Scheidungsrecht Rechtsprechung: Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Ehevertrag, Düsseldorfer Tabelle

Befristung des Anspruchs auf Unterhalt einer Lebensmittel-Verkäuferin

Sachverhalt der BGH-Entscheidung vom 26.09.2007


Die im Jahre 1982 geschlossene Ehe der Parteien war kinderlos geblieben. Nach Trennung im April 2002 wurde die Ehe auf den im April 2003 zugestellten Scheidungsantrag durch Verbundurteil vom März 2004 geschieden; der Scheidungsausspruch ist seit Juli 2004 rechtskräftig. Der Ehemann erzielt in seinem erlernten Beruf als Zerspannungsmechaniker ein Nettoeinkommen von rund 1.480 Euro. Die Ehefrau ist gelernte Drogistin, hat aber schon vor der Ehe als Verkäuferin im Lebensmittelbereich gearbeitet. Während der Ehe war sie – neben der Haushaltstätigkeit und der Pflege ihres erkrankten Vaters – weiterhin halbschichtig in diesem Bereich berufstätig. Seit Januar 2003 übt sie eine vollschichtige Berufstätigkeit als Kassiererin aus. Aus dieser Tätigkeit erzielt sie anrechenbare Nettoeinkünfte von rund 990 Euro. Mit Rechtskraft der Scheidung hat sie einen Zugewinnausgleich von 60.000 Euro erhalten, wovon sie 53.150 Euro verzinslich anlegen kann und woraus Zinseinkünfte von monatlich rund 163 Euro ermöglicht werden. Das AG hat den Ehemann zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von 164 Euro verurteilt; die von ihm hilfsweise begehrte zeitliche Befristung hat es abgelehnt. Auf die Berufung des Ehemannes hat das OLG die Unterhaltspflicht auf die Zeit bis Juli 2011 befristet und die Revision zur Frage der zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs zugelassen. Die Revision der Ehefrau erwies sich als erfolglos.

Auch nach über 20-jähriger Ehe kommt eine Befristung des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt in Betracht (hier: auf 7 Jahre nach Scheidung), wenn die Ehe kinderlos geblieben ist und der unterhaltsberechtigte Ehegatte in dem auch vorehelich ausgeübten Beruf eine Vollzeittätigkeit ausübt. Entscheidend ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs weniger die Ehedauer als solche, sondern vielmehr die Frage, ob ein ehebedingter Nachteil vorliegt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zu Gunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigen könnte. Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 V BGB bietet dagegen keine – von ehebedingten Nachteilen unabhängige – Lebensstandardgarantie. Sofern die nacheheliche Einkommensdifferenz nicht auf ehebedingte Nachteile, sondern auf einen schon vor der Heirat vorliegenden unterschiedlichen Lebensstandard zurückzuführen ist, der auch dem «Gefälle» in der Qualifikation entspricht, ist es für den unterhaltbedürftigen Ehegatten zumutbar, sich nach einer Übergangszeit mit einem Lebensstandard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte.
BGH, Urteil vom 26.09.2007 - XII ZR 15/05; BeckRS 2007, 17614
Sachverhalt der aktuellen BGH-Entscheidung vom 26.09.2007


Rechtliche Wertung
Der BGH verweist zunächst auf die Entstehungsgeschichte der Vorschriften zur zeitlichen Befristung (§ 1573 V BGB) und zur Begrenzung des Unterhaltsanspruchs (§ 1578 I 2 BGB). Danach sei der nacheheliche Unterhalt in erster Linie zum Ausgleich ehebedingt entstandener Nachteile bestimmt. Allerdings verschaffe der Aufstockungsunterhalt dem bedürftigen Ehegatten schon dem Grunde nach einen Anspruch auf Teilhabe an dem während der Ehe erreichten Lebensstandard, wodurch er sich von anderen Tatbeständen (§§ 1570, 1574, 1575 BGB) unterscheide. Gleichwohl habe das Unterhaltsrecht ursprünglich keine ausdrückliche Befristungsmöglichkeit und auch kaum Raum für Billigkeitsabwägungen vorgesehen. Wegen der ungünstigen Entwicklung am Arbeitsmarkt sei damals weit häufiger und für längere Zeit Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit (§ 1573 I) und Aufstockungsunterhalt (§ 1573 II) zugesprochen worden, als es der Gesetzgeber vor Inkrafttreten des ersten EheRG vorgesehen habe. Dadurch hätten diese Formen des Unterhalts eine Bedeutung erlangt, die dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit (§ 1569 BGB) widersprächen. Aus diesen Gründen habe der Gesetzgeber – neben der Möglichkeit zur Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 I 2 BGB – auch die Möglichkeit zur zeitlichen Befristung der Ansprüche auf Arbeitslosen- und Aufstockungsunterhalt eingeführt. Beide Vorschriften sollten nach dem Willen des Gesetzgebers unbillige Ergebnisse durch einen lebenslangen Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen verhindern und somit auch den Widerspruch zwischen dem Grundsatz der nachehelichen Eigenverantwortung und dem Zweck des Aufstockungsunterhalts lösen.

Eine Befristung des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573 V BGB) scheide nicht schon allein wegen einer langen Ehedauer aus, auch wenn diese mehr als 20 Jahre betrage. Denn in beiden einschlägigen Vorschriften lege das Gesetz keine bestimmte Ehedauer fest, von der ab eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nicht mehr in Betracht komme. Es widerspreche dem Sinn und Zweck des § 1573 V BGB, den Billigkeitsgesichtspunkt «Dauer der Ehe» im Sinne einer festen Zeitgrenze zu bestimmen. Vielmehr werde die Ehedauer als Billigkeitsgesichtspunkt gleichrangig neben die «Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit» gestellt. Außerdem seien die Arbeitsteilung der Ehegatten und die Ehedauer lediglich zu «berücksichtigen»; jeder einzelne Umstand lasse sich also nicht zwingend für oder gegen eine Befristung ins Feld führen. Erforderlich sei regelmäßig eine individuelle Billigkeitsabwägung, die alle Umstände des Einzelfalles einbeziehen müsse. Im Ergebnis komme auch bei länger als 20 Jahre andauernder Ehe eine Begrenzung des Anspruchs in Betracht, während das umgekehrt bei erheblich kürzeren Ehen aus anderen Gründen ausgeschlossen sein könne (BGH Urteil vom 12.04.2006 – XII ZR 240/03, FamRZ 2006, 1006 mit Anmerkung Born).

Zu prüfen sei regelmäßig die Frage, ob sich eine nacheheliche Einkommensdifferenz als ein ehebedingter Nachteil darstelle, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zu Gunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigen könne. Dagegen biete der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt keine Lebensstandardgarantie im Sinne einer fortwirkenden Mitverantwortung, die von ehebedingten Nachteilen unabhängig sei. Sofern die nacheheliche Einkommensdifferenz nicht auf ehebedingte Nachteile zurückzuführen sei, sondern darauf, dass beide Ehegatten schon vorehelich in Folge ihrer Berufsausbildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hätten, könne es im Einzelfall dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nach einer Übergangszeit zumutbar sein, auf einen Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 I 1 BGB) zu verzichten und sich mit dem Lebensstandard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte.

Die Begrenzung des Aufstockungsunterhalts aus Billigkeitsgründen (§ 1573 V BGB) setze nicht zwingend voraus, dass der Zeitpunkt, ab dem der Unterhaltsanspruch entfalle, bereits erreicht sei. Sofern die dafür ausschlaggebenden Umstände bereits eingetreten oder zuverlässig voraussehbar seien, könne die Entscheidung über eine Begrenzung nicht einem späteren Abänderungsverfahren (§ 323 II ZPO) vorbehalten bleiben, sondern müsse schon im Ausgangsverfahren getroffen werden (BGH, Urteil vom 28.02.2007 – XII ZR 37/05, NJW 2007, 1961 mit Anmerkung Born FD-FamR 2007, 225057). Die entsprechende Prognose lasse sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles treffen.

Nach Ansicht des BGH hat das OLG im vorliegenden Fall zu Recht berücksichtigt, dass die Ehe der Parteien kinderlos geblieben war und die Ehefrau bei Rechtshängigkeit der Scheidung erst das 41. Lebensjahr vollendet sowie eine Vollzeittätigkeit in dem vor der Ehe ausgeübten Beruf hatte. Auch während der Ehe sei sie – wenn auch nur halbschichtig – durchgehend berufstätig gewesen. Damit resultiere das nacheheliche Einkommensgefälle nicht aus ehebedingten Nachteilen, sondern sei auf den schon vorehelich bestehenden unterschiedlichen Ausbildungsstand der Parteien zurückzuführen. Die Übergangsfrist sei nicht schematisch an der Ehedauer zu orientieren, auch wenn dieser Aspekt nicht völlig unberücksichtigt bleiben könne. Auch bei sehr langer Ehedauer sei es in Fällen wie dem Vorliegenden für den Unterhaltsberechtigten regelmäßig möglich, seine persönlichen und finanziellen Verhältnisse auf die Einkünfte einzurichten, die er ohne die Unterhaltsleistung des geschiedenen Ehegatten zur Verfügung habe.

Praxishinweis
Schon von seiner Konzeption her ist Unterhalt ein Äquivalent für den Ausgleich ehebedingter Nachteile. Deshalb enthält die Entscheidung des BGH nichts grundsätzlich Neues, sondern bringt lediglich einige Dinge auf den Punkt. Schon in seiner Entscheidung vom 12.04.2006 – XII ZR 240/03 (FamRZ 2006, 1006 mit Anmerkung Born) hatte der BGH darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Frage einer etwaigen Unbilligkeit eines zeitlich unbegrenzten Unterhaltsanspruchs der Umfang der Ehedauer nach dem Gesetzeswortlaut in § 1573 V BGB «insbesondere» zu berücksichtigen ist. Während die Instanzrechtsprechung bisher gern mit zeitlichen Grenzen gearbeitet und z. B. eine Begrenzung des Unterhalts im Bereich einer Ehedauer von 2 bis 10 Jahren für zulässig geh alten, eine solche Begrenzung ab einer Ehedauer von 10 Jahren aber grundsätzlich als Ausnahmefall angesehen hat (zu Einzelheiten s. Kalthoener/Büttner/Niepmann Rn. 1037 ff. m. w. N.), hat der BGH schon frühzeitig eine Orientierung an bestimmten Zeiträumen abgelehnt (BGH, Urteil vom 28.03.1990 - XII ZR 64/89, FamRZ 1990, 857, 859) und diese Ansicht vor kurzem bekräftigt (BGH, Urteil vom 12.04.2006 – XII ZR 240/03, FamRZ 2006, 1006 mit Anmerkung Born). Auch die Arbeitsteilung der Ehegatten wird im Rahmen der Billigkeitsabwägung lediglich «berücksichtigt»; der Umstand spricht also nicht zwingend für oder gegen eine Befristung. Es kann inzwischen als gefestigte Rechtsprechung des BGH angesehen werden, dass eine lebenslange Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards nur bei langer Ehedauer, der Übernahme von erheblichen beruflichen Nachteilen wegen der Ehe oder im Falle gemeinsamer betreuungsbedürftiger Kinder angemessen ist, es ansonsten für den Berechtigten im Falle einer Verbesserung seines Lebensstandards durch die Ehe zumutbar ist, dass nach Ablauf einer Übergangszeit eine Reduzierung auf seinen vor der Heirat bestehenden Lebensstandard vorgenommen wird. Aufstockungsunterhalt kann in diesem Fall nur in Höhe der Differenz zwischen dem erzielten Einkommen und demjenigen Einkommen verlangt werden, welches der Berechtigte auf der Grundlage eigener beruflicher Qualifikation (ohne den Eintritt ehebedingter Nachteile) hätte erzielen können. Nunmehr wird herausgestellt, dass regelmäßig eine individuelle Billigkeitsabwägung vorzunehmen ist, die alle Umstände des Einzelfalles einbezieht. Dass – entgegen der früheren Instanzrechtsprechung – der Dauer der Ehe keine vorrangige Bedeutung mehr zukommt, wird deutlich aus dem ausdrücklichen Hinweis des BGH, dass selbst bei einer Ehe von mehr als 20 Jahren eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts in Betracht kommen kann, die Begrenzung dagegen auch bei erheblich kürzeren Ehen aus anderen Gründen ausgeschlossen sein kann. Mit seinem nochmaligen Hinweis darauf, dass der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt keine Lebensstandardgarantie bietet, sondern nur ehebedingte Nachteile ausgleichen soll, macht der BGH deutlich, dass es kein dauerhaftes «Herauf-Heiraten» der unterhaltsberechtigten Partei mehr gibt. Hat schon vor der Heirat ein nicht unerhebliches «Qualifikationsgefälle» vorgelegen mit der Folge, dass die Parteien schon vor der Heirat einen unterschiedlichen Lebensstandard hatten, ist es für den Berechtigten nach einer Übergangszeit regelmäßig zumutbar, auf einen Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu verzichten und sich mit dem Lebensstandard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte. Von den Umständen des Einzelfalles hängt auch ab, ob die Prognose dahin getroffen werden kann, dass die für eine Begrenzung maßgeblichen Umstände schon zuverlässig vorhersehbar sind.

Da der bisherige Gesetzesentwurf (BR-Drucks. 253/06, vgl. FamRZ 2006, 670 ff.) durch die Neufassung vom 09.11.2007 insoweit nicht geändert worden ist, ist ab 01.01.2008 der Wegfall des § 1573 V BGB und stattdessen die neue Vorschrift des § 1578b BGB zu berücksichtigen. Mit der neuen Vorschrift wird eine – sämtliche nachehelichen Unterhaltstatbestände erfassende – Billigkeitsregelung eingeführt, die nach den in Abs. 1 und Abs. 2 genannten Kriterien (vgl. dazu FamRZ 2006, 670, 671) die Möglichkeit bietet, einen «eigentlich» geschuldeten Unterhalt zu reduzieren oder zeitlich zu begrenzen; der systematische Ansatz ist demjenigen in § 1579 BGB vergleichbar. Im Ergebnis ist ein Ende der Lebensstandardgarantie anzunehmen, denn der Anspruch wird – nach Grund und Höhe – auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile (z. B. wegen Kindesbetreuung, Erwerbslosigkeit auf Grund langjähriger Übernahme der Haushaltsführung, tatsächliche Erwerbstätigkeit unterhalb des eigenen Qualifikationsniveaus) beschränkt

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