BGH: Keine Sittenwidrigkeit bei Ende des Betreuungsunterhalts mit dem 6. Lebensjahr des Kindes
BGB §§ 138 Cd, 242 D, 1408, 1570
Eine Vereinbarung, nach welcher der Betreuungsunterhalt bereits dann entfallen soll, wenn das jüngste Kind das 6. Lebensjahr vollendet hat, ist nicht schlechthin sittenwidrig. Wie der Bundesgerichtshof entschied, seien vielmehr die Umstände des Einzelfalles entscheidend. Im vorliegenden Fall waren unter anderem bereits während der Ehe laufend Abfindungszahlungen erbracht worden.
BGH, Urteil vom 28.03.2007 - XII ZR 130/04 (OLG Celle); BeckRS 2007, 10899
Sachverhalt
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Die Klägerin begehrte vom Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand seines Endvermögens sowie Zahlung eines Zugewinnausgleichs in noch zu beziffernder Höhe. Anfang 1984 zog die (in erster Ehe geschiedene) Klägerin zum Beklagten, der im Juweliergeschäft seiner Eltern als Augenoptiker mit einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von monatlich rund 1.900 DM angestellt war. Aus dem Eigentum an einem Mehrfamilienhaus erzielte er zusätzliche Einnahmen in Höhe von jährlich 7.861 DM. Die Klägerin war anschließend im Geschäft der Eltern des Beklagten als Goldschmiedin tätig. Ende 1984 bezogen beide Parteien eine über diesem Geschäft gelegene Wohnung. Anfang März 1986 wurde die Schwangerschaft der Klägerin festgestellt; auf Drängen seiner Eltern willigte der Beklagte in eine Heirat ein. Ende März – eine Woche vor der Heirat – schlossen die Parteien einen notariellen Ehevertrag, in dem sie unter anderem Gütertrennung vereinbarten und den Versorgungsausgleich ausschlossen. Sie verzichteten wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt. Allerdings verpflichtete sich der Beklagte, so lange Betreuungsunterhalt zu zahlen, «bis das jüngste Kind das 6. Lebensjahr vollendet oder das schulpflichtige Alter erreicht» habe. Unabhängig hiervon hatte er eine Unterhaltsabfindung im Rahmen der Vermögensbildung zu zahlen, die sich nach der Anzahl der Ehejahre richtete. Nach der Heirat Anfang April 1986 arbeitete die Klägerin zunächst ganztags, nach der Geburt der gemeinsamen Tochter der Parteien im Oktober 1986 nur noch stundenweise, später wieder halbtags und sodann – im Zuge der Einschulung der Tochter – wiederum in geringerem Umfang im Geschäft der Schwiegereltern, welche dieses dem Beklagten im Jahre 1995 übertrugen. Auf die vereinbarte Abfindung (zuzüglich Inflationsausgleich) erhielt die Klägerin vom Beklagten insgesamt knapp 65.000 DM, die ihr schon während der Ehe zum Teil in bar ausgezahlt, zum Teil auf Grund einer Nachtragsvereinbarung in Form einer betrieblichen Altersversorgung (Kapitallebensversicherung) gutgebracht wurden. Seit Juli 2002 leben die Parteien dauerhaft getrennt. Das AG hat die Ehe durch Verbundurteil geschieden, unter Hinweis auf den Ehevertrag festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, und den Unterhaltsantrag der Ehefrau abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung wurde vom OLG als unzulässig verworfen. Die isoliert geltend gemachte Stufenklage auf Zugewinnausgleich wurde vom AG abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG den Beklagten verurteilt, Auskunft über den Bestand seines Endvermögens zu erteilen. Die – zugelassene – Revision des Beklagten, mit der die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebte, hatte Erfolg.
Rechtliche Wertung
Der BGH wiederholt zunächst die Grundsätze seiner aktuellen Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen. Danach besteht grundsätzlich eine vertragliche Dispositionsbefugnis, und es gibt keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zu Gunsten des berechtigten Ehegatten. Evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilungen sind dagegen verboten. Vorliegend sei der vertraglich vereinbarte Ausschluss des Zugewinnausgleichs nicht zu beanstanden. Er sei schon nicht vom «Kernbereich» des Scheidungsfolgenrechts erfasst und deshalb einer ehevertraglichen Gestaltung am weitesten zugänglich. Eine durch die Schwangerschaft der Klägerin bewirkte ungleiche Verhandlungsposition der Parteien führe vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Beklagte habe ein berechtigtes Interesse an der Erhaltung der wirtschaftlichen Substanz des ihm vorhersehbar anfallenden Geschäfts seiner Eltern.
Dieser Ausschluss sei auch nicht deshalb nichtig, weil der Ehevertrag sich bereits bei einer Gesamtwürdigung der getroffenen Regelungen als sittenwidrig und damit als im Ganzen nichtig erweise. Nach der getroffenen Abrede zum Unterhalt habe die Klägerin für den Fall der Scheidung bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres des Kindes Betreuungsunterhalt nach dem Gesetz beanspruchen können. Auch wenn nach der Rechtsprechung grundsätzlich auch noch danach Betreuungsunterhalt geschuldet sei, bedeute dies nicht, dass eine anders lautende Vereinbarung deshalb sittenwidrig sei. Vielmehr komme es auch hier auf die Umstände des Einzelfalles an. Vorliegend sei die Betreuung des gemeinsamen Kindes – schon auf Grund der räumlichen Nähe von Arbeitsplatz und Wohnung und der Betreuungsbereitschaft der Großeltern – auch neben einer teilweisen Berufstätigkeit der Klägerin möglich und gewollt gewesen. Nach Vollendung des 6. Lebensjahres des Kindes und dem damit einhergehenden Auslaufen des Betreuungsunterhalts habe die Klägerin nicht mittellos dagestanden; denn der Beklagte habe nach der ursprünglichen Abrede jährlich 3.000 DM zahlen müssen, und zwar als eine – wertgesicherte – «Unterhaltsabfindung im Rahmen der Vermögensbildung». Die spätere Abwandlung dahin, dass stattdessen eine betriebliche Altersversorgung für die Klägerin stattfinde, könne die Sittenwidrigkeit der ursprünglichen Abrede ebenso wenig begründen wie der Umstand, dass die Klägerin die ihr vom Beklagten ursprünglich jährlich ausgezahlten Beträge nicht sicher angelegt, sondern nach ihrem Vortrag für Lebensunterhalt und insbesondere für gemeinsame Reisen der Parteien ausgegeben habe.
Der Ausschluss des Unterhalts wegen Krankheit sei auf Grund der schon vor der Ehe erkennbar gewordenen Folgen eines Fahrradunfalls gerechtfertigt. Auch der Ausschluss des Unterhalts wegen Alters sei nicht zu beanstanden. Auch wenn damit eine wichtige Scheidungsfolge abbedungen sei, könne dies den Vorwurf der Sittenwidrigkeit allenfalls dann begründen, wenn die Parteien bei ihrer Lebensplanung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses einvernehmlich davon ausgegangenen seien, dass die Klägerin sich dauerhaft oder doch langfristig völlig aus dem Erwerbsleben zurückziehen und der Familienarbeit widmen sollte. Nur in diesem Fall wäre ihr der Aufbau einer eigenen Sicherung gegen die Risiken des Alters auf Dauer verwehrt worden, was eine stete Abhängigkeit vom Beklagten begründet habe. Eine solche Lebensplanung sei hier aber nicht feststellbar. Vielmehr habe die Lebensplanung der Parteien vorgesehen, dass sich die Klägerin – neben der Betreuung von Kindern – auch weiterhin am Erwerbsleben beteiligen werde. Soweit diese Erwartung sich später nicht oder nicht in vorgestelltem Umfang verwirklicht habe, könne dem im Rahmen einer Ausübungskontrolle Rechnung getragen werden. Vorliegend sei für eine Sittenwidrigkeit der Abrede aber nichts ersichtlich.
Praxishinweis
Auch diese Entscheidung macht deutlich, dass es regelmäßig auf die Umstände des Einzelfalles ankommt, wenn es um die Beurteilung einer etwaigen Unwirksamkeit eines Ehevertrages geht. Auf den ersten Blick hätte man hier die getroffene Regelung für bedenklich halten können, weil Betreuungsunterhalt nur bis zum 6. Lebensjahr des jüngsten Kindes gezahlt werden sollte. Allerdings lagen besonders günstige Umstände für eine Berufstätigkeit bei gleichzeitiger Kindesbetreuung vor, und die Ehefrau hatte vom Ehemann nicht unerhebliche Geldbeträge erhalten.
Vergleichbar ist diese Beurteilung in gewisser Weise mit derjenigen im BGH-Urteil vom 28.02.2007 – XII ZR 165/04, BeckRS 2007, 08569 mit Anmerkung in FD-FamR 2007, 230047. Dort wurde im Ehevertrag eine Anpassung an künftige Einkommenssteigerungen des Unterhaltsschuldners ausgeschlossen, ohne dass dies Wirksamkeitsbedenken im Rahmen von § 138 BGB oder im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB begründet hätte.

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