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OLG Saarbrücken: Trennung des Kindes vom sorgeberechtigten Elternteil nur im Ausnahmefall

OLG Saarbrücken: Trennung des Kindes vom sorgeberechtigten Elternteil nur im AusnahmefallBGB §§ 1666, 1666a; FGG § 50a

In kindschaftsrechtlichen Eilverfahren müssen Eingriffe in das elterliche Sorgerecht – in einer auf den Einzelfall bezogenen Abwägung – in besonderem Maße dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Übermaßverbot (§ 1666a BGB) Rechnung tragen. Wie das Oberlandesgericht Saarbrücken entschieden hat, darf das Kind vom sorgeberechtigten Elternteil nur dann getrennt werden, wenn ganz erhebliches Fehlverhalten des Elternteils vorliegt mit der Folge einer nachhaltigen Gefährdung des Kindeswohls; außerdem darf keine andere Alternative zur Verfügung stehen.
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 02.08.2007 - 9 WF 90/07
Sachverhalt
Auf Grund einer Gefährdungsmitteilung des Kreisjugendamtes wurde der Kindesmutter durch einstweilige Anordnung die elterliche Sorge für ihr zweijähriges, nichtehelich geborenes Kind entzogen, das Kreisjugendamt wurde zum Vormund bestellt. Auf Veranlassung des Kreisjugendamtes wurde das Kind in einer Pflegefamilie untergebracht. Gegen diesen Beschluss legte die Kindesmutter sofortige Beschwerde ein. Diese war erfolgreich; sie führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Rechtliche Wertung
Nach Ansicht des OLG ist der angefochtene Beschluss nicht in einem ordnungsgemäßen Verfahren zu Stande gekommen; es fehle insbesondere an der gebotenen Beteiligung und Anhörung des Kindesvaters (§ 50a FGG). Dieser sei zwar im Rubrum des Beschlusses als Verfahrensbeteiligter aufgeführt; seine Bevollmächtigten hätten sich mit einem nach Erlass des angefochtenen Beschlusses eingegangenen Schriftsatz für ihn bestellt. Zum Termin sei er weder geladen worden noch erschienen. Unabhängig hiervon lasse der angefochtene Beschluss nicht erkennen, ob das Gericht sein Ermessen ausgeübt habe. Gerade in Eilverfahren seien der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gebot des mildesten Eingriffs zu beachten; dies gelte insbesondere dann, wenn es um eine Trennung des Kindes von seiner bisherigen Bezugsperson gehe. Selbst wenn das Familiengericht von einer Gefährdung des Kindeswohls ausgegangen sei, habe es diesen Gesichtspunkt mit den genannten Grundsätzen abwägen müssen. Als weniger einschneidende Maßnahme sei hier zunächst in Betracht gekommen, der Kindesmutter lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder andere Teile des Sorgerechts zu entziehen und eine Ergänzungspflegschaft (statt Vormundschaft) anzuordnen.


Für das weitere Verfahren sei zu beachten, dass Maßnahmen im Eilverfahren Tatsachen schaffen könnten, die später – insbesondere auf Grund der Dauer des Hauptverfahrens – nur noch schwer oder überhaupt nicht mehr rückgängig zu machen seien. Deshalb müssten die im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Eine Trennung des Kindes vom sorgeberechtigten Elternteil komme nach § 1666a I BGB nur in Betracht, wenn das Fehlverhalten des Elternteils ein solches Ausmaß erreiche, dass das Kind in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet sei und dieser Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfe, begegnet werden könne.

Praxishinweis
Zahlreiche gerichtliche Entscheidungen – gerade in vermeintlich eindeutigen Konstellationen – leiden darunter, dass formale Fehler in Gestalt der Unterlassung der Anhörung von Beteiligten (§ 50a FGG) gemacht werden; vorliegend war der angefochtene Beschluss des AG schon aus diesem Grunde aufzuheben. Die Ausführungen des OLG machen wünschenswert deutlich, dass gerade in Eilverfahren eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Kindeswohl einerseits und den durch Trennung eintretenden Konsequenzen andererseits vorgenommen werden muss. Nicht nur der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sondern das Gebot des mildesten Eingriffs (BVerfG, Beschluss vom 21.06.2002 - 1 BvR 605/02, FamRZ 2002, 1021, 1023) sind vorrangig zu beachten, gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Trennung des Kindes von der bisherigen Bezugsperson regelmäßig einschneidende Konsequenzen zur Folge hat. Wichtig ist auch der Hinweis des Gerichts darauf, dass häufig noch andere Alternativen in Kombination mit öffentlichen Hilfen in Betracht kommen.

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