Scheidungsrecht Rechtsprechung: Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Ehevertrag, Düsseldorfer Tabelle

Der Unterhaltsanspruch nach Schule / Ausbildung und Studium

Unterhaltsanspruch während der verschiedenen Ausbildungsphasen

  

I. Allgemeine Informationen

Ein Kind hat gegen seine Eltern grundsätzlich einen Anspruch auf Unterhalt, welcher nicht nur seine Kosten für den gesamten Lebensunterhalt umfasst, sondern auch die Kosten einer angemessenen Ausbildung zu einem Beruf, die der Begabung, der Neigung und dem Leistungswillen des Kindes entspricht.

Das Kind hingegen muss mit Fleiß und Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit diese Ausbildung beenden. Eltern haben Verzögerungen der Ausbildungszeit nur hinzunehmen, wenn diese auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Das Kind darf jedoch seine Pflichten nicht bewusst verletzen, da es andernfalls seinen Anspruch auf Unterhalt verliert und darauf verwiesen werden darf, selbst für seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit aufzukommen

 

II. Orientierungsphase nach dem Schulabschluss

Hat das Kind bereits während der Schulzeit vor anschließend studieren zu wollen, muss es das Studium auch in angemessener Zeit nach Ende der Schulzeit aufnehmen und sich um einen Studienplatz bemühen und das Studium zielstrebig beginnen. Eine gewisse Orientierungsphase wird zwar zugestanden, deren Dauer ist jedoch von Fall zu Fall unterschiedlich und richtet sich jeweils nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen auch der Eltern. Je älter ein Kind bei Schulabgang ist und je eigenständiger es seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg. Selbst wenn das Kind bisher noch keine Berufsausbildung erfahren hat, kann eine lange Verzögerung dazu führen, dass sein Ausbildungsanspruch entfällt und er sich daher seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabung und Fertigkeiten verdienen muss.

Eine feste Altersgrenze für die Aufnahme eines Studiums, ab deren Erreichen der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt, besteht nicht. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgeblich sind die wirtschaftlichen Lebensverhältnisse der Eltern. Es gibt nur eine Grenze, die eine Berufsausbildung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres unabhängig von ihrer Art als förderungswürdig ansieht.

Ist das Kind etwa psychisch erkrankt, lebte es in gestörten häuslichen Verhältnissen, hatte es die Klasse wiederholt oder kam es zu mehreren Umzügen während der Schulzeit, ist die verzögerte Aufnahme eines Studiums gerechtfertigt.

So sind beispielsweise Bewerbern mit schwächeren Qualifikationen dem Studium vorgeschaltete Berufsorientierungspraktika von etwa einem Jahr zuzusprechen.

Auch die Absolvierung eines Freiwilligendienstes ist als Ausbildungsschritt anzusehen, weil das freiwillige soziale Jahr grundsätzlich dazu geeignet ist, die Bildungsfähigkeit Jugendlicher zu fördern und ihre Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach Abschluss ihrer Ausbildung zu verbessern. Notwendig ist hierbei unter anderem ein Bezug der während des Freiwilligendienstes ausgeübten Tätigkeit zu einer anschließend angestrebten Ausbildung oder zum Studium.

 

III. Konstellation möglicher Fälle nach Abitur-Lehre-Studium

Entscheidet sich das Kind nach dem Schulabschluss zunächst eine Lehre zu absolvieren, was heutzutage tatsächliche viele Kinder aufgrund der damit verbundenen praktischen Ausbildung und einer anschließend sichereren Grundlage im Studium tun, kann ihm in Anschluss daran ein Studium ermöglicht werden. Dies beruht auf der Wertung, dass dieser Weg einen Ausbildungsweg insgesamt darstellt. Die einzelnen Abschnitte müssen jedoch in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Praktische Ausbildung und Studium müssen derselben Berufssparte angehören oder so zusammenhängen, dass das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeutet oder dass die praktische Ausbildung eine sinnvolle Vorbereitung auf das Studium darstellt. Der zeitliche Zusammenhang erfordert, dass der Auszubildende nach dem Abschluss der Lehre das Studium mit der erforderlichen Zielstrebigkeit aufnimmt.

Übt das Kind jedoch im Anschluss an die Lehre den erlernten Beruf aus, obwohl er mit dem Studium beginnen könnte und wird der Entschluss zum Studium auch sonst nicht mehr erkennbar, so wird der Zusammenhang und damit die Einheitlichkeit des Ausbildungsganges aufgehoben.

Wird der Studienentschluss nicht von vornherein, sondern erst nach Beendigung der Lehre gefasst, steht der Einheitlichkeit hingegen nichts entgegen, weil es gerade der Eigenart dieses Bildungswegs entspricht, dass die praktische Ausbildung aufgenommen wird, ohne dass sich der Auszubildende endgültig schlüssig ist.

 

Fallbeispiele zum bestehenden sachlichen Zusammenhang zwischen Lehre und Studium:

-          Banklehre und Studium der Rechtswissenschaft

-          technische Informatik und Medieninformatik

-          Banklehre und BWL-Studium

-          Bauzeichner und Studium der Architektur

-          Ausbildung zur Gestaltungstechnischen Assistentin für Grafik-Design und Pädagogikstudium mit

           Schwerpunkt Kunst

 

Fallbeispiele zum fehlenden Zusammenhang:

-          Ausbildung zum Industriekaufmann und Studium des Maschinenbaus

-          Ausbildung zur Europasekretärin und VWL-Studium

-          Lehre zum Speditionskaufmann und Studium der Rechtswissenschaft

-          Ausbildung zum Industriekaufmann und Studium der Medizin

-          Finanzverwaltung und Studium der Psychologie

-          Maurerlehre und Studium der Architektur

 

 

IV. Bachelor- und Masterstudiengänge

Bachelor- und Master-Studiengänge führen zu einer dem Abschluss eines herkömmlichen grundständigen Diplomstudienganges vergleichbaren Qualifikation. Oftmals wird an einen Bachelor-Abschluss ein inhaltlich auf diesem aufbauender (insgesamt theoretisch-und forschungsorientierter) oder auch ein weiterführender (insgesamt die erworbenen Berufserfahrungen nach einem Bachelor-Abschluss qualifizierender) Master-Abschluss angehängt.  Allerdings stellen diese nicht notwendig immer eine Einheit dar, weil bereits der Bachelor-Abschluss eine Berufsbefähigung vermittelt und der Studierende sein Master-Studium auch erst später, nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit aufnehmen will. Zwischen dem Bachelor- und dem Master-Studiengang ist deshalb ein enger zeitlicher Zusammenhang notwendig. Auch die Fortsetzung des Studiums nach dem erfolgreichen Bachelor-Abschluss muss sich als eine fachliche Ergänzung und Weiterführung oder Vertiefung erweisen. Es muss sich zudem um verwandte bzw. gleichwertige Studiengänge handelt. Auch hier ist die Einzelfallbetrachtung notwendig.

 

V. Auslandssemester bzw. –studium

Kosten für einen studien- bzw. ausbildungsbedingten Auslandsaufenthalt oder weitergehend ein vollständig im Ausland absolviertes Studium einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Mehrkosten gelten als unterhaltsrechtlicher zusätzlicher Bedarf. Ein Anspruch des Kindes darauf, dass ihm die Eltern im Rahmen des Ausbildungsunterhalts Ausbildungsabschnitte im Ausland finanzieren, besteht jedoch nur, soweit nicht eine entsprechende Absprache zwischen dem Kind und den Eltern  vorliegt und nur dann, wenn dies den Eltern wirtschaftlich zuzumuten ist.

 

VI. Konstellation möglicher Fälle nach Realschule-Lehre-Fachoberschule-Fachhochschule

Auszugehen bei diesen Fallgruppen ist von dem Grundsatz, dass die Eltern nicht für die Kosten einer zweiten oder weiteren Ausbildung herangezogen werden können, wenn sie ihre Unterhaltspflicht durch Finanzierung einer abgeschlossenen Berufsausbildung schon erfüllt haben.

Die Eltern müssen nämlich nicht damit rechnen, dass ihr Kind nach einem Schulabschluss und einer zu Ende geführten und in sich geschlossenen Berufsausbildung noch eine berufsqualifizierende Ausbildung anstreben wird, obwohl er dies zu Schulzeiten nicht beabsichtigte. Schützenswert sind hierbei die Interessen der Eltern, die ihre eigene Lebensplanung darauf einstellen können sollen, wie lange sie mit einer Unterhaltslast zu rechnen haben. Begründet wird dies unter anderem auch damit, dass Abiturienten in der Oberstufe mehr an das theoretische Denken herangeführt und damit auf ein Studium vorbereitet werden, während der Realabschluss dem Absolventen eine Vorbildung liefert, welche Grundlage für eine praxisorientierte Berufsausbildung sein kann. Nach einem Abitur rechnen die Eltern damit, dass ein Studium aufgenommen wird, in den Fällen des Hauptschulabschlusses oder Realschulabschlusses sind die Eltern hierzu jedoch nicht gehalten.

Auch muss die Einheitlichkeit der Ausbildung verneint werden, wenn die schulische Ausbildung scheitert und beim Eintritt in die praktische Berufsausbildung weder die Absicht besteht, nach deren Abschluss die Fachoberschule zu besuchen und zu studieren, noch sonst nach der erkennbar gewordenen Begabung oder nach der Leistungsbereitschaft und dem Leistungsverhalten des Kindes eine entsprechende Weiterbildung nach Abschluss der Lehre zu erwarten ist.

 

VII. Sonstiges

Wird das Kind während der Ausbildung schwanger und verzögert sich die Ausbildung aufgrund der anschließenden Kindesbetreuung, ist dies dem Kind nicht nachteilig anzulasten, wenn der Unterhaltsberechtigte seine Ausbildung nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes aufnimmt.

Ein Wechsel der Ausbildung ist unbedenklich, wenn er einerseits auf sachlichen Gründen beruht und andererseits unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aus der Sicht der Eltern wirtschaftlich zumutbar ist. Erforderlich kann ein sachlicher Zusammenhang zwischen der abgebrochenen und der angestrebten Ausbildung sein, weil es jungen Menschen zuzubilligen ist, dass sie sich über ihre Fähigkeiten irren oder falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf haben. Dabei wird ein Ausbildungswechsel umso eher akzeptiert, je früher er stattfindet.