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Versorgungsausgleich bei privaten Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

XII ZB 325/11

vom

18. April 2012

in der Familiensache

Nachschlagewerk: ja

BGHZ: nein

BGHR: ja

VersAusglG § 2 Abs. 2 Nr. 3

Private Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht unterfallen nach Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht mehr dem Versorgungsausgleich, selbst wenn das Kapitalwahlrecht nach Ende der Ehezeit vor der letzten tatrichterlichen Ent-scheidung ausgeübt wurde. Es kommt lediglich ein güterrechtlicher Ausgleich in Betracht (im Anschluss an die Senatsbeschlüsse vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931; BGHZ 153, 393 = FamRZ 2003, 664 und vom 19. März 2003 - XII ZB 42/99 - FamRZ 2003, 923).

BGH, Beschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 325/11 - KG Berlin

AG Tempelhof-Kreuzberg - 2 –

 

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. April 2012 durch die Richter Dose, Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 24. Mai 2011 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.000 €

Gründe:

I.

Die Eheleute streiten um die Einbeziehung einer privaten Altersrenten-versicherung in den Versorgungsausgleich nach Ausübung des Kapitalwahl-rechts.

Auf die am 10. und 11. Dezember 2009 wechselseitig zugestellten An-träge hat das Familiengericht die am 30. Dezember 2004 geschlossene Ehe der Antragstellerin (Ehefrau) und des Antragsgegners (Ehemann) - insoweit rechts-kräftig - geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.

Beide Eheleute erwarben während der Ehezeit (1. Dezember 2004 bis 30. November 2009, § 3 Abs. 1 VersAusglG) Anwartschaften in der gesetzli-chen Rentenversicherung, von deren Ausgleich das Familiengericht wegen nur geringer Differenz der Ausgleichswerte gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG abge-sehen hat. Daneben erwarb der Ehemann während der Ehezeit Anrechte aus einer privaten fondsgebundenen Rentenversicherung, die das Familiengericht gemäß § 10 VersAusglG intern geteilt hat. Zusätzlich erwarb der Ehemann Anrechte aus einer privaten Rentenver-sicherung bei der Victoria Lebensversicherung AG mit einem ehezeitlichen Ka-pitalwert von 24.579,40 €. Für diese Versicherung übte er am 17. Oktober 2010 das ihm vertraglich eingeräumte Kapitalwahlrecht aus. Die Teilungsordnung des Versicherers sieht vor, dass private Rentenversicherungen dem Versorgungs-ausgleich unterliegen, soweit nicht zum Ehezeitende das Kapitalwahlrecht aus-geübt wurde.

Das Familiengericht hat die Durchführung des Versorgungsausgleichs für das Anrecht abgelehnt, da es sich nach Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht mehr um eine ausgleichsfähige Rentenanwartschaft handle. Das Kammerge-richt hat die Beschwerde der Ehefrau, mit der sie die Einbeziehung der privaten Lebensversicherung des Ehemannes bei der Victoria Lebensversicherung AG begehrt, zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Ehefrau ihr Beschwerdeziel weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft. An die Zulassung durch das Oberlandesgericht ist der Senat gebunden (§ 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Die Rechtsbeschwerde ist auch sonst zulässig, hat in der Sa-che aber keinen Erfolg.

1. Das Kammergericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt: Das Anrecht des Ehemannes bei der Victoria Lebensversicherung AG unterliege nicht dem Versorgungsausgleich, da es nach der Ausübung des Ka-pitalwahlrechtes nicht mehr auf eine Rentenleistung gerichtet sei und auch kei-ne der in § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG genannten Versicherungsformen vorliege. Dies gelte auch, wenn das Kapitalwahlrecht erst nach dem Ende der Ehe-zeit ausgeübt worden sei. Maßgeblich sei, dass das Anrecht im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr dem Versorgungsausgleich unterworfen werden könne.

Auch ein Ausgleich nach § 22 VersAusglG sei nicht möglich. Vorausset-zung hierfür sei nämlich, dass ein noch nicht ausgleichsreifes Anrecht im Sinne von § 19 VersAusglG vorliege. Ein solches bestehe jedoch nicht, vielmehr un-terliege der Anspruch dem Zugewinnausgleich.

Daran ändere auch nichts die in der Teilungsordnung des Versicherers enthaltene Regelung, nach der private Rentenversicherungen dem Versor-gungsausgleich unterliegen, soweit nicht zum Ehezeitende das Kapitalwahl-recht ausgeübt worden sei. Damit solle nur die gesetzliche Lage wiedergege-ben werden, wonach grundsätzlich alle zum Ehezeitende bestehenden Anrech-te in den Versorgungsausgleich einzubeziehen seien. Zu dem besonderen Fall, dass das Kapitalwahlrecht nachträglich bis zur Entscheidung ausgeübt werde, verhalte sich die Regelung nicht. Mit der privatrechtlichen Teilungsordnung könne ohnehin nicht darüber verfügt werden, welche Anrechte dem Versor-gungsausgleich unterliegen, da dieses gesetzlich geregelt sei. Eine Korrektur der möglicherweise treuwidrigen Ausübung des Kapitalwahlrechts komme nicht in Betracht.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, können nur die im Zeit-punkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung noch dem Versorgungsausgleich unterfallenden Anrechte in diesen einbezogen werden (Senatsbeschlüsse vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 13; BGHZ 153, 393 = FamRZ 2003, 664, 665; vom 19. März 2003 - XII ZB 42/99 - FamRZ 2003, 923 f.; vom 19. Oktober 1994 - XII ZB 158/93 - FamRZ 1995, 31 und vom 18. September 1991 - XII ZB 92/89 - FamRZ 1992, 45, 46). Der Versorgungs-ausgleich ist grundsätzlich auf den Ausgleich von Renten zugeschnitten (Se-natsbeschlüsse vom 19. März 2003 - XII ZB 42/99 - FamRZ 2003, 923 f. und vom 13. Januar 1993 - XII ZB 75/89 - FamRZ 1993, 684, 685). Anrechte aus einer privaten Kapitalversicherung sind schon deswegen nicht im Versorgungs-ausgleich zu berücksichtigen, weil sie nicht auf eine Rente, sondern auf Aus-zahlung eines Kapitalbetrages gerichtet sind, über den der Berechtigte frei ver-fügen kann (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 13). Dies gilt auch, wenn der Berechtigte einer privaten Ren-tenversicherung von dem vertraglich vereinbarten Kapitalwahlrecht Gebrauch gemacht hat. Unerheblich ist somit, ob sich der private Versicherungsvertrag von Beginn an auf eine Kapitalversicherung bezog oder ob im Falle einer Ren-tenversicherung bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts das vereinbarte Kapitalwahlrecht ausgeübt worden ist. In beiden Fällen unterliegt das ehezeit-lich erworbene Anrecht nicht (mehr) dem Versorgungsausgleich, sondern ist einer Berücksichtigung im Zugewinnausgleich vorbehalten (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 13; vgl. Senats-beschlüsse BGHZ 153, 393 = FamRZ 2003, 664, 665 und vom 19. März 2003 - XII ZB 42/99 - FamRZ 2003, 923 f.; vgl. auch Ruland Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 157; Borth Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 71).

Einer Berücksichtigung des erst nach Ende der Ehezeit ausgeübten Ka-pitalwahlrechts steht auch das Stichtagsprinzip der §§ 3 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 2 VersAusglG nicht entgegen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung eines Anrechts ist zwar nach § 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG das Ende der Ehezeit. Rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit sind jedoch zu berücksichtigen, wenn sie auf den Ehezeitanteil zurückwirken (§ 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG). Die spätere Ausübung des Kapitalwahlrechts wirkt sich zwar nicht auf den Wert des Anrechts aus, aber auf dessen Ausgleichsform (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 14). Die Rechtsposition des Ehemanns aus dem Versicherungsvertrag mit der Victoria Lebensversicherung AG ist durch die Ausübung des Kapitalwahl-rechts nicht ersatzlos untergegangen, sondern hat sich in ein Anrecht auf Zah-lung des vereinbarten Kapitals gewandelt (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 153, 393, 398 = FamRZ 2003, 664, 665). Umgekehrt ist dieses Kapitalrecht auch nicht nach dem Stichtagsprinzip des § 1384 BGB dem Zugewinnausgleich ent-zogen. Auch wenn das Anrecht ursprünglich noch auf ein Rentenrecht gerichtet war, war es bereits als wirtschaftlicher Wert bei Rechtshängigkeit des Schei-dungsantrags im Endvermögen des Berechtigten vorhanden. Der bloße Wech-sel der Ausgleichsform schließt es nicht aus, das Anrecht nach Ausübung des Kapitalwahlrechts mit diesem Wert in die Zugewinnausgleichsbilanz einzustel-len (Senatsbeschlüsse vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 14 und BGHZ 153, 393 = FamRZ 2003, 664, 666).

Hierdurch wird auch der Halbteilungsgrundsatz nicht verletzt (vgl. die Kri-tik von Deisenhofer FamRZ 2003, 745), da dieser Vermögenswert im Zuge-winnausgleichsverfahren ausgeglichen wird. In den Fällen, in denen es etwa aufgrund von vereinbarter Gütertrennung zu einem Nichtausgleich kommt, ist dies Folge eines unter notarieller Beratung geschlossenen Vertrages über den Güterstand (vgl. Senatsbeschluss vom 19. März 2003 - XII ZB 42/99 - FamRZ 2003, 923, 924) und nicht Folge dessen, dass solche Ansprüche nicht dem Versorgungsausgleich unterliegen.

b) Hieran hat sich durch die Neuregelung des Versorgungsausgleichs durch das am 1. September 2009 in Kraft getretene Versorgungsausgleichsge-setz für private Lebensversicherungen nichts geändert (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 15) aa) Auch gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG sind Anrechte grundsätz-lich nur dann im Versorgungsausgleich auszugleichen, wenn sie auf eine Rente gerichtet sind. Eine Ausnahme ist vorgesehen für Anrechte im Sinne des Be-triebsrentengesetzes oder des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes (AltZertG), diese sind unabhängig von der Leistungsform auszugleichen. Weder private Kapitallebensversicherungen noch private Rentenversicherungen nach Ausübung des vereinbarten Kapitalwahlrechts unterfallen dieser Ausnahmere-gelung (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 16). Auch nach den übrigen Vorschriften des neuen Versorgungsaus-gleichsgesetzes ist eine Einbeziehung dieses Anspruchs in den Versorgungs-ausgleich nicht gerechtfertigt (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 16).

Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG ist eindeutig und schließt eine Erstreckung der von der Leistungsform unabhängigen Einbeziehung in den Versorgungsausgleich auf private Lebensversicherungen aus. Für eine Auswei-tung der Ausnahmen gibt der Wortlaut nichts her (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 17). Mit der Aufnah-me der beiden Ausnahmen des § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG hat der Gesetzge-ber indirekt den Ausschluss der übrigen privaten Kapitallebensversicherungen aus dem Versorgungsausgleich bestätigt (Ruland Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 159).

Auch eine teleologische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die vom Gesetzgeber als Ausnahmen geregelten Fälle sind weder mit privaten Kapitallebensversicherungen noch mit privaten Rentenversicherungen nach Ausübung des Kapitalwahlrechts vergleichbar. Anders als diese haben private Lebensversicherungen schon strukturell nicht stets Vorsorgecharakter (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 18). Sie weisen keinen primären Altersvorsorgecharakter auf, sondern die-nen vielfach auch dem Konsum (Glockner/Hoenes/Weil Der neue Versorgungs-ausgleich Rn. 21; vgl. Hauß/Eulering Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis Rn. 75). Zudem kann die ausgleichspflichtige Person schon in der Anwartschaftsphase über das angesparte Kapital verfügen, z.B. durch eine vor-zeitige Kündigung. Dies ist bei Anrechten der betrieblichen Altersversorgung regelmäßig nicht möglich (BT-Drucks. 16/10144 S. 47). Anrechte nach dem Al-tersvorsorge-Zertifizierungsgesetz können nicht in einen reinen Kapitalbetrag umgewandelt werden (BT-Drucks. 16/10144 S. 47; vgl. Johann-sen/Henrich/Hahne Familienrecht 5. Aufl. § 2 VersAusglG Rn. 14; Borth Ver-sorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 72).

Weiter spricht der Wille des Gesetzgebers gegen eine Ausweitung der Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG auf private Rentenversiche-rungen nach Ausübung eines Kapitalwahlrechts. Das Beschwerdegericht hat zu Recht ausgeführt, dass der Gesetzgeber deren Einbeziehung bewusst abge-lehnt hat. Denn er hat die Neuregelung in Kenntnis der Rechtsprechung des Senats zur Einordnung der Anrechte aus einer Rentenversicherung mit Kapi-talwahlrecht geschaffen (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 19). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat er in Kenntnis der Rechtsprechung des Senats ausdrücklich auf Anrechte im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder des Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetzes begrenzt. Schließlich wäre die Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG auch überflüssig, wenn Kapitalversicherungen nach anderen Vorschriften des Ver-sorgungsausgleichsgesetzes stets in den Versorgungsausgleich einbezogen werden müssten (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - Fa-mRZ 2011, 1931 Rn. 19). bb) Eine analoge Anwendung auf private Kapitalversicherungen nach Ausübung des Kapitalwahlrechts kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dafür fehlt es bereits an einer unbewussten Regelungslücke, weil der Gesetzgeber die Regelung bewusst auf ihren unmittelbaren Inhalt beschränkt und nicht auf wei-tere Kapitalversicherungen erstreckt hat (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 20).