Scheidungsrecht Rechtsprechung: Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Ehevertrag, Düsseldorfer Tabelle

Elternunterhalt - bleibt ein "Notgroschen"?

Altersunterhalt/ Vermögensverwertung/ selbstgenutzte Immobilie/ Altersversorgung/Notgroschen

BGB § 1603 Abs. 1 ,§ 1606 Abs. 3, § 1607 Abs. 2; SGB XII § 35 Abs. 2 S. 1 

a)    Der Wert einer selbst genutzten Immobilie bleibt bei der Bemessung des Altersvorsorgevermögens eines auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen grundsätzlich unberücksichtigt.  

b)    Sonstiges Vermögen in einer Höhe, die sich aus der Anlage von 5 % des Jahresbruttoeinkommens ergibt, braucht vor dem Bezug der Altersversorgung regelmäßig nicht zur Zahlung von Elternunterhalt eingesetzt zu werden.  

c)    Zum sog. Notgroschen, der einem Unterhaltspflichtigen gegenüber der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt zusätzlich zusteht.  

BGH, Beschl. v. 07.08.2013 – XII ZB 269/12 – AG Fürth

Sachverhalt

Der Antragsteller macht aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Elternunterhalt für die Zeit von Juli 2008 bis Februar 2011 geltend. Die 1926 geborene Mutter des Antragsgegners lebt in einem Altenpflegeheim. Da sie die Kosten des Heimaufenthaltes aus ihren Einkünften und den Leistungen der Pflegeversicherung nicht vollständig aufbringen konnte, gewährte ihr der Antragsteller Sozialhilfe. Mit Rechtswahrungsanzeige vom 15.07.2008 verständigte er den Antragsgegner hiervon. Der Antragsgegner ist als Elektriker tätig und erzielte 2008 ein Jahresbruttoeinkommen von rund 27.500 €. Ihm entstanden Kosten für die Fahrt mit dem Pkw zur Arbeitsstelle, darüber hinaus hatte er Versicherungsbeiträge zu zahlen. Er bewohnt eine 1996 zu Alleineigentum erworbene Eigentumswohnung. Da das Einkommen des Antragsgegners nach Auffassung des Antragstellers auch unter Berücksichtigung eines Wohnvorteils unterhalb des Selbstbehalts lag, forderte er Unterhaltsleistungen aus dem Vermögen des Antragsgegners. Dieses bestand neben der Eigentumswohnung zum einen aus einem Sparguthaben, das sich zum 30.11.2009 auf rund 6.500 € belief, sowie aus drei Lebensversicherungen mit einem Gesamtwert von rund 63.000 €. Außerdem ist der Antragsgegner gemeinsam mit seiner Schwester Miteigentümer eines Hauses in Italien. Eine der Lebensversicherungen im Werte von rund 30.000 € hat er aufgelöst und mit dem Auszahlungsbetrag Verbindlichkeiten in Italien zurückgeführt. Der Antragsgegner hat drei Schwestern, von denen zwei in Italien leben. Die dritte Schwester, die bei dem Antragsgegner in Deutschland wohnt, verfügt über Renteneinkünfte, die den Selbstbehalt nicht übersteigen. Der Antragsteller hat den Antragsgegner auf Zahlung von rund 17.000 € in Anspruch genommen. Das AG hat ihn verpflichtet, für die Zeit von Januar bis November 2009 Unterhalt in Höhe von rund 5.500 € zu zahlen. Den weitergehenden Antrag hat es abgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat das OLG zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsinhalt 

Der BGH hat sich zunächst mit dem Bedarf der Mutter des Antragsgegners befasst und bezüglich der geltend gemachten Heimkosten keine Bedenken angemeldet sowie außerdem darauf hingewiesen, dass neben den Heimkosten auch der Barbetrag von § 35 Abs. 2 S. 1 SGB XII als unterhaltsrechtlich relevanter Bedarf anzuerkennen ist. Dies begründet der BGH damit, dass ein in einem Heim lebender Unterhaltsberechtigter darauf angewiesen ist, für seine persönlichen, von den Leistungen der Einrichtung nicht erfassten Bedürfnisse über bare Mittel verfügen zu können, weil er anderenfalls nicht in der Lage wäre, diese Bedürfnisse zu finanzieren. Anschließend hat der BGH sich mit der Leistungsfähigkeit beschäftigt, von dem Einkommen des Antragsgegners die Sozialabgaben und die Leistungen für die Lebensversicherungen mit rund 75 € als angemessene Altersversorgung abgezogen und beanstandet, dass sich das OLG nicht mit den von ihm geltend gemachten Fahrtkosten für die Fahrten von und zum Altenpflegeheim zum Besuch seiner Mutter in Höhe von rund 70 € auseinandergesetzt hat. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass solche Aufwendungen einer sittlichen Verpflichtung entsprechen und zu berücksichtigen sind. Sodann hat der BGH sich mit dem Wohnvorteil befasst. In diesem Zusammenhang hat er darauf hingewiesen, dass sich der Wohnwert nicht nach der erzielbaren objektiven Marktmiete richtet, sondern sich auf der Grundlage der unter den gegebenen Verhältnissen ersparten Miete einer angemessenen Wohnung bemisst. Dabei hat er unbeanstandet gelassen, dass das OLG einen angemessenen Wohnwert von rund 340 € angesetzt hat. Aufgrund der danach anzustellenden Berechnung ist der BGH zu dem Ergebnis gelangt, dass der damalige Selbstbehalt nicht gewahrt wurde, so dass sich der BGH sodann damit auseinander zu setzen hatte, ob die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners durch Verwertung des Vermögens gegeben ist. Dabei geht der BGH davon aus, dass grundsätzlich eine Verpflichtung besteht, sein Vermögen einzusetzen und die Grenzen sich daraus ergeben, dass nach dem Gesetz auch die sonstigen Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen sind und er seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht zu gefährden braucht. Daraus leitet der BGH ab, dass eine Verwertung des Vermögensstammes dann nicht verlangt werden kann, wenn sie den Unterhaltsschuldner von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde, die er zur Erfüllung weiterer Unterhaltsansprüche oder anderer berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten und zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts benötigt. Aus diesem Grunde hat der BGH zunächst das Vermögen ausgeklammert, das zur Sicherstellung einer angemessenen Altersversorgung erforderlich ist. Die Höhe des Vermögens hat der BGH in der Weise gerechnet, dass der Antragsgegner von Beginn seiner beruflichen Tätigkeit an 5 % seines jetzigen Bruttoeinkommens zurücklegen durfte und dabei von einer jährlichen Kapitalverzinsung von 4 % auszugehen ist. Der BGH hat unbeanstandet gelassen, dass zusätzliche Altersvorsorge seit Beginn der Erwerbstätigkeit des Antragsgegners im Jahre 1971 zu berücksichtigen ist, und nicht etwa erst ab Rechtsprechung des BGH zu diesem Komplex. Ferner hat der BGH beanstandet, dass das OLG als Kapitalverzinsung nur 3 % in Ansatz gebracht hat. Zwar gesteht der BGH zu, dass sich die Renditen in der Zwischenzeit verringert haben, in Bezug auf die langjährige Rendite jedoch ein Renditerückgang der letzten Jahre nicht zu einer derart gravierenden Verkürzung des Durchschnittszinses führen darf. Auf diese Weise ergibt sich ein Betrag von über 100.000 €.

Diesen Betrag hat der BGH dem sonstigen tatsächlichen Vermögen des Antragsgegners gegenübergestellt. Dies bestand beim Sparguthaben in Höhe von rund 6.400 € und den beiden verbliebenen  Lebensversicherungen in Höhe von rund 53.000 €. Der BGH hat im Übrigen akzeptiert, dass der Antragsgegner die dritte Lebensversicherung im Jahre 2009 aufgelöst hat, weil er damit Verbindlichkeiten für die Immobilie in Italien beglichen hat. In diesem Zusammenhang hat der BGH sich insbesondere damit befasst, dass der Antragsgegner in Italien eine Geldbuße wegen Nichteinhaltung bauordnungsrechtlicher Bestimmungen beglichen hat. Er geht davon aus, dass die Abzugsfähigkeit von Geldstrafen und Geldbußen nicht grundsätzlich zu verneinen ist, sondern hierüber aufgrund der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden ist. Da das OLG den Wert des Hauses in Italien mit 60.000 € in die Vermögensbilanz eingestellt hat, begegnet es nach Auffassung des BGH keinen Bedenken, die mit dem Miteigentum im Zusammenhang stehende Zahlung einer Geldbuße vermögensmindernd in Abzug zu bringen. Gleiches gilt für die Steuern und Abgaben, die der Antragsgegner in Italien gezahlt hat. Aufgrund des Wertes dieses Hauses in Italien von 60.000 € ist der BGH zu einem Gesamtvermögen von rund 99.000 € gelangt. In diesem Zusammenhang hat der BGH sich ferner damit auseinandergesetzt, ob das OLG zu Recht einen Betrag in Höhe von 10.000 € als allgemeinen Freibetrag dem sog. Notgroschen in Abzug bringen durfte. Wie hoch der Notgroschen beim Elternunterhalt ist, hat der BGH offen gelassen. Er hat dies von den Umständen des Einzelfalles abhängig gemacht, insbesondere von den Einkommensverhältnissen und sonstigen Unterhaltsverpflichtungen. Insoweit hat er gebilligt, dass dem alleinstehenden und kinderlosen Antragsgegner, der ein Einkommen unterhalb des Selbstbehalts erzielt, 10.000 € auf jeden Fall zu belassen sind. Da dem Antragsgegner auch noch weitere 5.000 € für Verbindlichkeiten in Italien zur Verfügung stehen mussten, gelangte der BGH zu einem Gesamtvermögen von rund 84.000 €, das unter dem Vermögen für eine angemessene Altersvorsorge von 100.000 € lag, so dass insoweit eine Vermögenswertungspflicht nicht in Betracht kam. Deswegen musste der BGH sich mit der Frage befassen, ob die Eigentumswohnung ebenfalls bei der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen ist.

Der BGH geht zunächst davon aus, dass selbstgenutztes Immobilieneigentum im Rahmen der Vermögensverwertung berücksichtigt werden kann; eine Verwertungspflicht jedoch nicht besteht, wenn es sich um den jeweiligen Verhältnissen angemessenes Wohneigentum handelt. Da der Unterhaltspflichtige bei der Inanspruchnahme des Elternunterhalts keine spürbare und dauerhafte Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus hinnehmen muss, ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Unterhaltspflichtige im Alter keine Mietkosten zu bestreiten hat und seinen Lebensstandard dann mit geringeren Einkünften aus Einkommen und Vermögen sichern kann. Aus diesem Grunde hat der BGH aufgrund einer Prognose geschätzt, welche Einkünfte der Unterhaltspflichtige aus seiner Altersversorgung beziehen wird. Nach den getroffenen Feststellungen geht der BGH davon aus, dass der Antragsgegner bei Erreichung der Regelaltersgrenze im November 2011 mit einer Rente von rund 1.330 € rechnen kann, wenn er in den letzten 5 Jahren durchschnittlich geleisteten Beträge weiterhin entrichtet. Aus diesem Grunde weist der BGH darauf hin, dass der Antragsgegner auf den Wohnvorteil angewiesen ist, um überhaupt den Selbstbehalt von 1.600 € zu erreichen.

Praxishinweis

Was die Einkommensermittlung anbelangt, hat der BGH nochmals bestätigt, dass die Fahrtkosten für den Besuch des bedürftigen Elternteils im Alters- oder Pflegeheim als Abzugsposten berücksichtigungsfähig sind. Ferner hat der BGH darauf hingewiesen, dass der Wohnvorteil nicht mit der objektiven Miete, sondern mit einer dem  Lebensstandard des Unterhaltspflichtigen entsprechenden angemessene Miete in Ansatz zu bringen ist. Der Kernpunkt der Entscheidung befasst sich jedoch mit der Vermögensverwertung. Von dem für Unterhaltszwecke einzusetzenden Vermögen ist zunächst der Betrag in Abzug zu bringen, der für eine angemessene Altersvorsorge notwendig ist. Dabei gestattet der BGH dem Unterhaltspflichtigen von Beginn seines beruflichen Werdeganges an 5 % des letzten Bruttoeinkommens für die angemessene Altersvorsorge zurückzulegen. Dies ist deswegen interessant, weil der Unterhaltspflichtige zu Beginn seiner beruflichen Tätigkeit, insbesondere während des Ausbildungsverhältnisses, sicherlich nicht über die Einkünfte verfügt hat, die er nunmehr erzielt. Dennoch gestattet der BGH ihm, 5 % des letzten Bruttoeinkommens für die Altersvorsorge zurück zu stellen. Der auf diese Weise errechnete Betrag ist zudem zu verzinsen. Der BGH geht zurzeit von einem Zinssatz von 4 % aus. Er räumt zwar ein, dass die Zinsen und Renditen in den letzten Jahren gesunken sind. Ob aus diesem Grunde ein niedrigerer Kapitalzins in Ansatz zu bringen ist, hängt davon ab, wann der Unterhaltspflichtige in das Erwerbsleben eingetreten ist. Soweit sich für die zurückliegende Zeit, die ganz erheblich in die Vergangenheit hinein ragt, höhere Zinsen in Ansatz zu bringen ist, sind die gegenwärtigen Rückgänge nicht zu berücksichtigen. Es ist daher weiter mit einem Kapitalzins von 4 % zu rechnen. Das auf diese Weise errechnete Vermögen ist mit dem tatsächlichen Vermögen zu vergleichen, um festzustellen, ob sich bei dem vorhandenen Vermögen ein Überschuss ergibt, der für Unterhaltszwecke einzusetzen ist. In diesem Zusammenhang hat der BGH sich insbesondere mit der Frage befasst, ob von dem verbleibenden Vermögen noch ein weiterer Schonbetrag als Notgroschen in Abzug zu bringen ist. Dabei zitiert er die Auffassungen, die von drei Nettomonatsgehältern ausgehen (Hauß, Elternunterhalt, 4. Aufl., Rn. 514) bis hin zu 26.000 € (Scholz/Kleffmann/Motzer/Soyka, Praxishandbuch Familienrecht, Stand Januar 2013, Teil J, Rn. 44; Heiß/Born/Hußmann, Unterhaltsrecht, 13. Kapitel, Rn. 74). Der BGH geht davon aus, dass die Umstände des Einzelfalles maßgebend und insbesondere die Einkommensverhältnisse und sonstigen Unterhaltsverpflichtungen des Unterhaltsverpflichteten zu berücksichtigen sind. Im vorliegenden Fall hat er einen Betrag von 10.000 € als ausreichend angesehen, weil einerseits das Erwerbseinkommen des Antragsgegners unter dem Selbstbehalt lag, er zum anderen aber alleinstehend und kinderlos war.

Außerdem hat der BGH sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die selbstgenutzte Immobilie als Vermögenswert für eine Verwertung in Betracht kommt. Vom Grundsatz her geht der BGH davon aus, dass selbstgenutztes Immobilieneigentum nicht grundsätzlich berücksichtigt werden kann, letztlich aber entscheidend ist, ob der Unterhaltsverpflichtete insbesondere im Alter auf die Immobilie angewiesen ist, weil er dadurch Mietkosten erspart. Aus diesem Grunde hat der BGH die Rente des Unterhaltspflichten in Ansatz gezogen und ermittelt, dass diese, wenn er bis zum Rentenalter die gleichen Beiträge zahlt wie in den letzten 5 Jahren, bei rund 1.300 € liegt, während der Selbstbehalt zurzeit 1.600 € beträgt. Aus diesem Grunde geht der BGH zu Recht davon aus, dass die Mietersparnis aufgrund der eigengenutzten Immobilie erforderlich ist, um dem Antragsgegner im Alter den Selbstbehalt zu sichern. Letztlich würde die Verwertung der Immobilie ihn von Einkünften abschneiden, auf die er dringend angewiesen ist. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass er mit seiner Rente von 1.300 € unter dem Selbstbehalt von 1.600 € liegt und aus diesem Grunde dringend darauf angewiesen ist, den Wohnvorteil zu nutzen, weil er dadurch eine Miete erspart. Unklar ist allerdings, inwieweit der BGH das für Altersvorsorge zurückgelegte Vermögen berücksichtigt. Er geht nämlich davon aus, dass ab Rentenbeginn die bis dahin angesparte Altersversorgung aufzulösen und für den Unterhalt im Alter einzusetzen ist. Dazu fehlen Ausführungen in der Entscheidung.

Unterhaltsberechnung

 Trennungsunterhalt - Scheidungsunterhalt – Kindesunterhalt - Elternunterhalt

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