass er ein neues Testament wirksam errichten und seinen neuen Partner damit absichern kann.