BGH: Befristung des Krankheitsunterhalts
BGB §§ 1572, 1573, 1578b
Für die Abgrenzung der Anspruchsgrundlagen wegen eines Erwerbshindernisses aus §§ 1570 bis 1572 BGB und aus § 1573 II BGB (Aufstockungsunterhalt) ist maßgebend, ob wegen des vorliegenden Hindernisses eine Erwerbstätigkeit vollständig oder nur zum Teil ausgeschlossen ist. Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, ist als Folge des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes nunmehr auch beim Krankheitsunterhalt (§ 1572 BGB) eine zeitliche Begrenzung zulässig. Hier kommt es darauf an, ob die Gestaltung der Ehe – insbesondere die Arbeitsteilung der Ehegatten – die Fähigkeit eines Ehegatten zur Sicherstellung seines eigenen Unterhalts beeinträchtigt hat mit der Folge, dass ein ehebedingter Nachteil vorliegt. Auch wenn eine Krankheit als solche nur in Ausnahmefällen ehebedingt ist, führt dies nicht ohne Weiteres dazu, dass der Krankheitsunterhalt – bei Fehlen ehebedingter Nachteile – zwangsläufig zu befristen wäre; hierüber ist im Rahmen einer Billigkeitsabwägung zu befinden.
BGH, Urteil vom 26.11.2008 - XII ZR 131/07; BeckRS 2009, 04133
Sachverhalt
Die Parteien stritten um nachehelichen Unterhalt und dessen Befristung. Bei Heirat im Sommer 1994 war der Ehemann, für den es die zweite Ehe war, 36, die Ehefrau 47 Jahre alt. Nach der Heirat führten beide zunächst noch getrennte Haushalte. Bis zur Trennung im Mai 2003 lebten sie fünf Jahre zusammen. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Der Ehemann ist gelernter Klempner und Installateur; zuletzt war er als Maschinenführer tätig. Seit 1998 ist er krankheitsbedingt nicht mehr erwerbstätig; neben der gesetzlichen Rente bezieht er wegen Erwerbsminderung eine Betriebsrente. Die Ehefrau ist Versicherungskauffrau. Der Ehemann hat von ihr die Zahlung nachehelichen Unterhalts begehrt. Das AG hat die Ehe durch Verbundurteil geschieden und die Ehefrau (überwiegend entsprechend einem dortigen Anerkenntnis) zur Zahlung von 235 Euro Geschiedenenunterhalt verurteilt unter Befristung auf drei Jahre ab Rechtskraft der Scheidung. Im Versorgungsausgleich sind dem Ehemann Rentenanwartschaften übertragen worden; die Ehefrau wurde zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs von 6.000 Euro verurteilt. Auf die Berufung des Ehemannes hat das OLG den Unterhalt auf monatlich 285 Euro erhöht, es allerdings bei der Befristung belassen. Die – zugelassene – Revision des Ehemannes, der eine Erhöhung des Unterhalts und einen Wegfall der Befristung erstrebte, wurde verworfen, soweit seine Berufung wegen einer höheren Unterhaltsforderung als 285 Euro monatlich für die Zeit von drei Jahren ab Rechtskraft der Scheidung zurückgewiesen worden war; im Übrigen wurde die Revision zurückgewiesen.
Rechtliche Wertung
Der BGH hält zunächst fest, dass die Revision nur zulässig sei, soweit der Ehemann weiteren Unterhalt für die Zeit nach Ablauf von drei Jahren seit Rechtskraft der Scheidung geltend mache. Das Berufungsurteil halte hier einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Die vom OLG vorgenommene zeitliche Befristung nach § 1573 V BGB a.F. sei allerdings nicht zulässig gewesen, weil sich der Unterhaltsanspruch des Ehemannes allein aus § 1572 BGB ergebe; vor der Gesetzesänderung sei hier eine Befristung nach § 1573 V BGB a.F. aber nicht möglich gewesen. Für die Abgrenzung der Anspruchsgrundlagen wegen eines Erwerbshindernisses aus §§ 1570 bis 1572 BGB einerseits und aus § 1573 II BGB (Aufstockungsunterhalt) andererseits komme es darauf an, ob wegen des vorliegenden Hindernisses eine Erwerbstätigkeit vollständig oder nur teilweise ausgeschlossen sei. Im erstgenannten Fall folge der Unterhaltsanspruch allein aus §§ 1570 bis 1572 BGB, und zwar auch für den Teil des Unterhaltsbedarfs, der nicht durch das Erwerbshindernis verursacht worden sei, sondern auf dem – den angemessenen Lebensbedarf übersteigenden – Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (voller Unterhalt) gemäß § 1578 I 1 BGB beruhe. Nur bei einer lediglich teilweisen Erwerbshinderung sei der Unterhalt allein wegen des durch die Erwerbsänderung verursachten Einkommensausfalls auf §§ 1570 bis 1572 BGB zu stützen, im Übrigen auf § 1573 II BGB.
Die vom OLG ausgesprochene Befristung des Anspruchs nach § 1573 V BGB a.F. müsse hier ausscheiden, weil es allein um Unterhalt wegen Krankheit (§ 1572 BGB) gehe; nach altem Recht sei für diesen Anspruch eine Befristungsmöglichkeit aber nicht vorgesehen gewesen. Im Ergebnis sei das OLG-Urteil aber richtig und die Revision deshalb zurückzuweisen; denn die Befristung des Unterhalts auf drei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung sei aufgrund von § 1578b II BGB gerechtfertigt. Nach dieser – zum 01.01.2008 eingeführten – Vorschrift komme eine zeitliche Begrenzung jetzt auch beim Krankheitsunterhalt (§ 1572 BGB) in Betracht. Der vom OLG erschöpfend festgestellte und gewürdigte Sachverhalt rechtfertige die ausgesprochene Unterhaltsbefristung auf drei Jahre ab Rechtskraft der Scheidung. Eine differenzierte Bewertung nach dem angemessenen Lebensbedarf und dem darüber hinausgehenden Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen sei vorliegend nicht erforderlich. Zunächst komme es auf das Vorliegen von ehebedingten Nachteilen an, die sich vor allem aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit in der (hier kinderlosen) Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben könnten. Im Rahmen der Gestaltung der Ehe spiele eine Rolle, ob insbesondere die Arbeitsteilung der Ehegatten die Fähigkeit des unterhaltsbedürftigen Ehegatten, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen, beeinträchtigt habe. Das sei vorliegend nicht der Fall; der – während der Ehe zunächst noch erwerbstätige – Ehemann habe seine Arbeit aus gesundheitlichen Gründen, die nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Ehe gestanden hätten, einstellen müssen. Die Erkrankung des Ehemannes sei – entgegen der Auffassung des OLG – nicht schon deshalb als ehebedingter Nachteil zu betrachten, weil sie während der Ehe eingetreten sei. Ein Nachteil könne dann angenommen werden, wenn der Unterhaltsberechtigte aufgrund der gewählten Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorgesorgt habe. Allerdings sie hier zu berücksichtigen, dass der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge in erster Linie Aufgabe des Versorgungsausgleichs sei. Hier seien dem Ehemann Rentenanwartschaften der Ehefrau übertragen worden, wodurch er schon mehr erhalten haben als einen Ausgleich ehebedingter Nachteile; denn die Rollenverteilung in der Ehe habe hier nicht zu einer Schmälerung der von ihm erworbenen Versorgungsanwartschaften geführt. Das Merkmal der Ehedauer stelle nur ein Indiz für die zunehmende Verflechtung der beiderseitigen Verhältnisse dar. Hier habe die Ehe rund elf Jahre gedauert; eine wirtschaftliche Verflechtung sei nicht festgestellt worden.
Auch wenn die Krankheit als solche nur in Ausnahmefällen ehebedingt sei, führe dies andererseits nicht ohne Weiteres dazu, dass der Krankheitsunterhalt – bei Fehlen ehebedingter Nachteile – zwangsläufig zu befristen sei. Das Fehlen der Ehebedingtheit einer Krankheit habe Einfluss auf die grundsätzliche Gewichtung des Unterhalts nach § 1572 BGB im Rahmen der Billigkeitsabwägung und im Hinblick auf das von den Ehegatten zu fordernde Maß an fortwirkender Unterhaltsverantwortung. Da Krankheit und dadurch bedingte Erwerbsunfähigkeit in der Regel eine schicksalhafte Entwicklung darstellten, sei eine dauerhafte Unterhaltsverantwortung des geschiedenen Ehegatten für das – nur in zeitlichem Zusammenhang mit der Ehe stehende – Krankheitsrisiko nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen. Vorliegend komme der Ehedauer von rund elf Jahren kein erhebliches Gewicht zu. Der Ehemann sei bei Eingehung der (für ihn zweiten) Ehe schon 47 Jahre alt gewesen, ein besonderes Vertrauen auf den Fortbestand der Unterhaltsverpflichtung sei durch Ehe und deren Dauer nicht begründet worden. Die Parteien hätten nur rund fünf Jahre in einem gemeinsamen Haushalt zusammen gelebt. Dispositionen aufgrund eines etwaigen Vertrauens in die fortwährende Unterhaltsverpflichtung der Ehefrau seien nicht festgestellt. Schließlich könne der Ehemann auch nichts daraus herleiten, dass erst das neue Recht eine Befristung des Krankheitsunterhalts ermögliche; denn der Gesetzgeber habe von einem Vertrauensschutz für Altfälle bewusst abgesehen.
Praxishinweis
Der BGH bestätigt zunächst seine bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung der verschiedenen Anspruchsgrundlagen. Danach ist wie folgt zu unterscheiden:
Ist der Unterhaltsberechtigte vollständig an einer Erwerbstätigkeit gehindert, ergibt sich der Anspruch allein aus §§ 1570 bis 1572 BGB. Dies gilt auch für denjenigen Teil des Unterhaltsbedarfs, der nicht durch das Erwerbshindernis verursacht worden ist, sondern auf dem vollen Unterhalt (§ 1578 I 1 BGB) beruht.
Bei einer nur teilweisen Erwerbshinderung ist zu unterscheiden:
- Wegen des durch die Erwerbshinderung verursachten Einkommensausfalls ergibt sich der Anspruch aus §§ 1570 bis 1572 BGB;
- Wegen des weitergehenden Einkommensausfalls ist der Anspruch auf §§ 1573 II BGB zu stützen.
Wichtig sind die Hinweise des Gerichts auf die Bedeutung einer Krankheit für die Frage des ehebedingten Nachteils. Dazu wird unmissverständlich klargestellt, dass ein solcher Nachteil nicht schon deshalb angenommen werden kann, weil die Krankheit während der Ehe eingetreten ist. Sofern die Rollenverteilung zu einem Versorgungsnachteil geführt hat, wird letzterer regelmäßig im Rahmen des Versorgungsausgleichs ausgeglichen (Urteil vom 16.04.2008 – XII ZR 107/06, NJW 2008, 2581; Urteil vom 25.06.2008 – XII ZR 109/07, NJW 2008, 2644; Anmerkung Born, FD-FamR 2008, 265305). Die Dauer der Ehe ist nur ein Indiz für die Frage, ob eine zunehmende Verflechtung der beiderseitigen Verhältnisse eingetreten ist (BGH, Urteil vom 16.04.2008, a.a.O.). Andererseits führt das Fehlen einer Ehebedingtheit der Krankheit nicht ohne Weiteres zur notwendigen Befristung des Anspruchs auf Krankheitsunterhalt; dies ist vielmehr im Rahmen einer Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden.
Unterhaltsberechnung
Trennungsunterhalt - Scheidungsunterhalt – Kindesunterhalt - Elternunterhalt
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