Entscheidung des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.05.2008 - 2 WF 62/08; BeckRS 2008, 11120
Sachverhalt
Aus der geschiedenen Ehe der Parteien waren zwei in den Jahren 1999 und 2001 geborene gemeinsame Kinder hervorgegangen. Die Kläger begehrten Abänderung eines amtsgerichtlichen Urteils vom Frühjahr 2007, durch welches der Beklagte zur Zahlung von nachehelichem Aufstockungsunterhalt an die geschiedene Ehefrau in Höhe von monatlich 236,28 Euro sowie zur Zahlung von Kindesunterhalt für beide Kinder in Höhe von je 114 Prozent des Regelbetrages verurteilt war. Vom AG wurde das PKH-Gesuch der Kläger mit der Begründung zurückgewiesen, es liege keine wesentliche Änderung im Sinne von § 323 ZPO vor. Außerdem genüge der Vortrag der geschiedenen Ehefrau nicht der seit Januar 2008 geltenden geänderten Rechtslage; nachehelicher Unterhalt sei jetzt nur noch in Ausnahmefällen geschuldet, wenn es keine Möglichkeit gebe, den eheangemessenen Bedarf durch eine eigene Erwerbstätigkeit zu decken. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde erwies sich als zum Teil erfolgreich.
Rechtliche Wertung
Das OLG errechnet auf Seiten des Beklagten ein bereinigtes Einkommen von 1.906,39 Euro, woraus sich eine Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 110 Prozent des Mindestunterhalts (Zahlbetrag 278 Euro statt bisher 254 Euro) ergab. Die geschiedene Ehefrau müsse sich jedenfalls ab Mitte 2008 ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit zurechnen lassen; denn sie habe – entsprechend §§ 1569, 1570, 1574 BGB – grundsätzlich bestehende Kinderbetreuungsplätze zu nutzen, um auch selbst einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie sei darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass solche Möglichkeiten im konkreten Fall nicht bestünden; dazu fehle jeglicher Vortrag.Unter Berücksichtigung des Kindesalters komme dagegen keine Vollzeittätigkeit in Betracht, woran auch die Unterhaltsrechtsreform zum 01.01.2008 nichts geändert habe. Trotz der Stärkung des Grundsatzes der Eigenverantwortung ergebe sich aus der Begründung zum Gesetzentwurf, dass der Basisunterhalt (§ 1570 I 2, 3 BGB) dann zu verlängern sei, wenn kindbezogene Gründe dies erforderten. Mit den Worten «soweit und solange» werde deutlich gemacht, dass es auf die Verhältnisse des Einzelfalles ankomme. Auch nach der Neuregelung sei kein abrupter übergangsloser Wechsel von der elterlichen Betreuung zur Vollzeittätigkeit geschuldet; vielmehr sei – gerade im Interesse des Kindeswohls – auch zukünftig ein gestufter Übergang möglich. Darüber hinaus sei durch § 1570 II BGB auch die Möglichkeit geschaffen worden, den Unterhaltsanspruch – neben kindbezogenen Gründen – auch auf den Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität zu stützen, insbesondere bei einem schützenswerten Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kindesbetreuung. Derzeit könne von der geschiedenen Ehefrau nur eine Erwerbstätigkeit von 5 Stunden täglich verlangt werden, aber nicht darüber hinaus. Denn sie benötige auch noch Zeit, um zu einer etwaigen Arbeitsstätte zu gelangen, außerdem noch die notwendigen Einkäufe zu tätigen, um die Kinder angemessen zu versorgen. Beide Kinder befänden sich noch in der Grundschule; dort bedürften sie – gerichtsbekannt – regelmäßig der Förderung und Hilfe durch den Elternteil bei Hausaufgaben und Freizeitaktivitäten. Im Falle einer Vollzeittätigkeit sei eine deutlich ungleiche Lastenverteilung beider Elternteile gegeben, weil die geschiedene Ehefrau – anders als der geschiedene Ehemann – hier neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit noch sämtliche Lasten der Kindesbetreuung allein zu bewältigen habe. Hier sei von Bedeutung, dass die geschiedene Ehefrau in der Vergangenheit nicht erwerbstätig gewesen sei, sondern erstmals nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe. Auch aus dem Grundsatz der nachehelichen Solidarität ergebe sich hier ein schützenswertes Vertrauen darauf, dass sie sich nunmehr auch weiterhin – jedenfalls zum größeren Teil – der Versorgung und Betreuung der Kinder widmen könne. Die Tätigkeit von 5 Stunden/Tag entspreche einem monatlichen Arbeitsumfang von rund 108 Stunden. Im summarischen Verfahren sei zugunsten der geschiedenen Ehefrau zu unterstellen, dass sie nicht mehr als 7,50 Euro/Std. verdienen könne, somit 810 Euro brutto im Monat, was netto 645,55 Euro entspreche.
Praxishinweis
Die aktuelle Entscheidung des OLG Düsseldorf macht deutlich, dass die – von vielen als zu hart empfundenen – gesetzlichen Kriterien zur Arbeitspflicht des kindesbetreuenden Elternteils durch die Rechtsprechung relativiert werden, insbesondere unter Berufung auf die im Falle sehr weitgehender Arbeitsverpflichtung eintretende ungleiche Lastenverteilung zwischen den Eltern: Diese Ungleichheit entsteht dann, wenn die kindesbetreuende Mutter neben einer vollschichtigen Tätigkeit noch nennenswerte Kindesbetreuung (einschließlich kindbezogener Fahrten, Einkäufe, Hausaufgabenhilfe) zu leisten hat, während sich der Kindesvater (aus der Sicht der Mutter relativ «bequem») allein auf seine Barunterhaltspflicht zurückziehen kann. Im Rahmen der Zumutbarkeit dürfte es im Einzelfall auch eine Rolle spielen, inwieweit die von der Erwerbsobliegenheit betroffene Mutter dem Gericht ihren – sicherlich vielfach zu Recht als unzumutbar empfundenen – Tagesablauf so plastisch schildern kann, wie dies Meier (FamRZ 2008, 101, 103) dargestellt hat.Eine andere Frage ist dagegen, ob angesichts der klaren gesetzgeberischen Vorgaben für eine Interpretation, die vom Gesetzestext relativ deutlich abweicht, überhaupt hinreichender Raum ist; daran hat Niebling, FF 2008, 193, 195 Zweifel geäußert. Die aktuelle Entscheidung des BGH vom 16.07.2008 (XII ZR 109/05, vgl. FD-FamR 2008, 263490), zu der bisher nur eine Presseerklärung vorliegt, dürfte die Richtigkeit des vom OLG Düsseldorf gewählten Ansatzes betätigen und für eine Bildung von Fallgruppen sprechen, die einer gewissen Pauschalierung zugänglich sind.
Unterhaltsberechnung / Online Beratung zum Thema nachehelicher Unterhalt
Ich bin gerne bereit, gegen ein Pauschalhonorar Ihnen eine profunde juristische Einschätzung zu erteilen, wie hoch der zu zahlende oder erhaltene Kindesunterhalt, Elternunterhalt, Trennungsunterhalt oder Scheidungsunterhalt ist. Sie erhalten eine konkrete Unterhaltsberechnung als Datei. Lassen Sie sich den Unterhalt ausrechnen. Klicken Sie bitte hier, um auf die entsprechende Seite mit weiteren Informationen zu gelangen.