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OLG Koblenz: Befristung des Krankheitsunterhalts nach 13-jähriger Ehe mit Kindesbetreuung
BGB §§ 1572, 1578b II, 1579 Nr. 5
Sofern keine ehebedingten Nachteile vorliegen, kann ein auf Krankheit (§ 1572 BGB) beruhender Unterhaltsanspruch nach 13-jähriger Ehe, in der die Ehefrau zwei Kinder betreut hat, zeitlich befristet werden.
OLG Koblenz, Urteil vom 25.02.2009 - 13 UF 594/08; BeckRS 2009, 13230
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Dr. Winfried Born, Aderhold Rechtsanwaltsgesellschaft, Dortmund
Sachverhalt
Aus der im Jahre 1979 geschlossenen Ehe waren zwei in den Jahren 1981 und 1983 geborene Kinder hervorgegangen. Die Parteien trennten sich im Sommer 1991; die Ehe wurde Ende Dezember 1992 rechtskräftig geschieden. Der Kläger ist selbstständiger Architekt, die Beklagte bezieht seit 2002 EU-Rente wegen völliger Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Wirbelsäulenleidens. Sie hatte bereits gegen Ende der Ehe eine Teilzeittätigkeit ausgeübt, dann 1996 einen Bandscheibenvorfall erlitten, was zu einer zunächst vorübergehenden Erwerbsunfähigkeit führte. Ab 1998 war die Beklagte wieder in Teilzeit erwerbstätig bis zu ihrer Verrentung. In einem OLG-Vergleich regelten die Parteien im Jahre 2005 den Unterhalt dahin, dass der Kläger an die Beklagte monatlich 700 Euro zu zahlen hatte; dabei wurden ein (auch um Kindesunterhalt und Berufsbonus bereinigtes) Einkommen des Klägers von 2.200 Euro und ein Renteneinkommen der Beklagten von 800 Euro zugrunde gelegt. Das AG gab der Abänderungsklage des Klägers teilweise statt und befristete den Unterhaltsanspruch bis einschließlich Februar 2011; eine stufenweise Reduzierung des Anspruchs für die vorhergehende Zeit lehnte es ab. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb ebenso erfolglos wie die Anschlussberufung des Klägers.
Rechtliche Wertung
Im Ausgangsvergleich sei zugunsten der Beklagten ein Anspruch auf Krankheitsunterhalt vereinbart worden; man habe auf ihrer Seite nur die EU-Rente zugrunde gelegt, die auf einer vollständigen Erwerbsunfähigkeit beruhte. In einem solchen Fall leite sich der Unterhaltsanspruch insgesamt aus § 1572 BGB her, nicht auch aus § 1573 BGB. Vorliegend handele es sich aber nicht um einen originären Unterhaltsanspruch wegen Krankheit, denn die Krankheit sei hier nicht im nahen Zusammenhang mit der Scheidung im Jahre 1992 aufgetreten, sondern erst später (Bandscheibenvorfall 1996). Danach sei die Beklagte nach längerer Arbeitsunfähigkeit nochmals erwerbstätig gewesen, sie erhalte die EU-Rente erst seit 2002. Vor diesem Hintergrund sei keine Unterbrechung der Unterhaltskette eingetreten, denn bei Auftreten der Erkrankung im Jahre 1996 sei das jüngere Kind 13 Jahre alt – also noch betreuungsbedürftig – gewesen. Allerdings habe die Beklagte seinerzeit – auch auf der Grundlage der damals großzügigeren Rechtsprechung – die Obliegenheit zu einer Halbtagstätigkeit gehabt; auch der Anspruch auf Anschlussunterhalt sei von daher nur als solcher auf Teilunterhalt entstanden. Nur unter Berücksichtigung eines Einkommens aus einer Halbtagstätigkeit habe der Beklagten deshalb vor dem Beginn der Erkrankung ein Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB zugestanden; dementsprechend sei auch der Anschlussunterhalt nach § 1572 Nr. 2 BGB an sich begrenzt gewesen.
Hier komme das allerdings nichts zum tragen, denn im Vergleich hätten die Parteien die Zahlung des vollen Unterhalts vereinbart. Deshalb könne sich der Kläger jetzt nicht – abweichend hiervon – darauf berufen, an sich sei nur ein Teilunterhalt geschuldet; dieser Gesichtspunkt spiele aber im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 1578b BGB eine Rolle. Aufgrund der – erst durch die Gesetzesänderung zum 01.01.2008 eingeführten – Möglichkeit zur Befristung des Krankheitsunterhalts könne der Kläger eine Abänderung verlangen. Im Rahmen der Frage der zeitlichen Befristung (§ 1578b II 1 BGB) komme es zunächst darauf an, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten seien, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile seien hier zu verneinen, denn die Beklagte habe ihre Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen einstellen müssen, die erst lange nach Ende der Ehe aufgetreten seien und nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Ehe stünden. Eine Erkrankung sei nicht schon deshalb als ehebedingter Nachteil zu betrachten, weil sie während der Ehe eingetreten sei (BGH, Urteil vom 26.11.2008 - XII ZR 131/07, NJW 2009, 989: Anmerkung Born, FD-FamR 2009, 274405), erst recht also nicht, wenn sie während der - der Ehe nachfolgenden - Kinderbetreuung im Sinne von § 1572 Nr. 2 BGB erstmals auftrete. Andererseits bedeute das Fehlen der Ehebedingtheit der Krankheit nicht, dass generell eine Befristung des Krankheitsunterhalts vorzunehmen sei. Da es sich bei der Krankheit und der durch sie bedingten Erwerbsunfähigkeit in der Regel um eine schicksalhafte Entwicklung handele, sei eine dauerhafte Unterhaltsverantwortung des geschiedenen Ehegatten für das allein in zeitlichem Zusammenhang mit der Ehe stehende Krankheitsrisiko nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen (BGH, a.a.O.). Gerade beim Krankheitsunterhalt dürften die Anforderungen an die «fortwirkende eheliche Solidarität» nicht überspannt werden. Die vom AG vorgenommene Befristung zum Februar 2011 sei nicht zu beanstanden, denn der Kläger habe dann aufgrund des Vergleichs – bei einer Ehedauer von knapp 13 Jahren – über 9 Jahre Unterhalt gezahlt. Die Befristung sei für die Beklagte auch zumutbar im Sinne von § 36 I EGZPO.
Praxishinweis
Im Rahmen der Abgrenzung der Anspruchsgrundlagen ist wie folgt zu unterscheiden:
- Ist der Unterhaltsberechtigte vollständig an einer Erwerbstätigkeit gehindert, ergibt sich der Anspruch allein aus §§ 1570 bis 1572 BGB. Dies gilt auch für denjenigen Teil des Unterhaltsbedarfs, der nicht durch das Erwerbshindernis verursacht worden ist, sondern auf dem vollenUnterhalt (§ 1578 I 1 BGB) beruht.
- Bei einer nur teilweisen Erwerbshinderung ist zu unterscheiden:
-wegen des durch die Erwerbshinderung verursachten Einkommensausfalls ergibt sich der Anspruch aus §§ 1570 bis 1572 BGB;
-wegen des weitergehenden Einkommensausfalls ist der Anspruch auf § 1573 II BGB zu stützen.
Das OLG Koblenz weist unter Bezugnahme auf die einschlägige Entscheidung des BGH (a.a.O.) darauf hin, dass auch hinsichtlich der Bedeutung einer Krankheit für die Frage des ehebedingten Nachteils zu differenzieren ist:
- Der Nachteil kann nicht bereits aufgrund des zeitlichen Umstandes, dass die Krankheit während der Ehe eingetreten ist, angenommen werden;
- hat die Rollenverteilung zu einem Versorgungsnachteil geführt, wird dieser regelmäßig im Rahmen des Versorgungsausgleichs ausgeglichen (BGH, Urteil vom 25.06.2008 – XII ZR 109/07, NJW 2008, 2644; Anmerkung Born, FD-FamR 2008, 265305);
- auch ohne Ehebedingtheit der Krankheit ist der Anspruch auf Krankheitsunterhalt nicht ohne Weiteres zu befristen; dies ist vielmehr im Rahmen einer Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden.
Diese Beurteilung stimmt überein mit einer vergleichbaren Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 01.04.2009 - 8 UF 203/08, BeckRS 2009, 11171; Anmerkung Born, FD-FamR 2009, 282530). Danach fällt die krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit als allgemeines Lebensrisiko im Regelfall in die Risikosphäre des Erkrankten, und zwar selbst dann, wenn Ausbruch oder Verlauf der Erkrankung durch die Scheidungsproblematik oder durch Eheprobleme begünstigt worden sind. Eine Befristung kann dann geboten sein, wenn die Erwerbstätigkeit während der Ehe für längere Zeit unterbrochen war; dies gilt insbesondere bei Vorliegen großer Unterschiede im beruflichen Qualifikationsniveau der Parteien schon zum Zeitpunkt der Heirat.