Scheidungsrecht Rechtsprechung: Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Ehevertrag, Düsseldorfer Tabelle

BGH: Nichtigkeit eines Ehevertrag bei Verzicht auf Versorgungsausgleich

BGH: Nichtigkeit eines kompensationslos vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs

BGB §§ 138, 242, 1570, 1587 I 1, 1587b III Nr. 2

Ein im Ehevertrag kompensationslos vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nichtig, wenn die Ehefrau bei Abschluss des Vertrages schwanger ist und die Ehegatten bewusst in Kauf nehmen, dass sie wegen Kindesbetreuung alsbald aus dem Berufsleben ausscheiden und bis auf Weiteres keine eigenen Versorgungsanrechte (abgesehen von Kindererziehungszeiten) erwerben wird. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

BGH, Beschluss vom 18.03.2009 - XII ZB 94/06 (OLG Karlsruhe); BeckRS 2009, 12130

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Dr. Winfried Born, Aderhold Rechtsanwaltsgesellschaft, Dortmund

Sachverhalt

Die Parteien heirateten am 15.08.1992, ihr gemeinsamer Sohn wurde am 28.10.1992 geboren. Einen Tag vor der Heirat hatten die Parteien einen notariellen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, in dem sie u. a. Gütertrennung vereinbart und den Versorgungsausgleich ausgeschlossen hatten. Auf Verlangen des Ehemannes sollte die Ehefrau Untersuchungen vornehmen lassen zwecks Feststellung, ob der Ehemann der Vater des noch ungeborenen Kindes sei. Für den Fall der Geburt eines gemeinsamen Kindes sollte die Ehefrau ihre berufliche Tätigkeit vorübergehend zum Zwecke der Kindesbetreuung aufgeben. Sobald das Kind einer ganztägigen Betreuung durch die Mutter nicht mehr bedürfe, sollte die Ehefrau verpflichtet sein, ihre ursprüngliche oder eine andere berufliche Tätigkeit wieder aufzunehmen. Auf Unterhalt für den Scheidungsfall wurde von den Parteien wechselseitig verzichtet. Daneben sollte der ein Kind betreuende Ehegatte Unterhalt nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle solange verlangen können, bis die ganztätige Betreuung des Kindes nicht mehr erforderlich sei und der betreuende Ehegatte eine berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen könne. Für den Ehemann war der Abschluss des Ehevertrages Voraussetzung der Heirat. Bei Vertragsschluss war er Assistenzarzt; er ist Facharzt für Kardiologie. Die Ehefrau hatte bei Abschluss des Ehevertrages ihre Referendarzeit als Gymnasiallehrerin abgeschlossen, aber keine Lehramtsstelle erhalten. Sie arbeitete deshalb von 1989 bis zur Geburt des Kindes als Exportsachbearbeiterin, bis 1995 befand sie sich anschließend im Erziehungsurlaub. Danach bezog sie Arbeitslosengeld und übernahm ab 1999 Krankheitsvertretungen im Lehramt. Seit September 2002 ist sie Beamtin (Studienassessorin) auf Probe. Auf den im Sommer 2003 zugestellten Antrag hat das AG die Ehe durch Verbundurteil geschieden. Es hat den Ehevertrag für unwirksam angesehen und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Mit seiner Beschwerde hat der Ehemann geltend gemacht, der Versorgungsausgleich sei durch den Ehevertrag wirksam ausgeschlossen. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung und zur Zurückverweisung an das OLG.

Rechtliche Wertung

Der BGH lässt es dahinstehen, ob der Ehevertrag insgesamt als sittenwidrig anzusehen sei; jedenfalls sei eine Nichtigkeit der ehevertraglichen Regelung zum Versorgungsausgleich gemäß § 138 I BGB anzunehmen. Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen dürfe nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden könne. Dies sei bei evident einseitiger und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertiger Lastenverteilung der Fall, was im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle nach §138 Abs. 1 BGB zu prüfen sei. Eine Schwangerschaft der Frau bei Abschluss des Ehevertrages begründe für sich allein noch keine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages; sie indiziere aber eine ungleiche Verhandlungsposition und damit eine Disparität bei Vertragsschluss, die es rechtfertige, den Vertrag einer verstärkten richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen. Im Rahmen einer Gesamtschau komme das Verdikt der Sittenwidrigkeit nur in Betracht, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen würden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt werde. Soweit ein Vertrag der Inhaltskontrolle standhalte, sei im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu überprüfen, ob sich nunmehr – im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft – aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergebe, welche der belastete Ehegatte nicht hinnehmen müsse.

Im vorliegenden Fall halte der ehevertraglich vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs schon der Wirksamkeitskontrolle nicht stand. Bereits subjektiv habe sich die Ehefrau in einer deutlich schwächeren Verhandlungsposition befunden, zum einen aufgrund der vorliegenden Schwangerschaft, zum anderen aufgrund der vom Ehemann geäußerten Zweifel an seiner Vaterschaft, weiter deshalb, weil er die Heirat vom Abschluss des Ehevertrages abhängig gemacht habe. Dieser subjektive Druck verschärfe sich durch die wirtschaftliche Situation der Ehefrau, die in ihrem erlernten Beruf keine Anstellung gefunden hatte und ohne den wirtschaftlichen Rückhalt der Ehe als ungelernte Kraft und ledige Mutter eine ungesicherte wirtschaftliche Zukunft gehabt hätte. Dieses Ungleichgewicht spiegele sich schließlich im objektiven Inhalt des Ehevertrages; jedenfalls der vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs bewirke eine offenkundige einseitige Lastenverteilung für den Scheidungsfall. Versorgungsausgleich sei vorweg genommener Altersunterhalt; Vereinbarungen müssten deshalb nach denselben Kriterien geprüft werden wie ein vollständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht. Der Unterhalt wegen Alters gehöre zum Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts; für den Versorgungsausgleich könne nichts anderes gelten. Unwirksamkeit nach § 138 Abs. 1 BGB sei anzunehmen, wenn der Ausschluss dazu führe, dass der betroffene Ehegatte aufgrund des schon bei Vertragsschluss geplanten Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfüge und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheine. Vorliegend habe die Ehefrau bei Geburt eines Kindes ihre berufliche Tätigkeit aufgeben und sich der Haushaltsführung und Kindesbetreuung widmen sollen; erst wenn kein Kind mehr einer Ganztagsbetreuung bedürfe, sollte die Mutter berechtigt und verpflichtet sein, ihre frühere oder eine angemessene Berufstätigkeit wieder aufzunehmen. Die Parteien hätten damit schon bei Vertragsschluss bewusst in Kauf genommen, dass die seinerzeit schwangere Ehefrau alsbald aus dem Berufsleben ausscheiden und damit bis auf Weiteres keine eigenen Versorgungsanrechte (außer Kindererziehungszeiten) erwerben würde. Von daher sei ein ehebedingter Nachteil vorhersehbar gewesen, weil die Ehefrau vertraglich auf den Ausbau der eigenen Versorgungsbiografie verzichtet habe. Das AG habe im Ergebnis den Versorgungsausgleich deshalb zu Recht durchgeführt; die angefochtene Entscheidung könne allerdings nicht bestehen bleiben, weil das Anwartschaftsrecht des Ehemannes mit einem unzutreffenden Wert berücksichtigt worden sei.

Praxishinweis

In den letzten Jahren haben im Rahmen der Diskussion zur Wirksamkeit von Eheverträgen Entscheidungen im Mittelpunkt gestanden, die Einschränkungen beim Unterhalt zum Gegenstand hatten; dabei wird gelegentlich übersehen, dass der Versorgungsausgleich ebenfalls zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zählt, weil er in der Hierarchie nach dem Anspruch auf Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) an zweiter Stelle eingeordnet ist. Dies ist konsequent, denn der Versorgungsausgleich ist nur eine andere Form von Altersunterhalt. Sofern die Vertragsparteien keine ausreichende Kompensation (z. B. in Form einer Lebensversicherung) vorgesehen haben oder der für den Ausgleichsberechtigten entstehende Nachteil nicht in anderer Weise ausgeglichen wird, begegnet der Ausschluss schon für sich allein erheblichen Bedenken. Besonders gefährlich für den begünstigten Vertragsteil – meist den Ehemann – wird das Ganze dann, wenn der Vertrag in seiner Gesamtheit eine einheitlich nachteilige Regelung enthält. Dazu hat der BGH im vergangenen Jahr (Urteil vom 09.07.2008 - XII ZR 6/07, NJW 2008, 3426, mit Anm. Born, FD-FamR 2008, 268519) entschieden, dass dann auch keine salvatorische Klausel mehr hilft, sondern – nach der «Infektionstheorie» – aufgrund der «Verzahnung» der verschiedenen Regelungen eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages anzunehmen ist. Im vorliegenden Fall hat es der BGH dahinstehen lassen, ob der Ehevertrag insgesamt als sittenwidrig angesehen werden muss; jedenfalls war die Regelung zum Versorgungsausgleich nichtig, weil die Parteien – gerade auch vor dem Hintergrund der vorliegenden Schwangerschaft der Ehefrau – bewusst in Kauf genommen hatten, dass die Ehefrau wegen Kindesbetreuung alsbald aus dem Berufsleben ausscheiden und bis auf Weiteres keine eigenen Versorgungsanrechte erwerben würde, wenn man einmal von Kindererziehungszeiten absieht.