Leitsatz der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26.09.2007 - XII ZR 11/05
Eine Befristung des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 V BGB und eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen nach § 1578 I 2 BGB kommen nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs in Betracht, wenn die Ehegatten die erste Hälfte ihrer 20-jährigen Ehe in der früheren DDR verbracht hatten und dort beide einer vollschichtigen Berufstätigkeit nachgegangen sind.
Sachverhalt
Aus der im Jahre 1982 geschlossenen Ehe der Parteien sind zwei in den Jahren 1982 und 1984 geborene Kinder hervorgegangen. Nach Trennung der Parteien im Sommer 2001 wurde die Ehe auf den im August 2002 zugestellten Scheidungsantrag durch Verbundurteil vom März 2004 geschieden. Im Sommer 2006 hat der Ehemann neu geheiratet; das im Mai 2001 geborene Kind seiner neuen Ehefrau hat er im Januar 2007 als eigenes Kind angenommen. Während ihrer Ehe in der früheren DDR waren beide Parteien vollschichtig berufstätig, die Kinder wurden in einer Kinderkrippe, einem Kindergarten und einem Hort betreut. Die Ehefrau erzielte damals aus ihrer Tätigkeit als Bauingenieurin Einkünfte von monatlich 690 Mark, der Ehemann auf Grund seiner leitenden Tätigkeit ein einer Stärkefabrik ein Einkommen von monatlich 1.000 Mark. Nach der Wiedervereinigung war die Ehefrau in verschiedenen Stellen berufstätig; der Ehemann wurde Geschäftsführer der Nachfolgegesellschaft seines früheren Arbeitgebers. Das AG hat den Ehemann zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 1.116 Euro verurteilt. Die Berufung des Ehemannes, mit der er eine Befristung des nachehelichen Unterhalts auf die Zeit bis einschließlich März 2006 beantragt hatte, wurde vom OLG zurückgewiesen. Die Revision des Ehemannes erwies sich als begründet, sie führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rechtliche Wertung
Die Ausführungen des BGH zum Aufstockungsunterhalt sind identisch mit denjenigen in seiner Entscheidung vom 26.09.2007 im Verfahren XII ZR 15/05 (BeckRS 2007, 17614 mit Anmerkung Born FD-FamR 2007, 247089). Hier wie dort war die Ehefrau bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags erst 41 Jahre alt; deshalb wurde auch hier darauf hingewiesen, dass man die Lebensverhältnisse der früheren Ehegatten entflechten könne im Hinblick darauf, dass die Parteien sehr jung geheiratet hätten und trotz 20-jähriger Ehe noch in der ersten Hälfte ihres Berufslebens stünden. Nach Ansicht des BGH habe das OLG als Argument gegen eine untrennbare Verflechtung der Lebensverhältnisse berücksichtigen müssen, dass die Parteien die erste Hälfte ihrer Ehe in der früheren DDR verbracht hatten und wegen der dort üblichen Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder beide einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen konnten. Damals hätten die Einkünfte der Parteien nicht so weit auseinander gelegen, wie dies inzwischen der Fall sei. Das Einkommengefälle sei seinerzeit nicht vorrangig auf ehebedingte Nachteile, sondern auf den unterschiedlichen Ausbildungsstand der Parteien zurückzuführen gewesen. Das OLG habe nicht festgestellt, ob sich diese Verhältnisse seit der Wiedervereinigung in Folge der berufsbedingt stärkeren zeitlichen Beanspruchung des Ehemannes entscheidend geändert hätten. Es fehlten auch Feststellungen dazu, ob sich für die Ehefrau in Folge der Ehe oder wegen der Dauer der Kindererziehung noch heute ehebedingte Einkommenseinbußen ergäben. Aus diesem Grund wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.
Praxishinweis
Hier kann im Wesentlichen auf die Ausführungen zu der Entscheidung des BGH vom 26.09.2007 – XII ZR 15/05 („Lebensmittel-Verkäuferin“) verwiesen werden. Interessant ist an der hier besprochenen Entscheidung („DDR-Ehe“) allerdings der Hinweis des BGH darauf, es werde für die Billigkeitsentscheidung des OLG darauf ankommen, ob die Ehefrau – trotz ursprünglicher Befristung ihres Arbeitsvertrages bis März 2006 – weiterhin in Vollzeit in ihrem erlernten Beruf beschäftig sei und wie sich die Gesundheitsprognose nach ihrer Erkrankung im Jahre 2002 aus heutiger Sicht darstelle.
Leider wird am Ende der Entscheidung nicht ganz deutlich, wo das OLG berücksichtigen soll, dass der Ehemann inzwischen das im Mai 2001 geborne minderjährige Kind seiner zweiten Ehefrau adoptiert hat und auch für dieses Kind unterhaltspflichtig ist. Einerseits wird vom BGH hier auf § 1609 II 1 BGB, also auf die Rangverhältnisse, hingewiesen. Zusätzlich wird aber das Urteil vom 15.03.2006 – XII ZR 30/04 (NJW 2006, 1654; dazu Born NJW 2007, 26) erwähnt. Dort hat der BGH aber – wenn auch nur als obiter dictum – auf die Auswirkungen einer Unterhaltspflicht für nach Scheidung geborene Kinder schon beim Bedarf hingewiesen, was nach wie vor in der Praxis für zahlreiche Unklarheiten sorgt. Demnächst ist mit einer Klarstellung durch den BGH zu rechnen, weil dort zumindest zwei einschlägige Verfahren anhängig sind: In dem einen geht es um die Unterhaltspflicht für ein nach Rechtskraft der Scheidung adoptiertes Kind (OLG Celle, Urteil vom 11.04.2007 – 15 UF 221/06, BeckRS 2007, 08736 mit Anmerkung Born, FD-FamR 2007, 230098), in dem anderen, hier kürzlich besprochenen, Verfahren (OLG Celle, Urteil vom 18.07.2007 – 15 UF 236/06, BeckRS 2007, 11846 mit Anmerkung Born, FD-FamR 2007, 241509) um die Unterhaltspflicht für zwei nach Rechtskraft der Scheidung geborene Kinder.
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