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Neues zum Volljährigenunterhalt / Kindesunterhalt

Volljährigenunterhalt / Anspruch auf Ausbildungsunterhalt / Zielstrebigkeit beim Ausbildungsbeginn

BGB §§ 242 , 1610 Abs. 2 

Das unterhaltsberechtigte Kind verliert den Ausbildungsunterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern nicht schon dann, wenn es ihm aufgrund eines notenschwachen Schulabschlusses erst nach drei Jahren vorgeschalteter Berufsorientierungspraktika und ungelernter Aushilfstätigkeiten gelingt, einen Ausbildungsplatz zu erlangen.

BGH, Beschl. v. 03.07.2013 - XII ZB 220/12 - AG Mayen

Sachverhalt

Die 1989 geborene Antragstellerin begehrt von ihrem Vater, dem Antragsgegner, Ausbildungsunterhalt für die Zeit ab September 2010. Die Antragstellerin lebte nach der Trennung ihrer Eltern im Jahre 1997 zunächst im Haushalt des Vaters in den Niederlanden, bevor sie 2003 zu ihrer Mutter nach Deutschland wechselte. Dort erwarb sie 2007 die mittlere Reife mit einem Notendurchschnitt von 3,6. Anschließend nahm sie eine eigene Wohnung und bestritt ihren Lebensunterhalt selbst, indem sie als ungelernte Kraft in verschiedenen Beschäftigungsverhältnisse eintrat und Praktika zum Teil in der Erwartung leistete, auf diese Weise Zugang zu einem Ausbildungsplatz zu erlangen. Im August 2010 begann sie eine Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin. Ihre Mutter erzielt als geringfügig Beschäftigte Einkünfte von monatlich höchstens 400 €.

Das AG hat den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Unterhalt für September 2010 bis Juli 2011 in Höhe von rund 2.900 € sowie laufenden Unterhalt ab August 2011 in Höhe von rund 219 € zu zahlen. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsinhalt

Der BGH hat sich zunächst mit der Anwendung deutschen Rechts auseinandergesetzt und sowohl die Zuständigkeit deutscher Gerichte angenommen als auch die Anwendbarkeit deutschen Rechts. Dies hat der BGH zum einen begründet mit Art. 5 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (Brüssel I-VO = EUGVVO), letzteres aus Art. 4 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (HUÜ 73) bzw. Art. 3 Abs. 1 des Haager Protokolls über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (Haager Unterhaltsprotokoll - HUP), weil die Antragstellerin als Unterhaltsberechtigte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Ferner hat der BGH einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt bejaht und sich damit auseinandergesetzt, ob die Zeit zwischen Schulabschluss und Ausbildungsbeginn dem entgegensteht. Dabei hebt er hervor, dass der Anspruch des Kindes auf Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt ist. Die Verpflichtung des Unterhaltsschuldners auf Ermöglichung einer Berufsausbildung besteht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten der Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Allerdings muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seiner Obliegenheit, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen. Daraus folgt also auch die Obliegenheit des Kindes, die Ausbildung in angemessener Zeit aufzunehmen. Auch ein Schulabgänger muss auf die Belange des Unterhaltspflichtigen Rücksicht nehmen und sich in angemessener Zeit darüber klar werden, welche Ausbildungsmöglichkeiten ihm nach seinem Schulabschluss zur Verfügung stehen. Er muss sich alsbald um einen entsprechenden Ausbildungsplatz bemühen und die Ausbildung zielstrebig beginnen. Ihm ist zwar eine gewisse Orientierungsphase zuzugestehen, deren Dauer von Fall zu Fall unterschiedlich ist und sich jeweils nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen des Auszubildenden richtet. Je älter er indessen bei Schulabgang ist und je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg. Selbst wenn er bisher noch keine Berufsausbildung erfahren hat, kann eine lange Verzögerung dazu führen, dass sein Ausbildungsanspruch entfällt und er sich daher seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Fertigkeiten verdienen muss. Der BGH hat allerdings hervorgehoben, dass es keine feste Altersgrenze für die Aufnahme einer Ausbildung gibt, ab deren Erreichen der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt. Dies richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch zumutbar ist. Insbesondere mutet § 1610 Abs. 2 BGB den Eltern nicht zu, sich ggf. nach Ablauf mehrerer Jahre, in denen sie nach den schulischen Ergebnissen und dem bisherigen Werdegang des Kindes nicht mehr mit der Nachholung etwa der Hochschulreife oder der Aufnahme eines Studiums rechnen mussten, einen Ausbildungsanspruch des Kindes ausgesetzt zu sehen. Dabei kann auch ins Gewicht fallen, dass es sich um Zeiträume handelt, in denen steuerliche Erleichterungen, Kindergeld oder kindbezogene Gehaltsbestandteile aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Kindes unabhängig von seinem Ausbildungsstand wegfallen. Allerdings sind Verzögerungen insbesondere dann hinzunehmen, wenn sie auf einer psychischen Erkrankung des Kindes beruhen. Aufgrund dieser Erwägungen hat der BGH den Zeitraum zwischen Schulabschluss und Aufnahme einer Ausbildung noch nicht als schädlich für den Ausbildungsunterhalt angesehen. Dabei weist der BGH darauf hin, dass die Antragstellerin 2007 im Alter von 18 Jahren die mittlere Reife absolviert hat. Den verzögerten Schulabschluss aufgrund des Wiederholens einer Klasse muss der Unterhaltspflichtige hinnehmen. Außerdem kann einem Kind ein schulisches Versagen während seiner Minderjährigkeit ohnehin kaum vorgeworfen werden. Ferner ist nach Auffassung des BGH der Antragstellerin unterhaltsrechtlich nicht vorzuwerfen, dass sie nicht sofort nach Erlangung des Schulabschlusses in ein Ausbildungsverhältnis eintrat. Dazu ist ihr eine gewisse Übergangszeit zuzugestehen. Diese liegt im tatrichterlichen Ermessen. Dabei durfte das OLG berücksichtigen, dass es Bewerbern mit guter Ausgangsqualifikation, die sich vor allem in guten Schulnoten ausdrücken kann, im ersten Zugriff grundsätzlich leichter gelingt, einen Ausbildungsplatz zu erlangen als Bewerbern mit schwächerer Qualifikation. Letztere sind verstärkt darauf angewiesen, durch Motivation und Interesse an dem Berufsbild zu überzeugen, was auch durch vorgeschaltete Berufsorientierungspraktika oder mittels eines Einstiegs über eine zunächst ungelernte Aushilfstätigkeit gelingen kann. Insoweit hat der BGH die Auffassung des OLG und die tatrichterliche Wertung als im Rahmen des Beurteilungsspielraumes gebilligt, dass der Umstand, dass sie in den Jahren 2009 mehrere Praktika absolviert hat, nicht gegen Obliegenheiten verstoßen hat, weil sie dies mit dem Ziel getan hat, im Anschluss hieran bei dem jeweiligen Unternehmen einen Ausbildungsplatz zu erlangen. Allerdings weist der BGH darauf hin, dass sie für 2008 keine konkreten Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz vorgetragen hat. Darin hat der BGH allerdings noch keine Obliegenheitsverletzung gesehen. Ferner hat der BGH keine Umstände gesehen, aus denen sich ergibt, dass die angeordnete Unterhaltsverpflichtung den Antragsgegner unzumutbar belasten könnte. In Anbetracht der schwierigen Ausbildungsmarktlage für Schulabsolventen mit schwacher Notenqualifikation musste der Antragsgegner damit rechnen, dass die Antragstellerin eine Ausbildungsstelle erst würde antreten können, nachdem sie sich in vorgeschalteten Berufsorientierungspraktika oder ähnlichen Tätigkeiten bewährt hatte. Auch liegt die gesamte Ausbildung noch innerhalb des Zeitraums vor der Vollendung des 25. Lebensjahres, für den Kindergeld beansprucht werden kann, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird. Aus dieser gesetzlichen Regelung, § 2 Abs. 2 Nr. 2 BKGG , ergibt sich nach Auffassung des BGH insbesondere, dass die Rechtsordnung eine Berufsausbildung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres unabhängig von ihrer Art grundsätzlich als förderungswürdig anerkennt. Außerdem handelt es sich um eine erste Ausbildung der Antragstellerin, die der Antragsgegner zu finanzieren hat. Zudem muss er vergleichsweise geringe Beträge zahlen, die innerhalb des Ausbildungszeitraums wegen der jährlich steigenden Ausbildungsvergütung sich sogar noch weiter verringern. Anschließend hat der BGH sich mit der Höhe des Unterhalts befasst. Insoweit hat er geprüft, ob sich der Bedarf der Antragstellerin dadurch ändert, dass sie mit einem Partner zusammenlebt. Da dies bestritten ist, hat der BGH allerdings gebilligt, dass das OLG den Vortrag zum Zusammenleben als nicht substantiiert angesehen hat. Sodann ist der BGH von einem bereinigten monatlichen Nettoeinkommen von 1.783 € abzüglich 5 % berufsbedingter Aufwendungen und Krankenversicherungsbeiträge von 274,77 € ausgegangen. Nach Abzug des angemessenen Selbstbehalts, den das OLG unter Hinweis auf seine Leitlinien mit 1.100 € bis Ende 2010 bzw. 1.150 € für die Zeit danach bemessen hat, war der Antragsgegner für den zugesprochenen Unterhalt leistungsfähig und konnte den Unterhalt erbringen. Etwas anderes folgt auch nicht aus den erhöhten Selbstbehalten, die der Senat gegenüber einem vormals wirtschaftlich selbständigen Kind gebilligt hat. Ein Kind, das die Phase vor seiner Erstausbildung durch Berufsorientierungspraktika und ähnliche Tätigkeiten überbrückt, ist noch nicht wirtschaftlich selbständig im vorbezeichneten Sinne. Eine Erhöhung des Selbstbehalts aufgrund des Aufenthalts des Unterhaltspflichtigen in den Niederlanden hat der BGH abgelehnt. Er geht zwar auch davon aus, dass die Lebenshaltungskosten um 4,5 % höher liegen als in der Bundesrepublik. Seiner Auffassung nach lässt sich dies jedoch mit dem Selbstbehalt abgelten.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BGH verursacht leichtes Unbehagen. Zu berücksichtigen ist, dass das Kind im Jahre 2007 die mittlere Reife mit einem Notendurchschnitt von 3,6 bestanden hat und bewusst 2010 erst eine Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin begonnen hat. Zwischen Schulabschluss und Ausbildungsbeginn liegen also drei Jahre. Bis dahin hat das Kind häufiger berufsorientierte Praktika absolviert und war in ungelernten Tätigkeiten tätig. Der BGH geht nun davon aus, dass dies alles unter der Prämisse stattgefunden hat, bei den jeweiligen Unternehmen, insbesondere auch bei den Arbeitgebern, bei denen die ungelernten Tätigkeiten ausgeführt worden sind, eine Arbeitsstelle zu erlangen. Jedoch vermochte das Kind für das Jahr 2008 nicht eine einzige Bewerbung vorzulegen. Dabei geht der BGH davon aus, dass wegen der schlechten Schulnoten mit derartigen Verzögerungen zu rechnen ist. Genauso gut könnte man sagen, dass die Ausübung von ungelernten Tätigkeiten bei derartigen Schulnoten dafür spricht, dass das Kind gar keine Absicht hat, eine Ausbildung zu beginnen und sich mit ungelernten Tätigkeiten begnügt. Hier stellt sich schon die Frage, ob der Vater überhaupt damit rechnen musste, dass das Kind noch ein Ausbildungsverhältnis eingehen wird. In seiner Entscheidung vom 04.03.1998 ( FamRZ 1998, 671 ) hat der BGH durchaus anders entschieden. In dem dortigen Fall war das Kind nach dem endgültigen Abgang vom Gymnasium zunächst 1 ½ Jahre erwerbstätig und arbeitslos, leistete sodann 1 ½ Jahre Zivildienst und arbeitete danach wiederum ein Jahr mit wechselnden Zeiten, ohne eine klare Planung und Zielstrebigkeit erkennen zu lassen, eine Berufsausbildung aufzunehmen. Letztlich wird es also auf die tatrichterliche Wertung ankommen, wie die einzelnen Umstände zu würdigen sind. Hinzu kommt, dass die Zahlung des Unterhalts dem Vater durchaus schwerer fällt als vom BGH angenommen. Er verfügt über ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 1.418,65 €. Nach Abzug des Volljährigenunterhalts in Höhe von 284 bis 218,82 € verblieb ihm gerade mal etwas mehr als der Selbstbehalt von 1.100 € bzw. 1.150 € für die Zeit ab Januar 2011. Von daher lässt sich schon die Frage stellen, ob es dem Vater wirklich zumutbar war, im Hinblick auf die erheblichen Verzögerungen bis zur Aufnahme einer Ausbildung zu deren Finanzierung beizutragen.

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Trennungsunterhalt - Scheidungsunterhalt – Kindesunterhalt - Elternunterhalt

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