Die in einen – kurz vor der Heirat – geschlossenen Ehevertrag getroffenen Regelungen zu den Scheidungsfolgen, die zu einem Globalverzicht führen, haben nicht notwendig die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge, wenn – subjektiv – eine Unterlegenheit eines Ehegatten nicht bestand oder eine Zwangslage ausgenutzt wurde. Wie das Oberlandesgericht Celle entschieden hat, ist auch ein Verzicht auf Krankheitsunterhalt im Rahmen der Ausübungskontrolle nicht zu korrigieren, wenn der angemessene Lebensbedarf durch eigene Einkünfte gesichert ist und die Einkommensdifferenz nicht zu einem Unterhaltsanspruch führt.
OLG Celle, Urteil vom 27.05.2009 - 15 UF 4/09; BeckRS 2009, 18412
Sachverhalt
Die Parteien, beide Realschullehrer, heirateten im Jahre 1978; aus ihrer Ehe gingen 1982 und 1989 geborene Töchter hervor. Einen Tag vor der Heirat schlossen die Parteien einen notariellen Ehevertrag, in welchem sie auf jeglichen Unterhalt, auch für den Fall der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit sowie den Fall der Not, wechselseitig verzichteten. Der Versorgungsausgleich wurde ausgeschlossen, die Gütertrennung sollte im Güterrechtsregister eingetragen werden. Im Sommer 2008 stellte der Ehemann Scheidungsantrag. Vom AG wurde die Ehe geschieden. Es wurde festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde; der Antrag der Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt und der Auskunftsantrag zum Endvermögen des Ehemannes in der Folgesache Güterrecht wurde zurückgewiesen mit der Begründung, die Parteien hätten im Ehevertrag insoweit auf ihre Rechte wirksam verzichtet. Mit der Berufung begehrte die Ehefrau eine Durchführung des Versorgungsausgleichs, nachehelichen Unterhalt von monatlich 676 Euro und eine Erteilung der Auskunft über das Endvermögen des Ehemannes. Die Berufung blieb erfolglos.
Rechtliche Wertung
Auch nach Ansicht des OLG haben die Parteien im notariellen Ehevertrag wirksam auf die von der Ehefrau geltend gemachten Scheidungsfolgen verzichtet. Nach Hinweis auf die vom BGH zur Inhalts- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen entwickelten Kriterien stellte das OLG fest, dass der vertraglich vereinbarte Globalverzicht keine Nichtigkeit des Ehevertrages zur Folge habe, weil beide Parteien als beamtete Lehrer im öffentlichen Dienst tätig seien. Dies habe zur Folge, dass die Ehefrau in ihrem individuellen beruflichen Werdegang – trotz der Betreuung und Versorgung der gemeinsamen Kinder – kaumberufliche Nachteile erlitten habe und ihre Pensionsansprüche durch die Kinderbetreuung ebenfalls nicht wesentlich berührt würden.
Zum Unterhalt sei festzustellen, dass der vertragliche Ausschluss des Anspruchs auf Alters- und Krankheitsunterhalt wirksam sei. Der Umstand, dass die Ehefrau ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens unter verschiedenen gesundheitlichen Störungen leide, die zunächst zu einer Reduzierung ihrer Arbeitszeit in der Vergangenheit sowie ab Februar 2008 zu einer Altersteilzeitregelung geführt hätten, sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehbar gewesen. In Bezug auf den Altersunterhalt hätten die Parteien einen Ausschluss wirksam vereinbaren können, weil sie bei der Heirat bereits seit rund zwei Jahren als Beamte auf Lebenszeit im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen seien; dadurch sei ihre Altersversorgung – zumindest im Rahmen einer Grundversorgung – gesichert gewesen.
Auch der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei nicht sittenwidrig. Beide Parteien verfügten aufgrund ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst über einen gesicherten Arbeitsplatz und eine damit einhergehende gesicherte Altersversorgung. Von daher hätten sie den Ausgleich individuell höherer Pensionsansprüche wirksam wechselseitig ausschließen können, zumal hiermit auch nicht die Ausnutzung einer Unterlegenheit der Ehefrau verbunden gewesen sei.
Auch die vertraglich vereinbarte Gütertrennung unterliege keinem Wirksamkeitsbedenken.
Auch der ohne Kompensation vereinbarte Ausschluss des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB führe nicht zur Nichtigkeit der Unterhaltsvereinbarung. Es könne dahin stehen, ob die entsprechende Regelung im Ehevertrag objektiv zu einer einseitigen Lastenverteilung führe; denn jedenfalls subjektiv fehle es an einer – im Rahmen von § 138 BGB erforderlichen – Ausnutzung einer Zwangslage oder der Unterlegenheit des anderen Ehegatten bzw. dessen sehr viel schwächerer Verhandlungsposition. Auch eine einseitige Dominanz, die faktisch zu einer einseitigen Bestimmung des gesamten Vertrages oder einzelner Regelungen geführt habe, sei nicht erkennbar. Allein der Umstand, dass der Vertrag einen Tag vor der Heirat beurkundet worden sei, lasse keinen Schluss auf eine besondere Zwangslage der Ehefrau oder eine dadurch herbeigeführte Unterlegenheit zu.
Zwar sei die vertragliche Regelung zum Trennungsunterhalt nichtig; diese Teilnichtigkeit führe aber nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages. Der wesentliche Teil der vertraglichen Regelungen erweise sich trotz des Globalverzichts als wirksam. Schließlich halte der Ehevertrag auch einer Ausübungskontrolle nach § 242 BGB stand, sodass sich der Ehemann auf den vertraglich vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolgen berufen könne. Eine Abweichung der Vorstellungen der Parteien über den Verlauf ihrer Ehe bei Vertragsschluss einerseits und später tatsächlich gelebter ehelicher Lebensgemeinschaft andererseits sei von der Ehefrau nicht hinreichend vorgetragen worden und außerdem auch nicht ersichtlich. Die vertraglich vorgesehenen Regelungen beim Scheitern der Lebensgemeinschaft führten nicht zu einer für die Ehefrau unzumutbaren Lastenverteilung.
Praxishinweis
Bis vor rund fünf Jahren gab es im Rahmen der Gestaltung von Eheverträgen eine fast grenzenlose Freiheit; Bedenken gegen die Wirksamkeit eines Ehevertrages oder jedenfalls gegen dessen Durchsetzbarkeit wurden nur in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen für begründet erachtet. Der Umschwung setzte ein mit der Entscheidung des BGH vom 11.02.2004 (XII ZR 265/02, NJW 2004, 930). Dort wurde
- einerseits ein klares Bekenntnis zur Vertragsfreiheit abgelegt; es gibt nach Ansicht des BGH keinen unverzichtbaren Mindestgehalt der Scheidungsfolgen;
- andererseits wurde ein «Kernbereich» des Scheidungsfolgenrechts definiert. Die Belastungen eines Ehegatten wiegen umso schwerer, je stärker der Vertrag in diesen Kernbereich eingreift. Umso mehr bedarf der Eingriff dann einer Rechtfertigung.
Erforderlich ist nach Ansicht des BGH eine Gesamtschau der getroffenen Vereinbarung; dabei sind Gründe und Umstände ihres Zustandekommens ebenso zu berücksichtigen, wie die berücksichtigte und verwirklichte Gestaltung des ehelichen Lebens. Die Grenze der Vertragsfreiheit ist dann überschritten, wenn und soweit dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr gerechtfertigte Lastenverteilung entsteht, die für den belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen und seines Vertrauens in die Vereinbarung – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Zu prüfen ist wie folgt:
- Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle (§ 138 BGB) kommt es auf die Situation bei Vertragsabschluss an. Wenn feststeht, dass die Vereinbarung evident einseitig ist und eine ungerechtfertigte Lastenverteilung enthält, ist Sittenwidrigkeit anzunehmen.
- Auch wenn diese «erste Hürde» genommen ist, kann der Begünstigte nach Durchführung der Ausübungskontrolle (§ 242 BGB) nach Treu und Glauben gehindert sein, sich auf die Vereinbarung zu berufen. In diesem Rahmen wird die weitere Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bis zum aktuellen Zeitpunkt geprüft.
In den letzten Jahren standen Entscheidungen im Mittelpunkt, die Einschränkungen beim Unterhalt zum Gegenstand hatten. Kürzlich hat der BGH (Beschluss vom 18.03.2009 - XII ZB 94/06, BeckRS 2009, 12130; Anmerkung Born, FD-FamR 2009, 284316) einen ehevertraglich vereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei fehlender Kompensation für nichtig erklärt, weil die Ehefrau bei Abschluss des Vertrages schwanger war; dort hatten die Ehegatten bewusst in Kauf genommen, dass die Ehefrau wegen Kindesbetreuung alsbald aus dem Berufsleben ausscheiden und bis auf Weiteres keine eigenen Versorgungsanrecht (abgesehen von Kindererziehungszeiten) erwerben würde. Die aktuelle Entscheidung des OLG Celle macht deutlich, dass es immer auf die Verhältnisse des Einzelfalls ankommt. Im entschiedenen Fall war erkennbar von Bedeutung, dass beide Eheleute durch ihre Tätigkeit im öffentlichen Dienst (Realschullehrer) einen gesicherten Arbeitsplatz hatten und somit über eine entsprechende Altersvorsorgung verfügten. Anders als in den Fällen fremder Staatsbürgerschaft und Sprachschwierigkeiten, einer drohenden Ausweisung einer Ausländerin oder einer Schwangerschaft – dort hatte die individuelle Unterlegenheit jeweils zur Sittenwidrigkeit des Vertrages geführt – war ein Verhandlungsungleichgewicht im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.