Scheidungsrecht Rechtsprechung: Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Ehevertrag, Düsseldorfer Tabelle

Kriterien für die Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts

Für die Entscheidung einer Unterhaltsbegrenzung nach § 1578b BGB sind zwei unterschiedliche Gesichtspunkte zu prüfen.

Ein ehebedinger Nachteil auf Seiten der Unterhaltsberechtigen,

Und sonstige Billigkeitsgesichtspunkte auf Seiten beider Ehegatten im Rahmen der nachehelichen Solidarität.

Kriterien für die Begrenzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578b BGB

Für die Entscheidung einer Unterhaltsbegrenzung nach § 1578b BGB sind zwei unterschiedliche Gesichtspunkte zu prüfen.

  • Ein ehebedinger Nachteil auf Seiten der Unterhaltsberechtigen,

  • Und sonstige Billigkeitsgesichtspunkte auf Seiten beider Ehegatten im Rahmen der nachehelichen Solidarität.

 

  1. Ehebedingter Nachteil

Ein ehebedingter Nachteil der Unterhaltsberechtigten ist nur dann gegeben, wenn sie konkret aufgrund der ehe berufliche Einschränkungen erlitten hat und daher durch eigene Erwerbstätigkeit nicht das Einkommen erzielen kann, das sie ohne Ehe (und ggf. Kindererziehung) erzielen könnte. Ehebedingt -im Sinne einer echten Kausalität ist nur ein solcher Nachteil, der auf die konkrete Lebensgestaltung während des Zeitraums von der Heirat bis zur Zustellung des Scheidungsantrags zurückzuführen ist. Damit scheiden alle Ursachen aus, die zum persönlichen Lebensrisiko zu zählen sind wie z.B. Krankheit, Arbeitslosigkeit.

Ein solcher ehebedingter Nachteil wurde unter anderem in folgenden Konstellationen angenommen:

  • Die Berechtigte verzichtet wegen der Heirat auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder gibt eine schon ausgeübte Erwerbstätigkeit auf;

  • Sie erleidet Nachteile aufgrund eines ehebedingten Arbeitsplatzwechsels;

  • Im Rentenalter bleiben ihre aus nachehelicher Tätigkeit erzielten Alterseinkünfte hinter dem zurück, was sie ohne ehebedingte Beschränkung der Erwerbstätigkeit an Alterseinkommen hätte erzielen können;

  • Infolge der Rollenverteilung während der Ehe wurde keine ausreichende eigene Absicherung für krankheitsbedingte Einkommenseinbußen erreicht, zum Beispiel wegen fehlender Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente.

Umstände, die aus einem vorehelichen Zusammenleben rühren, können hier nicht berücksichtigt werden. Maßgeblich sind nur Umstände aus dem Zeitraum zwischen Heirat und der Zustellung des Scheidungsantrags. Damit kann auch eine vor der Heirat liegende Zeit der Betreuung gemeinsamer Kinder nicht als Begründung für einen ehebedingten Nachteil herangezogen werden. Um als Nachteil i.S.d. § 1578b BGB Bedeutung zu erlangen, muss es sich um einen ehebedingten Nachteil handeln. Nachteile sind aber nur dann ehebedingt, wenn sie auf die konkrete Lebensgestaltung während der Ehe zurückzuführen sind. Also nur die aufgrund der Rollenverteilung während des ehelichen Zusammenlebens entstandenen Nachteile sind relevant (Kausalität). Andere Ursachen führen nicht zu ehebedingten Nachteilen. Notwendig ist also ein echter Kausalzusammenhang zwischen Lebensführung und Erwerbsnachteilen, wobei es nicht auf ein etwaiges Einverständnis der unterhaltspflichtigen Ehegatten ankommt, sondern allein auf die in der Ehe tatsächlich praktizierte Rollenverteilung. Daher stellt es auch keinen ehebedingten Nachteil dar, wenn die Berechtigte aufgrund der Eheschließung einen Unterhaltsanspruch aus früherer Ehe verliert, denn das Erlöschen des Anspruchs ist zwingende Rechtsfolge der erneuten Heirat und hängt nicht von der tatsächlichen Lebensgestaltung und Rollenverteilung in der neuen Ehe ab. Eine Erkrankung ist in aller Regel nicht ehebedingt, sondern meist schicksalhaft mit der Folge, dass ein ehebedingter Nachteil nicht schon dann bejaht werden kann, wenn die Krankheit während der Ehe eingetreten ist.

 

Praxishinweis:

  1. Hier sind auch im Familienrecht genaue Kausalitätsüberlegungen anzustellen, die man sonst nur aus Schadensersatzprozessen gewohnt ist.

  2. Abzustellen ist auf das – fiktive- Leben einer erwerbstätigen, ledigen und kinderlosen Frau. Die Ehe mit ihren konkreten Lebensumständen muss dagegen weggedacht werden.

  3. Konkreter anwaltlicher Sachvortrag zu diesem fiktiven Leben ist unverzichtbar.

  4. Damit spielt auch der eheliche Lebensstandard, der vom höheren Einkommen des Ehemannes abgeleitet ist, an dieser Stelle keine Rolle.

  5. Auch der unterhaltspflichtige Ehegatte muss sich mit dem fiktiven Lebenslauf des anderen Ehegatten auseinandersetzen.

  6. Regelmäßig fehlt aber die genaue Kenntnis über den vorehelichen beruflichen Werdegang des anderen Ehegatten. Eine greifbare und verlässliche Informationsquelle ist in diesem Zusammenhang der im Scheidungsverfahren eingeholte Versicherungsverlauf im Versorgungsausgleich, in dem Erwerbszeiten vor der Ehe, die Höhe des früheren Erwerbseinkommens und die Lücken in der Erwerbsbilanz während der Ehe genau verzeichnet sind.

  7. Diese Informationen aus dem Versicherungsverlauf können als Grundlage für die hypothetische Erwerbsbiografie herangezogen werden.

  8. Zu bedenken ist allerdings, dass das Gericht nicht zwingend die Akten des Scheidungsverfahrens beiziehen muss. Um die Berücksichtigung der Informationen aus dem Versicherungsverlauf in dem den Regeln der ZPO (Parteimaxime, Beibringungsgrundsatz) unterfallenden Unterhaltsrechtsstreit sicher zu gewähren, sollten diese Informationen als anwaltlicher Sachvortrag in das Verfahren eingebracht und zum Beweis auf den Versicherungsverlauf Bezug genommen werden.

     

     2. Nacheheliche Solidarität

Zwar stellt § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB vorrangig (insbesondere) auf das Vorliegen eines ehebedingten Nachteils ab; das bedeutet aber nicht im Umkehrschluss, dass der Anspruch beim Fehlen solcher Nachteile regelmäßig zu befristen wäre. Denn die Vorschrift ist nicht auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile beschränkt. Vielmehr ist im Rahmen der Billigkeitsabwägung auch eine darüberhinausgehende nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen.

 Praxishinweis:

Im Rahmen der allgemeinen Billigkeitsabwägung können unter dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität zahlreiche Gründe für oder gegen eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs eine Rolle spielen. Hier kommt es auf umfassenden anwaltlichen Sachvortrag an! Von Bedeutung für diese Billigkeitsentscheidung ist dabei einerseits die Notwendigkeit der Unterhaltszahlungen für die Berechtigte und andererseits die dadurch entstehende Belastung für den Unterhaltspflichtigen. Relevant sind dabei aber auch die Leistungen beider Ehegatten während der Zeit der Ehe (Lebensleistung) wie z.B. die Betreuung der Kinder, die Finanzierung der Ausbildung des Ehemannes usw., aber auch die Dauer und die Höhe der bisher geleisteten Unterhaltszahlungen. Sinnvoll ist es, hier genau aufzulisten, welche Beträge insgesamt seit der Trennung geflossen sind und dies in Relation zum Einkommen und zu den ggf. getragenen sonstigen Belastungen zu setzen.

In der Billigkeitsabwägung einfließen können folgende Gesichtspunkte:

  • Besondere Leistungen des Ehegatten während der Zeit überobligatorischer Einsatz während der Ehe zugunsten des Partners

  • Betreuung von 4 Kindern während der 20 Jahre dauernden Ehe,

  • Besonderer Einsatz bei der Betreuung der gemeinsamen Kinder,

  • Betreuung des Partners während längerer Krankheit,

  • Versorgung eines Kindes des Ehegatten aus erster Ehe oder eines gemeinsamen Pflegekindes,

  • Finanzierung der Ausbildung (erfolgt diese Finanzierung während der Ehe, erwächst daraus auch ein ehebedingter Vorteil des anderen Ehegatten.

  • Mitarbeit im Erwerbsgeschäft des Ehegatten,

  • Die Pflege oder Unterstützung der Schwiegereltern,

  • Bereitstellung von ererbtem Vermögen für den Erwerb eines gemeinsamen Hauses, oder

  • Die Tilgung von persönlichen Schulden des Ehegatten.

 

Im Rahmen der Lebensleistung der Berechtigten ist weiter von Bedeutung, inwieweit der unterhaltspflichtige Ehegatte seinen beruflichen Aufstieg und das aktuelle Einkommen in besonderem Maße der Ehe mit der Berechtigten zu verdanken hat. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich die heutigen Einkommensverhältnisse als Fortwirkung von Karrierechancen darstellen, die ihm vom Berechtigten ermöglicht worden sind. Eine lange Ehedauer allein rechtfertigt keinen dauernden Unterhalt nach den -die eigene Lebensstellung übersteigenden – ehelichen Lebensverhältnissen. Denn es gibt keinen „Automatismus“ zwischen Ehedauer und Anspruch mit der Folge, dass ab einer bestimmten Ehedauer regelmäßig von einem ungekürzten Unterhaltsanspruch auszugehen wäre. Jedoch kann eine lange Ehedauer häufig Indizwirkung für eine starke wirtschaftliche Verflechtung bzw. Abhängigkeit sein, die durch Aufgabe einer Erwerbstätigkeit wegen Kindesbetreuung oder Haushaltsführung eingetreten ist. Denn diese für die Bewertung bei § 1578b BGB entscheidende wirtschaftliche Abhängigkeit entsteht insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung.

 

3. Darlegungs- und Beweislast

 

Da es sich bei § 1578b BGB um eine Einwendung handelt, muss der Unterhaltspflichtige die Tatsachen vortragen, die für eine Unterhaltsbeschränkung sprechen. Im Rahmen der Verteilung von primärer und sekundärer Darlegungslast

  • kann sich der Unterhaltspflichtige zunächst darauf beschränken, die Anspruchsbeschränkung geltend zu machen und das Vorliegen von ehebedingten Nachteilen bei der Berechtigten zu bestreiten,

  • dann ist es Aufgabe der Unterhaltsberechtigten, in Form eines substantiierten Bestreitens darzulegen, welche konkreten ehebedingten Nachteile ihr entstanden sein sollen;

  • erst wenn dieser Vortrag erfolgt ist, besteht beim Unterhaltspflichtigen die Notwendigkeit, die von der  Gegenseite vorgetragenen ehebedingten Nachteile zu widerlegen.