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OLG Bremen: Keine sofortige Begrenzung des Ehegattenunterhalts

 

OLG Bremen: Keine sofortige Begrenzung des nachehelichen Unterhalts

BGB §§ 1573 II, 1578b II

Auch bei einer Trennungszeit von rund zweieinhalb Jahren mit korrespondierender Unterhaltsverpflichtung ist eine sofortige Begrenzung des Aufstockungsunterhaltsanspruchs ab Rechtskraft der Scheidung nicht möglich. Wie das Oberlandesgericht Bremen entschieden hat, lässt die neue Vorschrift des § 1578b II BGB eine sofortige Begrenzung des Unterhaltsanspruchs ab Rechtskraft der Scheidung im Regelfall nicht zu. Vielmehr ist dem Berechtigten eine Übergangszeit einzuräumen, damit er sich nach der Scheidung auf eine Kürzung des eheangemessenen Unterhalts einstellen kann.

OLG Bremen, Beschluss vom 12.09.2008 - 5 WF 62/08; BeckRS 2008, 23245

Sachverhalt

Die im Jahre 1999 geschlossene Ehe der Parteien war kinderlos geblieben. Seit Februar 2006 lebten die Parteien getrennt, der Scheidungsantrag wurde im Juni 2007 zugestellt. Die im Jahre 1974 geborene Ehefrau ist gelernte Friseurin; während der Ehe war sie im Geringverdienerbereich beschäftigt. Der Ehemann ist gelernter Bürokaufmann und mittlerweile arbeitslos. Die Ehefrau begehrte im Rahmen des Verbundverfahrens PKH für einen Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts von monatlich 464 Euro. Das AG hat den Antrag abgelehnt mit der Begründung, der sich rechnerisch ergebende Unterhaltsanspruch sei nach § 1578b II BGB ausgeschlossen. Da die Ehefrau keinerlei ehebedingte Nachteile erlitten habe und in ihrem erlernten Beruf arbeiten könne, erscheine eine weitere Belastung des Ehemannes unbillig. Die sofortige Beschwerde der Ehefrau erwies sich als begründet.

Rechtliche Wertung

Nach Ansicht des OLG ist hier – statt eines Anspruchsausschlusses – eine Befristung von einem Jahr angezeigt. Bei einem anzusetzenden Bruttolohn von 7,00 Euro/Stunde könne auf seiten der Ehefrau bei Steuerklasse I ein Nettoeinkommen von rund 896 Euro, unter Heranziehung von Trinkgeldern ein Nettoeinkommen von insgesamt 1.000 Euro angenommen werden. Eine sofortige Begrenzung könne nach § 1578b II BGB im Regelfall nicht angenommen werden. Schon der Wortlaut der Vorschrift stehe der sofortigen Begrenzung des Anspruchs entgegen; denn eine zeitliche Begrenzung setze denknotwendig einen begrenzten Zeitraum voraus, in dem Unterhalt geschuldet sei. Aber auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprächen gegen eine sofortige Begrenzung. Auch in Fällen, in denen ehebedingte Nachteile nicht ohne weiteres zu erkennen seien, könne man der Vorschrift nicht entnehmen, dass ein Aufstockungsunterhalt von vornherein ausgeschlossen sein solle. Die Vorschrift des § 1578b BGB sei als Ausnahmetatbestand von einer unbefristeten Unterhaltspflicht konzipiert; nach der Rechtsprechung des BGH sei dem Berechtigten jedenfalls eine Übergangszeit einzuräumen, die ihren Grund darin finde, dass der Berechtigte nach der Scheidung Zeit benötige, um sich auf die Kürzung des eheangemessenen Unterhalts einzustellen.

Praxishinweis

Einzelheiten zur Begrenzung und Befristung des nachehelichen Aufstockungsunterhalts wurden bereits in der Besprechung des BGH-Urteils vom 25.06.2008 (XII ZR 109/07, BeckRS 2008 14068; Anmerkung Born, FD-FamR 2008, 265305) dargestellt. Der BGH hat dort ausgeführt, dass schon nach früherer Rechtslage eine zeitliche Befristung des Anspruchs in Betracht kam (§§ 1573 V, 1578 I 2 BGB a.F.). In dieser Entscheidung wurde auch schon darauf hingewiesen, dass es im Einzelfall für den Unterhaltsgläubiger nach einer Übergangszeit zumutbar ist, auf einen Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu verzichten und sich stattdessen mit einem Lebensstandard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte (BGH, Urteil vom vom 14.11.2007 - XII ZR 16/07, NJW 2008, 151; Anmerkung Born, FD-FamR 2008, 249989). Diese Rechtsprechung ist auch in die gesetzliche Neuregelung des § 1578b BGB zum 01.01.2008 eingeflossen.

Da die neue Vorschrift (ebenso wie die früheren Vorschriften) als Ausnahmetatbestand von einer unbefristeten Unterhaltspflicht konzipiert ist, trägt der Unterhaltsschuldner die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, die zu einer Befristung oder Beschränkung von nachehelichem Unterhalt führen können. Sofern der Schuldner aber Tatsachen vorgetragen hat, die – wie zum Beispiel Aufnahme oder Fortführung einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit im erlernten oder vor der Ehe ausgeübten Beruf – einen Wegfall ehebedingter Nachteile (und damit einer Begrenzung des nachehelichen Unterhalts) nahelegen, ist es Sache der Unterhaltsgläubigerin, Umstände darzulegen und zu beweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung und für eine längere «Schonfrist» für die Umstellung auf den Lebensstandard nach den eigenen Einkünften sprechen. Die Länge der Übergangszeit vom Wegfall ehebedingter Nachteile bis zum Fortfall des Aufstockungsunterhalts richtet sich nicht schematisch nach der Ehedauer. Ihr Grund liegt vielmehr darin, dass der Berechtigte nach der Scheidung Zeit benötigt, um sich auf die Kürzung des eheangemessenen Unterhalts einzustellen. In diesem Rahmen können zwar die Dauer der Ehe und das Alter des Berechtigten nicht unberücksichtigt bleiben. Aber auch bei sehr langer Ehedauer kann es dem Berechtigten in Fällen, in denen er seit vielen Jahren vollschichtig erwerbstätig ist, regelmäßig zugemutet werden, seine persönlichen und finanziellen Verhältnisse innerhalb einer gewissen Übergangszeit auf die Einkünfte ohne Unterhaltsleistungen des anderen Ehegatten einzurichten. Wie das OLG Hamm kürzlich entschieden hat (Beschluss vom 05.02.2008 - 1 WF 22/08, NJW 2008, 2448; Anmerkung Born, FD-FamR 2008, 265308), wirkt sich die prozessuale Übergangsregelung für das neue Unterhaltsrecht materiell-rechtlich so aus, dass das Ergebnis der Billigkeitsprüfung einer weiteren Zumutbarkeitsprüfung zu unterziehen ist danach, ob und ab wann der Gläubigerin der gänzliche Wegfall des nachehelichen Unterhaltsanspruchs unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zugemutet werden kann.

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