Scheidungsrecht Rechtsprechung: Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Ehevertrag, Düsseldorfer Tabelle

Die Abänderung von Unterhaltstiteln

Gerichtliche Unterhaltstitel regeln ein Dauerschuldverhältnis für die Zukunft und erwachsen im Hauptsacheverfahren in Rechtskraft. § 238 FamFG ermöglicht die Abänderung gerichtlicher Unterhaltstitel aus dem Hauptsacheverfahren unter Durchbrechung der Rechtskraft vorangegangener Unterhaltsentscheidungen. Voraussetzung ist eine wesentliche und nachträgliche Änderung der Rechtslage (hierzu gehört auch eine Änderung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung der BGH) oder der Tatsache, die der damaligen Entscheidung zugrunde lagen.Der Abänderungsantrag ist nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf die er gestützt wird, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der eine Antragserweiterung oder die Geltendmachung von Einwendungen spätestens hätte erfolgen müssen, entstanden sind.

Abänderung von Unterhaltstiteln

Die Abänderung von gerichtlichen Unterhaltstiteln

Gerichtliche Unterhaltstitel regeln ein Dauerschuldverhältnis für die Zukunft und erwachsen im Hauptsacheverfahren in Rechtskraft. § 238 FamFG ermöglicht die Abänderung gerichtlicher Unterhaltstitel aus dem Hauptsacheverfahren unter Durchbrechung der Rechtskraft vorangegangener Unterhaltsentscheidungen. Voraussetzung ist eine wesentliche und nachträgliche Änderung der Rechtslage (hierzu gehört auch eine Änderung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung der BGH) oder der Tatsache, die der damaligen Entscheidung zugrunde lagen.Der Abänderungsantrag ist nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf die er gestützt wird, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der eine Antragserweiterung oder die Geltendmachung von Einwendungen spätestens hätte erfolgen müssen, entstanden sind.

Änderung der tatsächlichen Verhältnisse

Die in der Praxis wichtigsten Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse sind z.B.

- unterhaltsrechtlich relevante Einkommensobliegenheiten, die sich auf Leistungsfähigkeit oder Bedarf auswirken,

 - Veränderung der Erwerbsobliegenheiten eines Beteiligten,

 - Erhöhung des Unterhaltsbedarfs durch Wechsel in eine andere Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle sowie Änderung der Tabellenbeträge (i.d.R. jeweils zum Jahreswechsel),

 - Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter durch Wiederheirat des Unterhaltsschuldners oder nacheheliche Geburt eines Kindes,

 - Verlust des Arbeitsplatzes und Arbeitslosigkeit trotz Erwerbsbemühungen,

 - Erbringen von Versorgungsleistungen zugunsten eines neuen Lebenspartners,

 - eigene Einkünfte des Kindes z.B. in Form des Bezugs von BAföG-Leistungen,

- Wegfall von eheprägenden Verbindlichkeiten oder Unterhaltsverpflichtungen,

 

Nach § 238 Abs. 1. S. 2 FamFG ist weitere Voraussetzung einer Abänderung die wesentliche Veränderung der der vorausgegangenen Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse. Nach verbreiteter Ansicht liegt eine Wesentlichkeit erst bei einer Änderung der Zahlbeträge um 10 % vor. Dies stellt jedoch lediglich einen Richtwert dar. Bei beengten wirtschaftlichen Verhältnisse kann eine Wesentlichkeit bereits deutlich unterhalb dieser Schwelle von 10 % angenommen werden. Eine Änderung der Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle deutet in aller Regel darauf hin, dass die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Veränderungen wesentlich sind.

Präklusion

Ein Abänderungsantrag kann nur auf geänderte Tatsachen gestützt werden. Ausgeschlossen sind daher solche Umstände, die bereits der damaligen Entscheidung zugrunde gelegen habe oder die seinerzeit vorhanden waren, aber nicht in die Entscheidung eingeflossen sind (Tatsachenpräklusion). Dies ist einmal der Fall, wenn eine für die Unterhaltsbemessung relevante Tatsache vom damaligen Gericht übersehen worden ist (dann wäre ein Rechtsmittel erforderlich gewesen) oder von Beteiligten gar nicht im Verfahren vorgetragen worden ist.  Da gerichtliche Unterhaltsentscheidungen ein Dauerschuldverhältnis regeln und auf diese Weise in die Zukunft wirken, liegt ihnen auch immer eine Prognoseentscheidung zugrunde, nämlich die Überlegung, dass die Verhältnisse in der Zukunft gleich bleiben. Auf der Grundlage der in diesem Verfahren vorgetragenen Tatsachen versucht das Gericht, die Entwicklung des Unterhalts vorherzusehen. Der BGH hat in mehreren Entscheidungen deutlich gemacht, dass das Gericht bereits im Erstverfahren entscheiden muss, soweit eine Entscheidung aufgrund der gegebenen Sachlage und er zuverlässig voraussehbaren Umstände möglich ist (BGH, Beschl. v. 04.07.2018 – XII ZB 122/17, FamRZ 2018, 1421, BGH Beschl. v. 15.07-2015 – VII ZB 369/14, FamRZ 2015, 1694; BGH Urt. V. 12.01.2011 – XII ZR 83/08, FamRZ 2011m 454), Zumindest aus Gründen  der anwaltlichen Vorsicht sollte daher in Unterhaltsverfahren davon ausgegangen werden, dass sicher bzw. zuverlässig vorhersehbare Änderungen bereits im Erstverfahren vorzutragen sind, um einem späteren Präklusionseinwand vorzubeugen.

Zukünftige Umstände sind jedenfalls dann zuverlässig vorhersehbar, wenn zwei Faktoren eindeutig festgelegt werden können:

1. Der Zeitpunkt des Eintritts dieser Veränderung (Faktor „Zeit“) und

2. Die finanziellen Auswirkungen dieser Veränderung auf die Unterhaltsbemessung (Faktor „Geld“).

 Zeitgrenze

Die Abänderung ist je nach § 238 Abs. 3 S.  1 FamFG möglich ab Rechtshängigkeit – also förmlicher Zustellung – des Antrags. Jedoch sind unter besonderen Umständen auch rückwirkende Änderungen des Titels möglich. Ein Antrag auf Erhöhung des Unterhalts ist nach § 238 Abs. 3 S. 2 FamFG für die Zeit zulässig, für die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann. Dies kann einmal durch eine bezifferte Zahlungsaufforderung erfolgt sein, zum anderen aber auch gem. § 1613 BGB durch ein korrektes Auskunftsverlangen. Entsprechend ist die Abänderung für die Vergangenheit von dem Zeitpunkt an möglich zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen. Den Zugang eines solchen Verlangens muss der Auffordernde nachweisen. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Aufforderung zur Auskunftserteilung Bezug zum bestehenden Unterhaltstitel aufweist und erkennbar darauf ausgerichtet ist, eine Erhöhung des titulierten Unterhalts zu erreichen. § 238 Abs. 3. S. 3 FamFG bestimmt für Anträge auf Herabsetzung des Unterhalts, dass diese auch für die Zeit ab dem ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Antragstellers folgenden Monats zulässig sind. Auf diese Weise wird die Gleichbehandlung von Gläubiger und Schuldner erreicht.  Das auf eine Herabsetzung gerichtete Verlangen unterliegt spiegelbildlich den Voraussetzungen, für die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann (vgl. § 1613 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist daher entweder ein Auskunftsverlangen mit dem Ziel der Herabsetzung des Unterhalts gegenüber dem Unterhaltsgläubiger oder eine „negative Mahnung“, also die Aufforderung an den Unterhaltsgläubiger, teilweise oder vollständig auf den titulierten Unterhalt zu verzichten. Diesen Anforderungen genügt eine Mitteilung des Unterhaltsschuldners an den Unterhaltsgläubiger, in welcher der Unterhaltsschuldner schlüssig darlegt, dass nunmehr nur noch ein geringerer Unterhalt geschuldet sei, und den Unterhaltsgläubiger ernsthaft zu der Erklärung auffordert, die Herabsetzung des Unterhalts zu akzeptieren.

Darlegungs- und Beweislast

Grundsätzlich muss auch im Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG der Antragsteller die Grundlagen der früheren Unterhaltstitels und die inzwischen eingetretenen Veränderungen darlegen und beweisen.  Betrifft der Abänderungsantrag den während der Minderjährigkeit titulierten Unterhaltsanspruch eines jetzt volljährigen Kindes, ist dieses für den Fortbestand des Unterhaltsanspruchs in der titulierten Höhe darlegungs- und beweispflichtig. Die Tatsache der Volljährigkeit führt zu einer Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast auf das volljährige Kind, das das Fortbestehen der rechtlichen Grundlagen des Unterhaltsanspruchs und seine Bedürftigkeit darlegen muss, und zwar auch in einem Abänderungsverfahren des Unterhaltspflichtigen. Erforderlich ist also auch im Abänderungsverfahren eines Elternteils insb. Der schlüssige Vortrag, welcher Haftungsanteil auf den antragstellenden Elternteil entfällt.

 

Die Abänderung von Unterhaltsvergleichen und vollstreckbaren Urkunden

Die Änderung von gerichtlichen Vergleichen nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und vollstreckbaren Urkunden, sofern sie eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthalten, richtet sich nach § 239 FamFG. Eine nach § 59 Abs. 1 S. 1 SBG VIII errichtete Jugendamtsurkunde steht nach § 60 SGB VIII in ihrer vollstreckungsrechtlichen Wirkung einer durch das Gericht oder den Notar errichteten Urkunde gleich und unterliegt somit ebenfalls der Abänderung nach § 239 FamFG. Die Vertragspartner können die >Kriterien der Abänderbarkeit selbst bestimmen. Andernfalls gelten die Regeln über die Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Dabei unterliegt die Abänderung eines Vergleichs weder einer Wesentlichkeitsgrenze noch einer zeitlichen Beschränkung. Daher kann ein solcher Titel rückwirkend auch schon für die Zeit vor Erhebung des Abänderungsantrags ab dem Zeitpunkt abgeändert werden, in dem materiell-rechtlich ein Wegfall der Geschäftsgrundlage eingetreten ist. Allerdings müssen bei einer rückwirkenden Mehrforderung die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB vorliegen. Rechtsfolge ist eine richterliche Vertragsanpassung nach sorgfältiger Prüfung unter Berücksichtigung der Interessen beider Beteiligter. Es genügt nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für einen Beteiligten unzumutbar erscheint, vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten beiden Beteiligten zumutbar sein.  Den die Abänderung begehrenden Antragsteller trifft die vollumfängliche Darlegungs- und Beweislast dafür, welche Umstände der damaligen Vereinbarung zugrunde gelegen haben und dass sich die maßgeblichen Verhältnisse seit dem Vergleichsschluss überhaupt geändert haben. Beruft sich ein Beteiligter darauf, dass in der Vereinbarung ausdrücklich auch eine Abänderbarkeit für den Fall einer späteren Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ausgeschlossen sei, trägt er hierfür die Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urt. v. 25.11.2009 – XII ZR 8/08 FamRZ 2010, 192, NJW 2010, 444).

 

Besonderheiten bei einseitigen notariellen Verpflichtungserklärungen und Jugendamtsurkunden (§§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 60 SBG VIII)

Bei einseitigen Unterhaltsverpflichtungen ergibt sich aus der Urkunde selbst nur eine Bindungswirkung für den Unterzeichner der Verpflichtungserklärung, der keine freie Abänderung der von ihm einseitig errichteten Jugendamtsurkunde ohne Berücksichtigung von deren Bindungswirkung beantragen kann.  Erfolgreich ist sein Änderungsverlangen nur, wenn eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen Umstände des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Auswirkungen auf die Höhe seiner Unterhaltspflicht eingetreten ist. Dazu muss er auch die seiner damaligen Verpflichtung nach Grund und Höhe zugrunde liegenden Umstände darlegen.  Auch der Unterhaltsberechtigte muss, um eine Erhöhung der titulierten Zahlungen zu erreichen, einen Abänderungsantrag stellen. Er muss allerdings nur dann Abänderungsgründe vortragen, wenn der einseitigen Verpflichtungserklärung eine Vereinbarung der Beteiligten zugrunde liegt.