Scheidungsrecht Rechtsprechung: Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Ehevertrag, Düsseldorfer Tabelle

OLG Karlsruhe: Befristung des Unterhalts trotz 17-jähriger Ehe

Auch wenn auf Seiten der geschiedenen Ehefrau keine ehebedingten Nachteile vorliegen, muss ihr bei langer Ehedauer (fast 17 Jahre bis zur Zustellung des Scheidungsantrags) ein maßgeblicher Zeitraum zugebilligt werden, für den sie sich – als Nachwirkung der ehelichen Solidarität – auf die Unterstützung des geschiedenen Ehemannes verlassen darf. Wie das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden hat, rechtfertigt dies eine Befristung des Unterhaltsanspruchs auf 4 Jahre ab Rechtskraft der Scheidung.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.02.2009 - 2 UF 200/08; BeckRS 2009, 12154

 

Sachverhalt

Aus der im Jahre 1987 geschlossenen Ehe der Parteien sind keine Kinder hervorgegangen. Die Parteien leben seit Juli 2003 getrennt; der Scheidungsantrag des Ehemannes wurde der Ehefrau im Juli 2004 zugestellt. Die Ehe wurde im Dezember 2005 geschieden. Im November 2006 schlossen die Parteien einen Vergleich, durch den sich der Ehemann zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von 230 Euro verpflichtete. In dem Vergleich blieb auf Seiten des Ehemannes der Einwand der Befristung vorbehalten. Es wurde ebenfalls festgehalten, dass die Ehefrau davon ausging, dass eine Befristung aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht komme. Auf die Abänderungsklage des Klägers wurde vom AG eine Abänderung des Vergleichs dahin vorgenommen, dass der Ehemann ab Juni 2010 keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu zahlen habe. Mit der beabsichtigten Berufung erstrebte der Ehemann die Aufhebung seiner Zahlungsverpflichtung schon ab Juni 2008. Das entsprechende PKH-Gesuch wurde zurückgewiesen.

Rechtliche Wertung

Das OLG billigt zunächst die Ansicht des AG, wonach der Ehemann mit dem Vortrag zur Befristung des Unterhaltsanspruchs nicht präkludiert sei. Maßgebend sei die Entscheidung des BGH vom 12.04.2006. Danach sei Präklusion anzunehmen, sofern es um später ergangene Urteile gehe, in denen keine Befristung festgestellt worden sei, obwohl dies nach der oben genannten Entscheidung möglich gewesen sei. Vorliegend begehre der Ehemann aber die Abänderung eines Vergleichs; hier gelte die Zeitschranke des § 323 II ZPO aber gerade nicht. Maßgeblich sei der Parteiwille, der in dem Vergleich zum Ausdruck komme oder sich als Geschäftsgrundlage feststellen lasse. Hier hätten die Parteien ausdrücklich vereinbart, dass sich der Ehemann den Einwand der Befristung vorbehalte. Dass der Ehemann gegen das Urteil des AG vom Dezember 2005 nicht selbst Berufung (bzw. keine Anschlussberufung) eingelegt habe, ändere daran nichts. Denn auch mit der Berufung der Ehefrau gegen das damalige Urteil über den Ehegattenunterhalt sei das OLG an sich gehalten gewesen, die Befristung nach § 1573 V BGB a. F. zu prüfen. Zwar habe der Unterhalt nicht völlig ausgeschlossen, sondern nur auf den vom AG festgesetzten Betrag von 145,50 Euro reduziert werden können; gleichwohl sei eine Entscheidung über diesen Einwand – und damit eine Präklusion – aufgrund des dann ergangenen Urteils möglich gewesen. Dies gerade hätten die Parteien aber durch ihre Regelung im Vergleich vom November 2006 ausgeschlossen. Darüber sei nunmehr zu entscheiden.

Für die Befristung nach § 1578b II BGB komme es auf die Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit an, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Die Ehedauer sei nicht mehr allein entscheidend (deshalb scheide eine Befristung – anders als früher – nicht mehr schon wegen langer Ehedauer aus), sondern sie werde vom Gesetz als gleichrangiger Gesichtspunkt neben der «Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit» berücksichtigt. Daneben komme es auf die konkreten Erwerbsverhältnisse der Ehepartner, ihre Vermögenssituation, ihr Alter und insbesondere den Ausgleich ehebedingter Nachteile im Rahmen der Billigkeitsabwägung an. Hier habe die Ehefrau keinen ehebedingten Nachteil erlitten, denn sie habe vor, während und nach der Ehe die gleiche Tätigkeit (Altenpflegenhelferin und Haushaltshilfe) ausgeübt. Andererseits sei zu berücksichtigten, dass ihr – trotz des Umstandes, dass sie wirtschaftlich in der selben Lage sei wie vor Heirat – ein maßgeblicher Zeitraum zugebilligt werden müsse, für den sie sich als Nachwirkung der ehelichen Solidarität auf die Unterstützung des Ehemannes verlassen dürfe. Denn sie habe sich über fast 17 Jahre wirtschaftlich auf den Ehemann verlassen; durch eigene berufliche Tätigkeit habe sie nie auch nur das Existenzminimum selbst verdient, sondern sich insoweit in die Abhängigkeit vom Ehemann begeben. Eine Absenkung des Unterhalts unter den Ehegattenselbstbehalt von 1.000 Euro komme regelmäßig nicht in Betracht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.09.2008 - 2 UF 5/02, NJW 2009, 525, 527). Angemessen sei in dieser Situation eine Befristung auf 4 Jahre nach Rechtskraft der Ehescheidung. Diese Befristung sei für die Ehefrau auch zumutbar nach § 36 Nr. 1 EGZPO; denn spätestens seit der Vergleichsverhandlung vom November 2006 und dem Befristungsvorbehalt in dem Vergleich habe ihr bewusst sein müssen, dass sie sich auf Dauer eine eigene wirtschaftliche Existenz habe aufbauen müssen und sich nicht mehr auf Unterhaltszahlungen des Ehemannes habe verlassen können.

Praxishinweis

Einzelheiten zur Begrenzung und Befristung des nachehelichen Aufstockungsunterhalts wurden bereits in der Besprechung des BGH-Urteils vom 25.01.2008 (Urteil vom 25.06.2008 - XII ZR 109/07, NJW 2008, 2644; Anmerkung Born, FD-FamR 2008, 265305) dargestellt. Der BGH hat dort ausgeführt, dass schon nach früherer Rechtslage eine zeitliche Befristung des Anspruchs in Betracht kam. Ergänzend hat er darauf hingewiesen, dass es im Einzelfall für den Unterhaltsgläubiger nach einer Übergangszeit zumutbar ist, auf einen Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu verzichten und sich stattdessen mit einem Standard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte. Diese Rechtsprechung ist in die gesetzliche Neuregelung des § 1578b BGB eingeflossen.

Die Länge der Übergangszeit vom Wegfall ehebedingter Nachteile bis zum Fortfall des Aufstockungsunterhalts richtet sich nicht schematisch nach der Ehedauer. Ihr Grund liegt darin, dass der Berechtigte nach der Scheidung Zeit benötigt, um sich auf die Kürzung des Ehe angemessenen Unterhalts einzustellen. Zwar können in diesem Rahmen die Dauer der Ehe und das Alter des Berechtigten nicht unberücksichtigt bleiben. Andererseits kann es auch bei sehr langer Ehedauer dem Berechtigten in Fällen, in denen er längere Zeit vollschichtig tätig ist, regelmäßig zugemutet werden, seine persönlichen und finanziellen Verhältnisse innerhalb einer gewissen Übergangszeit auf die Einkünfte ohne Unterhaltsleistungen des anderen Ehegatten einzurichten. Wie das OLG Hamm kürzlich entschieden hat (Beschluss vom 05.02.2008 - 1 WF 22/08, NJW 2008, 2445; Anmerkung Born, FD-FamR 2008, 265308), wirkt sich die prozessuale Übergangsregelung für das neue Unterhaltsrecht materiell-rechtlich so aus, dass das Ergebnis der Billigkeitsprüfung einer weiteren Zumutbarkeitsprüfung zu unterziehen ist danach, ob und ab wann der Gläubigerin der gänzliche Wegfall des nachehelichen Unterhaltsanspruchs unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zugemutet werden kann. In dieser Weise hat auch das OLG Bremen (Beschluss vom 12.09.2008 - 5 WF 62/08, NJW 2009, 373; Anmerkung Born, FD-FamR 2009, 273666) entschieden.

Unterhaltsberechnung

Trennungsunterhalt - Scheidungsunterhalt – Kindesunterhalt - Elternunterhalt

"Ich berechne gegen ein Pauschalhonorar von EUR 99,00 die Höhe des Unterhalts nach den aktuellen Vorschriften und Tabellen auch im Hinblick auf den Wohnort des Unterhaltsberechtigten."

 

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