Umgangsrecht im Wechselmodell nach dem letzten BGH-Beschluss
Die Eltern können die Betreuung des Kindes gleichmäßig im Wechsel durchführen, was bedeutet, dass das Kind beispielsweise eine Woche lang bei der Kindesmutter und anschließend eine Woche beim Kindesvater lebt. Zuvor konnten die Eltern eine derartige Regelung ohne das Gericht einverständlich selbst regeln, ohne dass das Gericht sich dafür ausgesprochen hätte. Nun hat das oberste Gericht entschieden, dass dies auch gerichtlich festgelegt werden kann. Zuvor bestand insgesamt die Auffassung, dass dies nicht gegen den Willen eines Elternteils durch das Gericht festgelegt werden kann. Wenn mithin ein Elternteil nicht will, dass das Kind im Wechsel bei einem Elternteil lebt und dann beim anderen, konnte dieser Elternteil nicht gezwungen werden. Nun ist dies in der Zukunft möglich. Denn bereits seit Langem wird zwischen den Eltern diese Vorgehensweise praktiziert und ist insgesamt bekannt. Zudem bietet es für die Eltern eine gerechte und gleichzeitig gute Lösung, da beide die tatsächliche Verantwortung für das Kind teilen und weiterhin intensiven Kontakt zum Kind pflegen und seinen Alltag miterleben können. Zugleich hat jeder auch in der kinderfreien Zeit die Möglichkeit, sich um eine neue Partnerschaft oder eine berufliche Weiterentwicklung zu kümmern.
Dies bringt natürlich für das Kind auch Nachteile mit sich: Es hat sich mit vielleicht zwei verschiedenen Erziehungsstilen auseinanderzusetzen, vor allem dann, wenn jeweils neue Lebensgefährten bei den Eltern hinzukommen, unterschiedliche Anfahrtswege zur Schule, eine wöchentliche Umgewöhnung im Alltag usw. Zudem kann sich ein Kind auch fremd fühlen, wenn in einer neuen Partnerschaft neue Kinder da sind und das betroffene Kind immer nur für eine Woche eine Art Gast ist. Hat nun ein Gericht über ein derartiges Wechselmodell zu entscheiden, hat es bei der Berücksichtigung dieser Aspekte stets darauf zu achten, was nun dem Wohle des Kindes am besten entspricht, auch wenn sich vielleicht ein Elternteil gegen ein solches Wechselmodell richtet. Denn wenn es einem Kind guttut, soll es im Wechsel bei den Eltern leben, auch wenn sich einer querstellt.
Um im Einzelfall beurteilen zu können, wann denn eine solche Regelung dem Wohle des Kindes am besten entspricht, führt das oberste Gericht die seit Langem angewandten Kriterien an:
1. Erziehungseignung der Eltern
2. Bindungen des Kindes zu den Eltern
3. Die Prinzipien der Eltern zur Förderung des Kindes
4. Kontinuität des Kindes (= Konstanz im Kontakt zu den Eltern)
5. Kindeswille, der zu beachten ist
Zur Erziehungseignung der Eltern: In diesem Zusammenhang kommt es vor allem auf die Fähigkeit der Eltern an, miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren. Dies stellt selbstverständlich auch unabhängig vom Wechselmodell die Grundbasis für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge dar.
Es sollte zwischen den Eltern die Basis gegeben sein, in sachlich gebotener Weise sich über die Bedürfnisse des Kindes austauschen zu können, um auf diesem Wege zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen.
Zudem darf kein fortgesetzter Streit zwischen den Eltern zu einer Belastung des Kindes führen.
Soll demnach ein Wechselmodell angeordnet werden, sind dies die Grundvoraussetzungen, denn die Eltern werden viele Entscheidungen das Kind betreffend treffen müssen und einiges zu organisieren haben. Auch werden die Eltern ebenfalls miteinander in der Zeit zu kommunizieren haben, wenn das Kind sich gerade beim anderen Elternteil aufhält. Hierbei darf das Kind nicht in einen Konflikt gebracht werden, wessen Position es gerade einnimmt. Gleichzeitig sollten die Eltern in räumlicher Nähe zueinander wohnen. Denn die Schule und die Betreuungseinrichtungen müssen gewährleistet sein. Auch sollten die Eltern ihre Erwerbstätigkeit derart gestalten, dass diese mit der Kinderbetreuung vereinbar ist. Auch die Wohnungen sollten groß genug sein.
Zu den Bindungen und dem Willen des Kindes:
Es sollte eine sichere Bindung des Kindes zu beiden Elternteilen bestehen, was verständlicherweise nur ab einem gewissen Alter erreicht werden kann. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, in welchem Umfang beide Elternteile schon zur Zeit des Zusammenlebens die Betreuung des Kindes eingebunden waren. Deshalb kann ein Wechselmodell insbesondere nach der Trennung der Eltern auch zielführend sein, damit es die Elterntrennung bei starker Bindung an beide Elternteile nicht als Belastung erlebt und damit die Umstellung auf zwei Lebensmittelpunkte möglicherweise leichter gelingt. Ein wichtiger weiterer Punkt ist das Alter des Kindes, weil es dann entsprechend seinen Willen äußern kann, dem viel Wert beigemessen werden kann.
Zur Kompetenzverteilung zwischen den Eltern:
Hält sich ein Kind nur bei einem Elternteil dauerhaft auf, hat dieser Elternteil trotz des gemeinsamen Sorgerechts, welches mit dem anderen Elternteil ausgeübt wird, das alleinige Recht über die Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes zu entscheiden, also über solche, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Wird hingegen ein Wechselmodell angeordnet, wird bei diesen Angelegenheiten ein noch umfangreicheres gegenseitiges Einvernehmen der Eltern erforderlich sein. Die Eltern müssen sich abstimmen können, so dass Angelegenheiten wie Freizeitgestaltung, Umfang mit Fernsehen und Medien, Bettruhe, wann und wo werden Hausaufgaben erledigt, Arzt und Physiotherapiebesuche gut abgesprochen werden müssen als bei nur einem Wohnort des Kindes. Hier kann jedoch zu einer intakten Familie ein Vergleich gezogen werden, denn auch hier kann ein Elternteil nicht dauerhaft die gemeinsam getroffenen Leitlinien umgehen, sondern muss sich an Vereinbarungen halten.
Zusammenfassung: Bei getrennt lebenden Elternteilen ist eine regelmäßige Verständigung über die elterliche Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Leitlinien der Erziehung notwendig. Denn nachdem das Gericht ein derartiges Wechselmodell angeordnet hat, sind die Eltern im Weitern auf sich alleine gestellt und sollten nicht die eigenen Interessen mit dem Wechselmodell verfolgen, sondern die, welche dem Kind am besten dienen.