Scheidungsrecht Rechtsprechung: Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Ehevertrag, Düsseldorfer Tabelle

Unterhalt - Karrieresprung? Vom Oberarzt zum Chefarzt

OLG Celle, Urteil vom 07.11.2007 - 15 UF 56/07; BeckRS 2008, 16053

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Abänderung eines Urteils über Trennungsunterhalt. Die Parteien leben seit Mitte 1999 getrennt; Ende 1999 ist die Klägerin ausgezogen. Durch OLG-Urteil vom 14.04.2004 wurde der Beklagte zur Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 845 Euro verurteilt; Grundlage war ein Erwerbseinkommen des Beklagten aus seiner Tätigkeit als Oberarzt. Im Juli 2004 wurde der Beklagte zum Chefarzt berufen, er erzielt seitdem erhebliche Einkünfte aus Privatliquidationen. Unter Berufung hierauf hat die Klägerin Abänderung des OLG-Urteils begehrt. Das AG hat Beweis erhoben und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin war nur im geringen Umfang erfolgreich.

Rechtliche Wertung

Trotz des Grundsatzes, dass für den Trennungsunterhalt auf die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen ist, an deren Entwicklung die Ehegatten grundsätzlich bis zur Rechtskraft der Scheidung gemeinschaftlich teilhaben, hat das OLG im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Beklagten dessen (fortgeschriebene) Einkünfte aus der bis Juni 2004 ausgeübten Tätigkeit als Oberarzt zugrunde gelegt; sein deutlich höheres Einkommen als Chefarzt habe die Lebensverhältnisse der Parteien nicht geprägt. Für den Trennungsunterhalt sei die Frage, ob eine eheprägende Einkommensentwicklung vorliege, nach den zum Zeitpunkt der Trennung maßgeblichen Verhältnissen zu entscheiden, nicht nach den Umständen zum Zeitpunkt der (hier noch nicht vorliegenden) Rechtskraft der Scheidung. Der Auffassung, dass an dieser bisherigen Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr festzuhalten sei mit der Folge, dass es bei der Bemessung des Bedarfs stets auf die aktuellen Einkünfte des Schuldners ankomme (so OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2006 - 7 UF 154/06, BeckRS 2007, 04852) könne nicht gefolgt werden. Sie stehe im Widerspruch zu der aktuellen Rechtsprechung des BGH zum «Karrieresprung»: Danach könnten sich erst nach Scheidung eintretende Einkommensverbesserungen nur dann bedarfssteigernd auswirken, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde liege, die aus der Sicht zum Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei und wenn diese Entwicklung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits geprägt habe; außerdem müssten die Eheleute in der Lage gewesen sein, ihren Lebenszuschnitt vernünftigerweise schon darauf einzustellen.

Vorliegend hätten die Parteien zum Zeitpunkt der Trennung noch nicht mit so hoher Wahrscheinlichkeit mit der späteren Tätigkeit des Beklagten als Chefarzt rechnen können, als dass sie ihren Lebenszuschnitt hierauf bereits eingerichtet hätten. Zu dieser Beurteilung komme man aufgrund der Besonderheiten der Klinik im Rahmen der Beförderung des Beklagten, der dadurch bedingten Steigerung der Einkünfte sowie des zeitlichen Zusammenhangs. Maßgeblich sei auch, inwieweit sich die Tätigkeit des Beklagten als Chefarzt als durch die Lebensgemeinschaft der Parteien zumindest mitbegründete gemeinsame Leistung der Eheleute darstelle und diese in der aktuellen beruflichen Situation des Schuldners weiterhin ihren Ausdruck finde. Auch wenn – entgegen der Behauptung des Beklagten – in seinem Krankenhaus als Chefärzte nicht generell externe Bewerber bevorzugt würden (außer dem Beklagten seien noch zwei weitere dort tätige Oberärzte zu Chefärzten berufen worden), könne man daraus nicht den Schluss ziehen, dass die «Beförderung» des Beklagten bei Trennung schon absehbar gewesen sei. Darüber hinaus weise der besondere berufliche Einsatz weder zeitlich noch von seinem Umfang her einen Bezug zur Lebensgemeinschaft der Parteien auf; von daher liege keine gemeinsame Lebensleistung vor, die ihren Ursprung in der Lebensgemeinschaft der Parteien hatte. Zu berücksichtigen sei auch das – statistisch belegte – Verhältnis von Oberärzten zu Chefärzten in Deutschland; der geringen Anzahl von Stellen stehe eine Vielzahl von fachlich geeigneten Bewerbern gegenüber. Während die Auswahlentscheidung bei Regelbeförderung hinreichend abschätzbar erscheine, bestünden für Chefarztstellen nur Erwartungen bzw. vage Hoffnungen. Auch die Höhe der Gehaltssteigerung sei zu berücksichtigen; hier wird auf die «20-Prozent-Entscheidung» des OLG Köln (Beschluss vom 29.12.2003 - 14 WF 180/03, FamRZ 2004, 1114) verwiesen.

Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG Celle enthält den wichtigen Hinweis darauf, dass selbst beim Trennungsunterhalt nicht schematisch auf die aktuellen Verhältnisse abgestellt werden kann. Im Bereich des nachehelichen Unterhalts muss dies jedenfalls bei Einkommenssteigerungen auch nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH zu den «wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen» ausscheiden, weil es dort – wie früher – nach den Kriterien zum «Karrieresprung» weiterhin darauf ankommt, ob die spätere Entwicklung zum Zeitpunkt der Scheidung bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussehbar war und sich die Eheleute auf diese zukünftige Entwicklung damals schon einstellen konnten. Aber auch beim Trennungsunterhalt kommt es – hier aus der Sicht des Trennungszeitpunktes – auf die entsprechende Vorhersehbarkeit an. Von daher hat das OLG eine Bedarfsprägung durch die erst fünf Jahre nach Trennung eintretende Beförderung und die entsprechend höheren Einkünfte zu Recht abgelehnt trotz des Umstandes, dass man sich noch in der Trennungszeit befand.

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