Scheidungsrecht Rechtsprechung: Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Ehevertrag, Düsseldorfer Tabelle

OLG Hamm: Kindesunterhalt bei besonders gutem Einkommen

I.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die Feststellungen im angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Das Amtsgericht hat der Klägerin, die in erster Instanz noch einen Gesamtbedarf von monatlich 2.173,- € abzüglich erbrachter Zahlungen geltend gemacht hatte, lediglich Unterhalt auf Grundlage der 4. Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle zugesprochen. Mit ihrer Berufung erstrebt die Klägerin nur noch die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Unterhaltsbeträge im Rahmen der jeweils höchsten Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle; darüber hinaus macht sie Krankenvorsorgeunterhalt geltend. Dabei hat sie bis Ende 2011 erbrachte Leistungen des Beklagten in Abzug gebracht. Unstreitig hat der Beklagte seit Januar bis Juni 2012 zum einen monatlich 579,48 € gezahlt, von denen 247,68 € auf den Krankenkassenbeitrag zu verrechnen sind. Zudem hat er monatlich 305,- € für den Reit- und Klavierunterricht der Klägerin gezahlt.

Der Beklagte hat die unter I) 1. und 2. tenorierten Unterhaltsbeträge anerkannt; Streit besteht nur darum, inwieweit die Zahlungen für den Reit- und Klavierunterricht den von der Klägerin für die Zeit von Januar bis Juni 2012 geltend gemachten Kindesunterhaltsanspruch ebenfalls zum Erlöschen gebracht haben.

II.

1. Anwendbar ist auf das Verfahren nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das alte Verfahrensrecht. Das Amtsgericht hat zwar nach neuem Verfahrensrecht durch Beschluss entschieden. Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist aber nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz zulässig; das Verfahren ist sodann in der zulässigen Form weiter zu führen (vgl. BGH FamRZ 2012, 783ff, Tz. 12f.).

2. Die Berufung ist weitgehend begründet. Streitig zu entscheiden ist nur über die Unterhaltsrückstände für die Zeit von Januar bis Juni 2012. Im Übrigen beruht das Urteil auf dem Anerkenntnis des Beklagten (§ 307 ZPO).

a) In der Zeit von Januar bis Juni 2012 schuldete der Beklagte der Klägerin          – insoweit ebenfalls unstreitig – 160% des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes, also 590,- €. Hinzu kam der Krankenversicherungsbeitrag in unstreitiger Höhe von 247,68 €. Insgesamt schuldete der Beklagte der Klägerin also Unterhalt in Höhe von 837,68 €. Geleistet hat er hierauf unstreitig monatlich 579,48 €, so dass – bei vorrangiger Verrechnung auf den Krankenversicherungsbeitrag – noch ein Tabellenunterhalt von monatlich 258,20 € offen geblieben ist.

b) Im Streit ist allein, ob die zusätzlich erbrachten Zahlungen des Beklagten in Höhe von 305,- € für den Reit- und Klavierunterricht der Klägerin deren Bedarf ganz oder teilweise gedeckt haben. Weil die Zweckbestimmung der gezahlten Beträge klar ist, ist für diese Frage entscheidend, ob in dem Tabellenunterhalt nach der 10. Einkommensstufe Anteile für Reit- und Klavierunterricht enthalten sind, und wenn ja, in welcher Höhe.

aa) Für die Frage, ob in dem Tabellenunterhaltsbetrag nach der 10. Einkommensstufe Anteile für Reit- und Klavierunterricht enthalten sind, ist entscheidend, ob es sich bei Reit- und Klavierunterricht um Teile des Elementarbedarfs nach der 10. Einkommensstufe handelt, oder ob es sich dabei um (regelmäßig anfallenden) sog. Mehrbedarf handelt.

bb) Der Düsseldorfer Tabelle liegt der Mindestunterhalt gem. § 1612a BGB zugrunde. Dieser beruht wiederum auf dem sächlichen Existenzminimum des Kindes gemäß § 32 EStG. Den Mindestunterhalt schreibt die Düsseldorfer Tabelle in Abhängigkeit vom Einkommen des Barunterhaltspflichtigen (hier: des Beklagten), von dessen Einkommensverhältnissen die Klägerin ihre Lebensstellung ableitet (§ 1610 BGB), fort. Die Maßgröße für das steuerlich freizustellende sächliche Existenzminimum eines Kindes ist der sozialhilferechtliche Mindestsachbedarf. Dieses sächliche Existenzminimum wird von der Bundesregierung alle zwei Jahre in einem Existenzminimumbericht auf der Grundlage der durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Regelsätze der Bundesländer und statistischer Berechnungen der durchschnittlichen Aufwendungen für Wohn- und Heizkosten ermittelt. Der aktuelle Existenzminimumsbericht datiert vom 30. Mai 2011 (BT-Drucks. 17/5550 S. 5ff.). Die Frage, welche Aufwendungen der dem sächlichen Existenzminimum entsprechende Mindestbedarf abdeckt, ist danach unter Heranziehung der §§ 27 ff. SGB XII sowie der Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII (Regelsatzverordnung) bzw. mit Wirkung zum 1.1.2011 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zu beantworten (vgl. BGH FamRZ 2009, 962; OLG Schleswig, FamRB 2012, 139). Der Senat erachtet es als ausreichend, als Schätzgrundlage nach § 287 ZPO für den streitgegenständlichen Zeitraum zur Ermittlung des Regelbedarfs die in § 6 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) genannten regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für Kinder vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres zugrunde zu legen. Der sich daraus ergebende Regelbedarf ist zu dem tatsächlich geschuldeten Unterhalt ins Verhältnis zu setzen. Dabei ist davon auszugehen, dass auch den Mindestunterhalt übersteigende Unterhaltsbeträge grundsätzlich keinen wesensverschiedenen Aufwand abdecken, sondern aufgrund der abgeleiteten Lebensstellung des Kindes auf eine Bedarfsdeckung auf höherem Niveau zielen (BGH FamRZ 2009, 962). Zu berücksichtigen ist zunächst allerdings, dass im Regelbedarf der Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht enthalten ist (vgl. § 27a Abs. 2 i.V.m. §§ 35f. SGB XII). Dieser kann mit 20% des Tabellenunterhalts geschätzt werden (vgl. Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 326); er beträgt also bei einem Tabellenunterhalt von 682,- € insgesamt 136,40 €.

Bezogen auf die im Jahr 2012 gültige Düsseldorfer Tabelle und die dritte Altersgruppe ergeben sich danach – abgeleitet aus den Bedarfspositionen nach § 6 RBEG bei verhältnismäßiger Erhöhung auf einen verbleibenden Gesamtbedarf von (682,- € abzgl. 136,40 € =) 545,60 € folgende Beträge:

Regelbedarf Geschuldeter Unterhalt

Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke:                 96,55 €                        219,20 €

Bekleidung, Schuhe:                                              33,32 €                         75,65 €

Wohnen, Energie, Instandhaltung:                       11,07 €                         25,13 €

Innenausstattung, Haushaltsgeräte und

-gegenstände:                                                       11,77 €                         26,72 €

Gesundheitspflege                                                 4,95 €                         11,24 €

Verkehr:                                                                 14,00 €                         31,78 €

Nachrichtenübermittlungen:                                   15,35 €                         34,85 €

Freizeit, Unterhaltung, Kultur:                                 41,33 €                         93,83 €

Bildung:                                                                   1,16 €                          2,63 €

Beherbergungs- und Gaststättenleistungen:          3,51 €                          7,97 €

Andere Waren und Dienstleistungen:                      7,31 €                         16,60 €

Gesamtbedarf:                                                       240,32 €                      545,60 €

cc) Die einzige Bedarfsposition, die durch den Reit- und Klavierunterricht als gedeckt angesehen werden kann, ist die Position „Freizeit, Unterhaltung, Kultur“. Weil diese Position beispielsweise aber auch für Theater- und/oder Kinobesuche sowie Wochenendunternehmungen besteht, kann nach Ansicht des Senats nur ein Anteil von rund 60,- € monatlich für den Reit- oder Klavierunterrichtsbedarf angesetzt werden; im Übrigen können die Aufwendungen für den Reit- und Klavierunterricht der Klägerin nur als Deckung eines Mehrbedarfs eingestuft werden, der nicht aus dem Elementarunterhalt gedeckt werden kann.

dd) Demnach sind die zweckgebundenen Zahlungen des Beklagten für Reit- und Klavierunterricht bis zur Höhe von monatlich 60,- € auf den geschuldeten Elementarbedarf anzurechnen, so dass noch Beträge in Höhe von monatlich (258,20 € - 60,- € =) 198,20 € an ungedecktem Bedarf verblieben sind. Das Sechsfache dieses Betrages sind die im Tenor zu 3. ausgeurteilten 1.189,20 €.

 

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