Urteil OLG Karlsruhe vom 18.02.2013 - 18 UF 13/11: FamFR 2013, 213:
Umgangsrecht bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch des Kindes
1. Steht der Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Raum, entscheidet sich die Frage, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen in Bezug auf den Umgang des Kindes mit dem verdächtigten Elternteil zu treffen sind, nach dem Grad der Gewissheit, mit dem die Frage, ob ein sexueller Missbrauch tatsächlich stattgefunden hat, beantwortet werden kann.
Umgangseinschränkende Anordnungen, aufgrund derer ein Umgang beispielsweise nur in beschützter oder begleiteter Form stattfinden kann, dürfen gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BGB - unter Wahrung des Grundsatzes des Verhältnismäßigkeit - nur getroffen werden, wenn die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen vorliegen. Insoweit bedarf es der Feststellung einer konkreten, in der Gegenwart bestehenden Gefährdung des Kindeswohls.
Ist der Nachweis eines sexuellen Missbrauchs geführt, ist der Umgang häufig auszuschließen und an Hand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob und gegebenenfalls unter welchen zeitlichen Vorgaben eine vorsichtige - begleitete - Neuanbahnung des Umgangs in Betracht kommt.
Kann ein sexueller Missbrauch nicht nachgewiesen werden, ist eine Risikoabwägung vorzunehmen:
Sofern gesicherte Anzeichen dafür vorhanden sind, dass der Vorwurf zutreffen könnte, liegt eine Gefährdung der körperlichen oder seelischen Entwicklung des Kindes vor. Kann diese Gefahr nicht auf andere Weise als durch eine Einschränkung des Umgangs ausreichend sicher abgewehrt werden, müssen diejenigen Maßnahmen getroffen werden, die nach den Umständen des Falles unumgänglich sind, um die Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden. Vorrangig kommt insoweit die Anordnung eines begleiteten Umgangs in Betracht. Hierdurch wird einerseits der Gefahr (weiterer) sexueller Übergriffe vorgebeugt, anderseits das Risiko einer Entfremdung vermieden. Die erhebliche Belastung des umgangsberechtigten Elternteils durch diese Maßnahme ist aufgrund der sich aus der Verdichtung des Verdachts ergebenden Gefahr für das Kindeswohl hinzunehmen.
2. Lassen sich gesicherte Anzeichen für einen Missbrauch durch die gebotenen gerichtlichen Ermittlungen nicht feststellen, scheidet eine Einschränkung des Umgangsrechts aufgrund eines verbleibenden bloßen Verdachts aus. Auch die auf einem derartigen Verdacht begründeten Vorbehalte des betreuenden Elternteils gegenüber dem Umgang erfordern nicht zwingend eine Umgangsbeschränkung.Der bloße Verdacht des sexuellen Missbrauchs und die daraus resultierende Möglichkeit eines psychischen Folgeschadens sind abzuwägen gegen die sicheren Schäden in der Entwicklung des Kindes, die ein Ausschluss des Umgangs nach sich zöge (OLG Stuttgart FamRZ 1994, 718). Wird durch die gebotenen gerichtlichen Ermittlungen der Verdacht nicht bestätigt, so scheidet eine Einschränkung des Umgangsrechts - auch in Form der Anordnung eines begleiteten Umgangs - aus (OLG Hamm FamRZ 1998, 256).
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