Scheidungsrecht Rechtsprechung: Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Ehevertrag, Düsseldorfer Tabelle

Ehevertrag - Unwirksamkeit bei Ausschluss des Versorgungsausgleichs

BGH: Nichtigkeit des Ehevertrages wegen kompensationslosen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs

 

Sachverhalt

Aus der am 19.10.1984 geschlossenen Ehe der Parteien sind drei im November 1984, im Februar 1986 und im Juli 1993 geborene Töchter hervorgegangen. Die Ehe wurde im Frühjahr 2006 geschieden. Die jüngste Tochter wird seit der Trennung der Parteien im Herbst 2002 von der Ehefrau betreut. Rund zwei Wochen vor Eheschließung hatten die Parteien einen Ehevertrag geschlossen. Der Ehemann war damals 44 Jahre alt und als Jurist in der Personalabteilung eines größeren Unternehmens tätig; gegen Ende seines Berufslebens war er leitender Angestellter einer Bank. Die 19 Jahre jüngere Ehefrau war bei Vertragsschluss 24 Jahre alt und als Erzieherin in einem Kindergarten tätig. Diese Arbeitsstelle gab sie in der Folgezeit auf, heute ist sie als Fachlehrerin teilzeitbeschäftigt. Im Verbundverfahren hat die Ehefrau – neben der Zahlung von nachehelichem Unterhalt und der Durchführung des Versorgungsausgleiches – im Wege der Stufenklage eine Verurteilung des Ehemannes zur Auskunft über sein Endvermögen begehrt. Das AG hat die Ehe geschieden, dem Unterhaltsverlangen teilweise entsprochen, den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchgeführt, den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten und die Zugewinnausgleichsstufenklage abgewiesen. Auf die Berufung beider Parteien hat das OLG den Unterhaltsausspruch herabgesetzt und den Ehemann zur Erteilung von Auskunft über sein Endvermögen verurteilt; den Antrag des Ehemannes festzustellen, dass ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich nicht stattfinde, hat es abgewiesen. Die – zugelassene – Revision des Ehemannes blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Wertung

Der BGH weist zunächst darauf hin, dass sich aus der ehevertraglichen Regelung zum nachehelichen Unterhalt keine Sittenwidrigkeit ergebe. Mit dem grundsätzlichen Ausschluss nachehelichen Unterhalts für den Fall, dass die Ehe vor Ablauf von fünf Jahren geschieden werde, hätten die Parteien einen Rechtsgedanken aufgenommen, der sich auch in § 1578b BGB finde. Es begegne auch keinen Bedenken, dass die Höhe des Unterhaltsanspruches abweichend von den gesetzlichen Vorgaben geregelt und dabei nicht an die ehelichen Lebensverhältnisse, sondern an das Einkommen angeknüpft worden sei, welches der Berechtigte aus seinem erlernten (oder, falls höher dotierten, ausgeübten) Beruf erzielen könne. Jedenfalls im Grundsatz sei es nicht zu beanstanden, wenn der vertraglich vorgesehene Unterhalt nach den seinerzeit bestehenden oder vorhersehbaren Einkommensverhältnissen hinter den ehelichen Lebensverhältnissen zurückbleibe. Die Schwelle der Sittenwidrigkeit sei allenfalls dann erreicht, wenn die vertraglich vorgesehene Unterhaltshöhe nicht annähernd geeignet sei, ehebedingte Nachteile des Berechtigten auszugleichen. Hier sei vertraglich gerade ein Ausgleich der Nachteile vorgesehen, die für die Ehefrau mit dem durch die Kindesbetreuung bedingten Verzicht auf eine fortdauernde eigene Berufstätigkeit verbunden sei.

Der Ausschluss des Versorgungsausgleiches ohne Kompensation führe dagegen zur Annahme der Sittenwidrigkeit und damit einer Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 I BGB. Da es sich beim Versorgungsausgleich um einen vorweggenommenen Altersunterhalt handele, stehe er einer vertraglichen Abbedingung nicht schrankenlos offen; Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich müssten deshalb nach denselben Kriterien geprüft werden, wie ein vollständiger oder teilweise Unterhaltsverzicht. Der Unterhalt wegen Alters gehöre zum Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts; für den Versorgungsausgleich gelte nichts anderes. Sein Ausschluss führe zur Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung, wenn der betroffene Ehegatte aufgrund des schon beim Vertragsschluss geplanten Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfüge und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheine. Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn sich ein Ehegatte – wie bei Vertragsschluss geplant – der Betreuung der gemeinsamen Kinder gewidmet und deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichtet habe. Dies sei vorliegend anzunehmen. Die Ehegatten hätten bei Vertragsschluss bewusst in Kauf genommen, dass die bei Vertragsschluss im neunten Monat schwangere Ehefrau alsbald aus dem Berufsleben ausscheiden und damit bis auf weiteres keine eigenen Versorgungsanrechte erwerben würde (außer den Kindererziehungszeiten). Der mit der Geburt von drei Kindern einhergehende Verzicht auf den Ausbau der eigenen Versorgungsbiografie stelle sich als – bei Vertragsschluss voraussehbarer – ehebedingter Nachteil dar, der durch den Vertrag auf die Ehefrau verlagert worden sei. Da diese einseitige Lastenverteilung durch keinerlei Vorteil für die Ehefrau kompensiert werde, sei der Vertrag nach § 138 I BGB unwirksam. Dagegen werde der Zugewinnausgleich vom «Kernbereich» des Scheidungsfolgenrechts nicht umfasst, er sei einer ehevertraglichen Gestaltung am weitesten zugänglich.

Bei einer Gesamtwürdigung erweise sich der Vertrag als insgesamt sittenwidrig und damit als im Ganzen nichtig. Der objektive Gehalt der Gesamtregelung ziele erkennbar auf eine einseitige Benachteiligung der Ehefrau, der ein Anschlussunterhalt wegen Alters, Krankheit oder Arbeitslosigkeit vertraglich versagt werde. Auch bei längerer Ehedauer müsse sie unmittelbar nach der Scheidung ihrem bisherigen «ehelichen» Lebenszuschnitt entsagen und sich mit einem ihrem ursprünglichen Beruf gemäßen, deutlich bescheideneren Lebensunterhalt begnügen. Die Lücke in der Versorgungsbiografie werde nicht geschlossen. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass sich die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht als gleichstarke Verhandlungspartner gegenüber gestanden hätten; vielmehr beruhe der Ehevertrag erkennbar auf einer gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Imparität der Vertragsparteien. Auch wenn eine Schwangerschaft der Frau bei Abschluss des Ehevertrages für sich allein noch keine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages begründe, werde damit aber doch eine ungleiche Verhandlungsposition und damit eine Disparität bei Vertragsschluss indiziert; dies rechtfertige es, den Vertrag einer verstärkten richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen. Bei Vertragsabschluss habe die spätere Ehefrau unmittelbar vor der Geburt ihres Kindes gestanden; gegenüber dem deutlich älteren, juristisch versierten und beruflich erfolgreicheren Ehemann habe sie keine reale Chance gehabt, sich mit dem – ihr erstmals in der notariellen Verhandlung bekannt gegebenen – Vertragstext kritisch auseinanderzusetzen. An der Gesamtnichtigkeit ändere die vereinbarte salvatorische Klausel nichts.

Hinweis

Der Entscheidung des BGH vom 04.07.2007 (XII ZB 5/05, BeckRS 2007, 12833, Anmerkung Born, FD-FamR 2007, 241501) lässt sich entnehmen, das relativ hohe Hürden zu überwinden sind, wenn es um die Anwendung der Härteklausel des § 1587h Nr. 1 BGB geht. Anders sieht die Situation im Bereich von Eheverträgen aus. Hier wird vor dem Hintergrund der Diskussion einer Zulässigkeit vertraglicher Einschränkungen beim Unterhalt gelegentlich übersehen, dass der Versorgungsausgleich ebenfalls zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zählt, weil er in der Hierarchie nach dem Anspruch auf Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) an zweiter Stelle eingeordnet ist. Sofern die Vertragsparteien also keine ausreichende Kompensation, z.B. in Form einer Lebensversicherung, vorgesehen haben oder der für den Ausgleichsberechtigten entstehende Nachteil nicht in anderer Weise ausgeglichen wird, begegnet der Ausschluss schon für sich allein erheblichen Bedenken. Besonders gefährlich für den begünstigten Vertragsteil – meist den Ehemann – wird das Ganze dann, wenn der Vertrag in seiner Gesamtheit eine einheitlich nachteilige Regelung enthält. Dann hilft auch keine salvatorische Klausel mehr, sondern es muss nach der «Infek tionstheorie» aufgrund der «Verzahnung» der verschiedenen Regelungen mit einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages gerechnet werden. Im entschiedenen Fall erwies sich die Vertragsgestaltung für den – juristisch versierten – Ehemann als «Waterloo», weil aufgrund der Gesamtnichtigkeit auch der – in isolierter Betrachtung ohne weiteres zulässige – Ausschluss des Zugewinnausgleichs aufgrund der Gesamtnichtigkeit des Vertrages entfiel.