Die in einem Ehevertrag wirksam vereinbarte Herausnahme eines Vermögensgegenstandes aus dem Zugewinnausgleich macht eine vertragliche Anpassung im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 242 nicht schon deshalb erforderlich, weil dies dazu führt, dass sich die Ausgleichsrichtung umkehrt, mithin der hiervon Begünstigte nur wegen der Herausnahme des Vermögensgegenstandes ausgleichsberechtigt wird.
BGH, Beschl. v. 17.07.2013 - XII ZB 143/12 - AG Ansbach
Sachverhalt
Die Antragsgegnerin begehrt von ihrem geschiedenen Ehemann, dem Antragsteller, Zugewinnausgleich.
Aus der im August 1980 geschlossenen und seit Dezember 2011 rechtskräftig geschiedenen Ehe der Beteiligten ist ein 1981 geborener Sohn hervorgegangen. Der Antragsteller ist von Beruf Busfahrer, die Antragsgegnerin Krankenschwester. Das monatliche Nettoeinkommen beider beläuft sich jeweils auf rund 2.000 €. Bis zur Trennung im Juni 2010 lebten die Beteiligten in dem im Alleineigentum der Antragsgegnerin stehenden Zweifamilienhaus. Das entsprechende Grundstück hatten ihr ihre Eltern nebst zwei weiteren kleineren Grundstücken im Wege der vorweggenommenen Erbfolge im Jahre 1996 übertragen. Es war seinerzeit mit einem kleinen Wohnhaus bebaut, das den Beteiligten und den Eltern der Antragsgegnerin zunächst als Wohnung gedient hatte. Im Jahre 1996 errichteten die Beteiligten einen Anbau. Der Grundbesitz ist schuldenfrei. Mit notariellem Ehevertrag vom 25.06.1996 haben die Beteiligten ihren gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft modifiziert und die im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhaltenen Grundstücke und die darauf befindlichen Gebäude, insbesondere auch das Wohnhaus, von dem Zugewinnausgleich sowohl betreffend Anfangs- als auch Endvermögen ausgenommen. Außerdem verzichtete der Ehemann auf jegliche Aufwendungsersatzansprüche wegen Finanzierung des Wohnhausumbaus.
Das AG hat den Antragsteller antragsgemäß unter Außerachtlassung des streitgegenständlichen Grundbesitzes verpflichtet, an die Antragsgegnerin einen Zugewinnausgleich von rund 17.000 € zu zahlen. Seine Beschwerde dagegen blieb ebenso erfolglos wie die Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsinhalt
Zunächst hat der BGH bei der Vertragsauslegung keine Bedenken deswegen gesehen, weil durch die Ausnahme der Grundstücke eine Inanspruchnahme des Antragstellers auf Zugewinnausgleich verursacht worden ist. Insbesondere hat der BGH eine planwidrige Regelungslücke nicht darin gesehen, dass der Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält. Dies besagt nach seiner Auffassung nichts darüber, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. Von einer solchen kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen. Dies setzt voraus, dass ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre. Eine ergänzende Vertragsauslegung muss sich als zwingende selbstverständliche Folge aus dem Gesamtzusammenhang des Vereinbarten ergeben, so dass ohne die vorgenommene Ergänzung das Ergebnis in offenbarem Widerspruch zu dem nach dem Inhalt des Vertrages tatsächlich Vereinbarten stehen würde.
Eine derart planwidrige Regelungslücke hat der BGH deswegen abgelehnt, weil in dem Ehevertrag geregelt war, dass das dem Antragsteller gehörende Vermögen nach wie vor dem Zugewinnausgleich unterliegt und er ausdrücklich auch damit einverstanden gewesen ist. Diese Regelung ergibt keinen Sinn, wenn man den Ehevertrag dahingehend auslegt, dass durch die Einbeziehung der Grundstücke die Verpflichtung der Ehefrau zum Zugewinnausgleich nicht weiter erhöht werden soll.
Sodann befasst der BGH sich mit dem Vortrag, dass die Beteiligten sich darauf verständigt haben, gegenseitig keine vermögensrechtlichen Forderungen zu erheben. Dies hat der BGH als unerheblich angesehen, weil eine derartige Vereinbarung mangels Einhaltung der Form unwirksam wäre. Der Wirksamkeit steht § 1378 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB entgegen, weil darin ein Verzicht auf die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche im Rahmen des Zugewinnausgleichs zu sehen ist. Nach dieser Formvorschrift bedarf eine Vereinbarung, die die Ehegatten während eines Verfahrens, das auf die Auflösung der Ehe gerichtet ist, für den Fall der Auflösung der Ehe über den Ausgleich des Zugewinns treffen, der notariellen Beurkundung bzw. einer gerichtlichen Protokollierung.
Die von dem Antragsteller behauptete Verzichtsvereinbarung beinhaltet letztlich eine Verfügung über die Zugewinnausgleichsforderung. Offen kann nach Auffassung des BGH bleiben, ob die behauptete Vereinbarung vor oder während des Scheidungsverfahrens getroffen wurde. Im ersten Falle scheitert sie an § 1378 Abs. 3 Satz 3 BGB und im zuletzt genannten Fall an der Formvorschrift des § 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB.
Ferner hat der BGH gebilligt, dass das OLG den Ausgleichsanspruch der Ehefrau nicht an einer Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB hat scheitern lassen. Im Rahmen der Ausübungskontrolle ist zu prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf eine ihn begünstigende Regelung in einem Ehevertrag zu berufen. Entscheidend ist insoweit, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergibt. Dies kann insbesondere dann gegeben sein, wenn die tatsächliche einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrunde liegende Lebensplanung grundlegend abweicht.
Der BGH hebt allerdings hervor, dass dabei zu beachten ist, dass die formal ausgestalteten Regelungen über den Zuge-
Ehevertrag / Ausübungskontrolle / Modifizierung des Zugewinnausgleichs / Änderung der Ausgleichsrichtung - FuR 2013 Ausgabe 12 - 704 >>
winnausgleich über die teleologischen Grundlagen des Teilhabeanspruchs - die verfassungsrechtlich verbürgte Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit - deutlich hinausgreifen, soweit sie auch solche Partnerschaften dem Ausgleich ehezeitlicher Vermögenszuwächse unterwerfen, in denen eine dem klassischen Ehetyp der Alleinverdienerehe entsprechende Rollenverteilung nicht stattgefunden hat und indem sie auch solchen Zugewinn in den Ausgleich einbeziehen, zu dem der andere nicht beigetragen haben kann. Die insoweit als Korrektiv zur gesetzlichen Typisierung zu verstehende güterrechtliche Vertragsfreiheit der Ehegatten umschließt das Recht, den von ihnen als unbillig oder unbefriedigend empfundenen Verteilungsergebnissen des gesetzlichen Güterstandes durch eine eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Vermögenswerte zu begegnen und in diesem Rahmen auch eigene ökonomische Wertungen ihrer Beiträge zum Familienunterhalt vornehmen zu können.
Im Hinblick darauf hält der BGH eine Korrektur der ehevertraglichen Regelung nicht für geboten. Seiner Auffassung nach fehlt es bereits an einer unerwarteten Entwicklung. Die Verhältnisse, wie sie im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe vorlagen, wurden von den Beteiligten bei Abschluss des notariellen Vertrages als mögliche Entwicklung vorausgesehen, weil sie bereits damals davon ausgegangen waren, mit den finanziellen Mitteln und der Arbeitskraft beider Ehegatten den Erweiterungsbau an das bestehende Gebäude auf dem Grundstück der Antragsgegnerin zu errichten, der als Wohn- und Lebensmittelpunkt der Familie dienen sollte. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten den Umstand, dass der Antragsteller im weiteren Verlaufe der Ehe einen höheren Zugewinn als die Antragsgegnerin erwirtschaften würde, zumindest für möglich gehalten haben. Zudem haben sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten seit Vertragsabschluss nicht grundlegend geändert. Beide Beteiligte sind nach wie vor vollschichtig erwerbstätig und darüber hinaus finanziell unabhängig. Hinzu kommt, dass der Antragsteller an dem zu Lasten der Antragsgegnerin durchgeführten Versorgungsausgleich profitiert.
Ferner hat der BGH auch in der Umkehr der Ausgleichsrichtung, also der über den Verlust eines möglichen Anspruchs auf Zugewinn hinausgehenden Verpflichtung, seinerseits der Antragsgegnerin einen Zugewinnausgleich zu zahlen, keine einseitige unzumutbare Lastenverteilung gesehen, die im Rahmen der Ausübungskontrolle zu einer Modifikation der vertraglichen Regelung führen müsste. Zwar weist der BGH darauf hin, dass der Ehemann an den Wertsteigerungen der Grundstücke nicht teilhat, für die er seinerseits finanzielle Leistungen erbracht hat. Er hebt allerdings hervor, dass dieser Verzicht angesichts des langjährigen Wohnens im Anwesen seiner Schwiegereltern nicht ohne Kompensation geblieben ist. Da der Ehemann ausdrücklich auf Aufwendungsersatzansprüche verzichtet und auch nicht auf eine Klausel hingewirkt hat, dass eine Umkehr der Ausgleichsrichtung zu vermeiden ist, bedarf es keiner Billigkeitskorrektur.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BGH ist zutreffend. Dass der Ehemann mit einer Herausnahme der Hausgrundstücke einverstanden war, obwohl er für den Hausumbau erhebliche finanzielle Leistungen erbracht hat, stellt zunächst seine eigene persönliche Entscheidung dar. Der Umstand, dass die Herausnahme der Hausgrundstücke letztlich die Ursache dafür ist, dass er beim Zugewinnausgleich ausgleichspflichtig ist, führt nicht zu einer Anpassung im Rahmen der Ausübungskontrolle. Dem steht bereits schon entgegen, dass der Antragsteller dieses Risiko bewusst in Kauf genommen hat. Anders lässt sich seine Erklärung, dass ihm bewusst ist, dass das von ihm während der Ehe erworbene Vermögen dem Zugewinnausgleich unterliegt, er damit sogar einverstanden ist, nicht auffassen. Dieses Einverständnis und dieser Hinweis bergen das Risiko in sich, dass der Zugewinnausgleich auch zu seinen Lasten ausgehen kann. Letztlich würde eine Korrektur nur dazu führen, eine getroffene Regelung, die einen Ehegatten reut, rückgängig zu machen. Dafür ist die Ausübungskontrolle nicht geschaffen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss einer Scheidungsfolge eine evident einseitig, unzumutbare Lastenverteilung ergibt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die tatsächlich einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrundeliegende Lebensplanung grundlegend abweicht. Davon konnte im vorliegenden Fall überhaupt nicht die Rede sein. Die wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich im Grunde genommen nicht geändert: Beide Eheleute haben weiterhin ihre vollschichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt. Beide waren finanziell unabhängig. Das Risiko einer Ausgleichspflicht des Ehemannes hat dieser unmissverständlich übernommen.
Von Bedeutung ist insbesondere der Hinweis des BGH, dass bei der Prüfung der Unzumutbarkeit der Lastenverteilung im Rahmen des Zugewinnausgleichs insbesondere zu berücksichtigen ist, dass die im Zugewinnausgleich verbürgte Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit nicht immer in Einklang zu bringen ist und sogar darüber hinausgeht. Aus diesem Grunde muss man den Eheleuten einen größeren Spielraum für güterrechtliche Regelungen einräumen, weil die güterrechtliche Vertragsfreiheit der Ehegatten als Korrektur zur gesetzlichen Typisierung zu verstehen ist und insbesondere auch das Recht einschließt, die Verteilungsergebnisse, die häufig als unbillig und unbefriedigend empfunden werden, durch eine eigenverantwortliche Gestaltung der Vermögenssphäre zu begegnen. Dies bedeutet, dass schon erhebliche Gründe vorgetragen werden müssen, um zu einer unzumutbaren Lastenverteilung zu gelangen.
Von Bedeutung ist allerdings auch der Hinweis des BGH auf Vereinbarungen zum Zugewinnausgleich in mündlicher oder schriftlicher Form, die unwirksam sind, weil die Formvorschrift des § 1378 Abs. 3 Satz 2 oder 3 BGB nicht eingehalten worden ist. Ob Satz 2 oder 3 zur Anwendung gelangt, hängt davon ab, ob die Vereinbarung vor oder während des Scheidungsverfahrens getroffen wurde. Häufig berücksichtigen die Eheleute nicht, dass eine Vielzahl von Regelungsgegenständen solcher Vereinbarungen in den Zugewinnausgleich eingreifen und deswegen von der Formvorschrift erfasst werden. Dies gilt auch für die Bewertung bestimmter Gegenstände, die zum Anfangs- oder Endvermögen gehören. Ebenso unwirksam sind Vereinbarungen der Eheleute, einzelne Sachen vom Zugewinnausgleich auszunehmen oder die Ausgleichsforderung in Raten bezahlen zu können (OLG Düsseldorf FamRZ 2005, 273; OLG Hamburg FamRZ 1985, 290 [OLG Hamburg 09.10.1984 - 12 UF 122/84]). Die Vereinbarung bestimmter Werte kommt insbesondere bei Grundstücken, Unternehmen, Kanzleien oder Praxen zum Tragen. Hier sollte jeder Anwalt darauf achten, dass die
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Eheleute dazu gebracht werden, gemeinsam einen Sachverständigen zu beauftragen und das Ergebnis notariell zu vereinbaren, damit dieses verbindlich wird.
Im Grunde fallen unter die Formbedürftigkeit alle Regelungen, die sich auf Bestand, Höhe, Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Zugewinnausgleichsforderung auswirken. Dazu gehört wie gesagt auch die Bewertung eines Grundstücks nach einem bestimmten Verfahren. Eine Vereinbarung über die Beteiligung der Eheleute an einem Verkaufserlös des im Alleineigentum des anderen Ehegatten stehenden Grundstücks in Verbindung mit der Erklärung, dass das weitere Vermögen zum Zugewinnausgleich rechnet, unterfällt der Formvorschrift. Dies gilt auch für die Auseinandersetzung der Mitberechtigung beider und der Alleinberechtigung eines Ehegatten an einem Vermögensgegenstand, wenn die Auslegung ergibt, dass dieser Gegenstand aus dem Zugewinn ausgenommen werden soll (OLG Düsseldorf FamRZ 2005, 273). Dies würde sogar dann gelten, wenn Hausratsgegenstände als im Miteigentum der Eheleute deklariert und vom Zugewinn ausgenommen werden. Im Hinblick auf diese weitreichenden Auswirkungen der Formbedürftigkeit sollten die Anwälte in der anwaltlichen Beratung immer die Auswirkungen auf den Zugewinnausgleich berücksichtigen, um Eheleute, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, richtig zu beraten.