OLG Karlsruhe: Kein nachehelicher Unterhalt bei verfestigter Lebensgemeinschaft
BGB § 1579 Nr. 2
Auch bei Fehlen einer gemeinsamen Wohnung kommt eine Verwirkung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt gemäß § 1579 Nr. 2 BGB in Betracht, sofern hinreichend aussagekräftige Indizien für ein eheähnliches Zusammenleben vorliegen.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.09.2008 - UF 21/08; BeckRS 2008, 23762
Sachverhalt der Verwirkung
Die Parteien hatten im Jahre 1969 geheiratet; die Ehe blieb kinderlos. Seit 1993 lebten die Parteien getrennt. Seit dem Sommer 2002 unterhielt die Ehefrau eine Beziehung zu einem anderen Mann, der im Jahre 2003 seinen Wohnsitz in die Nähe der Wohnung der Ehefrau verlegte. Das AG hat den Ehemann verurteilt, ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt von monatlich rund 358 Euro zu zahlen. Die dagegen gerichtete Berufung des Ehemannes erwies sich als begründet.
Rechtliche Wertung bei Zusammenleben mit neuem Partner
Das OLG hat den Unterhaltsanspruch wegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft der Ehefrau gemäß § 1579 Nr. 2 BGB (früher: Nr. 7) versagt. Allein die Tatsache, dass die Berechtigte eine intime Beziehung – auch in Form einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft – zu einem neuen Partner eingehe und unterhalte, reiche nicht aus, um die bestehende Unterhaltsverpflichtung schon aus diesem Grunde generell als unzumutbar anzusehen. Eine Verwirkung wegen verfestigter Lebensgemeinschaft komme vornehmlich in drei Fällen in Betracht:
- Absehen von der Eheschließung mit neuen Partnern nur deshalb, um den Anspruch nicht zu verlieren;
- Unterhaltsgemeinschaft;
- Eheähnliches Zusammenleben und Auftreten in der Öffentlichkeit mit der Folge der Unzumutbarkeit weiterer Unterhaltszahlungen durch den Schuldner.
Die erste Fallgruppe liege vorliegend nicht vor. Auch die zweite Fallgruppe (Unterhaltsgemeinschaft) behaupte der Ehemann selbst nicht; die Ehefrau habe unwidersprochen vorgetragen, dass es zwischen ihr und dem neuen Partner keine wirtschaftliche Verflechtung gebe, sondern dass jeder selbst für seinen Unterhalt Sorge trage. Im Rahmen der dritten Fallgruppe sei grundsätzliche eine gewisse Mindestdauer der Verbindung von 2 bis 3 Jahren erforderlich; anderenfalls lasse sich in der Regel nicht verlässlich beurteilen, ob die Partner nur probeweise zusammen lebten oder ob eine verfestigte Gemeinschaft bestehe und diese Lebensform bewusst auch für die weitere Zukunft gewählt worden sei. Ein räumliches Zusammenleben der neuen Partner mit einem gemeinsamen Haushalt sei nicht zwingend erforderlich, wenngleich eine solche Form des Zusammenlebens ein typisches Anzeichen sei. Hielten die Partner ihre Lebensbereiche getrennt und legten die Beziehung bewusst auf Distanz an, weil sie – z. B. aufgrund gemachter Erfahrungen in bisherigen Partnerschaften – ein enges Zusammenleben nicht wünschten, komme der Frage, ob die Gemeinschaft von ihrer Intensivität gleichwohl einem ehelichen Zusammenleben entspreche, entscheidende Bedeutung zu. Entscheidend für die Unzumutbarkeit einer fortdauernden Unterhaltsleistung sei der Umstand, dass der Berechtigte mit einem Partner in einer verfestigten Beziehung lebe, die Partner ihre Lebensverhältnisse so aufeinander abgestellt hätten, dass sie wechselseitig für einander einstehen wollten, indem sie sich Unterstützung gewährten.
Vorliegend verbrächten die Partner ihre Freizeit zusammen und träten in der Öffentlichkeit auch als Paar auf. Der Lebensgefährte habe 2003 eine Wohnung in der Nähe der Ehefrau genommen. Auch wenn die räumlichen Lebensbereiche getrennt gehalten würden und eine wirtschaftliche Verflechtung nicht eingetreten sei, könne man – auch aus der Sicht eines außenstehenden Dritten – nicht nur von einer losen Beziehung ohne Verpflichtungen sprechen. Der Lebensgefährte stehe der Ehefrau nicht nur bei, wenn sie sich z. B. im Krankenhaus aufhalte, sondern auch ihrer Mutter; unstreitig habe er bis zu deren Übersiedlung in ein Altersheim erhebliche Versorgungsbeiträge erbracht und damit zugleich zur Entlastung der Ehefrau beigetragen. Schließlich habe die Ehefrau ihm die Wohnungsschlüssel überlassen und eine Bankvollmacht zu ihrem Konto erteilt. Die Beziehung bestehe auch schon seit mehr als fünf Jahren und habe einen Grad an Festigkeit erreicht, der auf eine – auch von außenstehenden Dritten so wahrgenommene – verfestigte Beziehung schließen lasse. Dem stehe nicht entgegen, dass die Ehefrau insofern eine unumkehrbare wirtschaftliche Disposition getroffen habe, als sie das Angebot der Altersteilzeit angenommen habe; denn mit der Freistellung von der Arbeit im zweiten Abschnitt sei eine erhebliche Steigerung der Lebensqualität verbunden, die bei der Billigkeitsprüfung nicht unberücksichtigt bleiben könne. Da die Ehefrau mit einem aktuellen Nettoeinkommen von 1.371 Euro über ein Einkommen verfüge, welches erheblich über dem eheangemessenen Selbstbehalt liege, erscheine die mit der Altersteilzeit verbundene Einkommenseinbuße von rund 300 Euro auch bei Wegfall des nachehelichen Unterhalts nicht besonders gravierend.
Praxishinweis bei Verdacht auf nichteheliche Partnerschaft
Eine verfestigte Lebensgemeinschaft ist – im Gegensatz zu einer losen Beziehung – durch eine innere Bindung zwischen den Beteiligten gekennzeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet. Dieser naturgemäß nur innere Vorgang muss sich an Hand nach außentretender Umstände objektivieren lassen. Maßgebend ist von daher das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit und der Umstand, dass der geschiedene Ehegatte durch die Eingehung einer neuen Lebensgemeinschaft nach außen zu erkennen gibt, dass er sich aus der nachehelichen Solidarität herauslöst und diese nicht mehr benötigt. Eine fehlende wirtschaftliche Verflechtung der Lebenspartner steht in dieser dritten Fallgruppe der Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft ebensowenig entgegen wie die Beibehaltung getrennter Wohnungen. In diesem Zusammenhang ist regelmäßig auch von Bedeutung, ob eine so gute wirtschaftliche Situation der Beteiligten besteht, dass diese die anfallenden hauswirtschaftlichen Dienste durch Dritte erledigen lassen können und ihre Freizeit im Übrigen wie ein Ehepaar gemeinsam verbringen (so OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 28.12.2007 - 2 UF 237/07, BeckRS 2008, 11399; Anmerkung Born, FD-FamR 2008, 264745).
Der Begriff der «verfestigten Lebensgemeinschaft» ist seit 01.01.2008 als gesonderte Fallgruppe in § 1579 Nr. 2 BGB enthalten; dadurch sollte die frühere Nr. 7 «entlastet» werden. Das Gesetz enthält keine Legaldefinition der verfestigten Lebensgemeinschaft. In der Praxis ist regelmäßig streitig, ob eine verfestigte Lebensgemeinschaft oder nur eine Haushaltsgemeinschaft mit Haushaltsführung, möglicherweise sogar nur eine Wohngemeinschaft besteht (Kalthoener/Büttner/Niepmann Rdnr. 1117 a). Ökonomische Solidarität wird regelmäßig nur angenommen, wenn in einem Haushalt gemeinsam gewirtschaftet wird; dies kann aber auch bei getrennten Wohnungen in dem selben Haus der Fall sein (BGH, Urteil vom 21.12.1988 - IVb ZR 18/88,NJW 1989, 1083; weitergehend OLG Hamm, Urteil vom 19.05.1994 - 3 UF 361/93, NJW-RR 1995, 389). Da die Unterhaltsgläubigerin – in Kenntnis der damit verbundenen Folgen – regelmäßig das Vorhandensein einer verfestigten Lebensgemeinschaft bestreiten wird, ist im Wege eines «Mosaiks» das Zusammentragen von Indizien für eine feste soziale Verbindung erforderlich (Checkliste bei Born in Heiß/Born Kapitel 22 Rdnr. 101; siehe auch Kalthoener/Büttner/Niepmann Rdnr. 1117 c). Wichtig ist an dieser Stelle auch der Hinweis darauf, dass die erforderliche Verfestigung in der Regel eine Zeitdauer von 2 bis 3 Jahren erfordert (BGH, Urteil vom 20.03.2002 - XII ZR 159/00,NJW 2002, 1947). Ein kürzerer Zeitraum kommt – ausnahmsweise – dann in Betracht, wenn die Beteiligten durch Hauskauf oder – bau zu erkennen geben, dass schon vorher eine Verfestigung eingetreten ist (Nachweise bei Kalthoener/Büttner/Niepmann Rdnr. 1117 d in Fußnote 290). Vorliegend konnte der Aspekt der nach wie vor getrennten Wohnungen zurecht keine entscheidende Rolle spielen, weil ansonsten hinreichend aussagekräftige Indizien für eine verfestigte Gemeinschaft bestanden, insbesondere in Form der Unterstützungsleistungen des neuen Partners gegenüber der Ehefrau und auch deren Mutter.
Trennungsunterhalt - Scheidungsunterhalt - Kindesunterhalt
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